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Jürgen Möllemann:
Massenhaft Mossad

Jürgen W. Möllemann hat seine Bewerbung um den dümmsten Bestseller der Neuzeit eingereicht...

Joachim Rohloff

Nichts ist so fein gesponnen, daß es den Teilnehmern der Wissensgesellschaft auf die Dauer verborgen bliebe. Wenn irgendwo im Umfeld etwas vorfällt oder im Vorfeld etwas umfällt, werden sie, ob sie es wollen oder nicht, früher oder später erschöpfend informiert. Wir wußten schon, daß der Sex mit Naddel wie ein Teller Nudeln mit Trüffeln ist und daß Osama Bin Laden kurz vorm 11. September 2001 einen hohen Beamten der CIA traf, als nach Mathias Bröckers und Dieter Bohlen sich auch Jürgen Möllemann um den Preis für den dümmsten Bestseller der Neuzeit bewarb. Seitdem wissen wir endlich auch Bescheid über Genscher, der ein Feigling ist und seine Untergebenen malträtierte, über Lambsdorff, der nur deshalb erst nach Mitternacht von seinem Ministerposten zurücktrat, weil der beginnende Tag ihn in eine höhere Pensionsklasse beförderte, über Kinkel, dessen Schwiegersohn ein ehemaliger Mitarbeiter des Mossad ist und ihn deshalb an einer vernünftigen Außenpolitik hinderte, und über Westerwelle, der von eben demselben Dienst dazu erpreßt wurde, Möllemann auszuschalten.

Das Wirtschaftsprogramm der FDP, das aus nicht mehr besteht als Deregulierung, Privatisierung und Steuersenkung, wurde von den beiden großen Parteien übernommen, der politische Liberalismus, der die Bürgerrechte vor den Übergriffen des Staates schützen wollte und tatsächlich gegen die Notstandsgesetze protestieren durfte, weil er sich seinerzeit zufällig in der parlamentarischen Opposition wiederfand, der aber im Deutschen Herbst den Innenminister stellte und schließlich vorm Großen Lauschangriff kapitulieren mußte, ist mausetot. Die FDP koalierte bis vor kurzem mit Roland Koch und koaliert noch immer mit Ronald Schill. Sie ist ebenso überflüssig, wie die Grünen es sind.

Aber nicht deshalb beschloß Jürgen Möllemann, gerade aus der Partei, die am längsten an der Bundesregierung beteiligt war, eine Protestpartei zu machen, die gleichzeitig eine Volkspartei sein sollte. Unterm berauschenden Eindruck seines Wahlsiegs in Nordrhein-Westfalen verfiel er auf die Idee des "Projekts 18", übersah dabei aber, daß nicht sein politisches und demagogisches Genie ihm diesen Sieg beschert hatte, sondern der Finanzskandal der CDU. Noch heute glaubt er, seine Idee sei richtig gewesen, ihre Verwirklichung sei aber von Westerwelle und anderen Kleingeistern in der Parteiführung hintertrieben worden.

So ist der Coup des Mossad mit der Unterstützung des deutschen Wählers schließlich gelungen. Möllemanns politische Karriere wurde abrupt beendet, und weil er, wie zumindest er selbst meint, der einzige war, der seine Partei vorm Untergang hätte retten können, wird die FDP demnächst nur noch eine kleine Sekte sein. Wenn in ein paar Jahren der letzte liberale Kreistagsabgeordnete und der letzte liberale Stadtrat beieinandersitzen, werden sie sich eingestehen müssen, daß sie den falschen Führern gefolgt sind. Damit sie dann nicht sagen können, er habe es ihnen nicht gesagt, hat er dieses Buch geschrieben. Und weil er die letzte Gelegenheit, aus der eigenen Dummheit ein Geschäft zu machen, nicht gern vorübergehen ließ.

"Antisemitische Tupfer" vermochte Hans Leyendecker, der Rezensent der "Süddeutschen Zeitung", "auf den ersten Blick zumindest, nicht zu erkennen". Er hätte das Buch halt nicht nur anschauen, sondern auch lesen sollen. Antisemitisch ist schon die mehrfach wiederholte Behauptung, wer die israelische Regierung kritisiere, breche ein Tabu und müsse damit rechnen, wegen seiner "abweichenden Meinung" verfolgt zu werden. Antisemitisch ist ferner die Wahnvorstellung, der Mossad habe gefürchtet, was in Deutschland niemand ahnte oder wünschte, nämlich daß Möllemann nach einem Wahlsieg der CDU und der FDP im Jahr 2002 der neue deutsche Außenminister werden könnte, und sich deshalb dessen Parteivorsitzenden vorgeknöpft. "Jedes Mal, wenn er angsterfüllt, entrüstet und weinerlich zugleich davon sprach, fragte ich Dr. Westerwelle natürlich: ›Womit, um Gottes willen, drohen Ihnen diese Leute denn?‹" Fürwahr, das möchte man nun auch noch gerne wissen. Haben seine Eltern einen Obst- und Gemüseladen in Bonn-Beuel? Könnte Israel einen Orangenboykott über sie verhängen? Oder ist Westerwelle am Ende gar schw...? Nein, dieser schreckliche Verdacht, den auszusprechen Möllemann sich nicht traut, soll auch hier verschwiegen werden.

Antisemitisch ist der Anwurf, Ariel Sharon und Michel Friedman trügen mit ihrem Verhalten zum Antisemitismus bei. Nicht antisemitisch, sondern nur noch saudumm ist Möllemanns kläglicher Rechtfertigungsversuch, er sage doch nur, was viele dächten, wenn er von all der Zustimmung, die er wie jede andere populistische Tabubrecher selbstredend erhalten hat, ausgerechnet den Brief des "bekannten Frankfurter Bürgers Dr. Erich Bärmeier" zitiert: "Ich weiß nicht, wie die schweigende Mehrheit im einzelnen denkt. Ich weiß aber, daß die Art und Weise, wie sich der Zentralrat der Juden in Deutschland und insbesondere sein Vizepräsident Michel Friedman in letzter Zeit zu äußern pflegen, bei mir antijüdische Empfindungen hervorgerufen hat. Jürgen W. Möllemann hat also, was mich betrifft, recht. Ja, wird Friedman sagen, da kommt er zutage, der latente Antisemitismus, vor dem ich immer gewarnt habe. Doch das ist völlig falsch." Denn ebensowenig wie Möllemann ist Bärmeier ein Antisemit. Beide haben sogar Ignatz Bubis persönlich gekannt, und er würde, wenn er noch lebte, ihnen beistehen und Friedman zur Ordnung rufen.

Dumm ist Möllemanns Lüge, er habe die Attentate palästinensischer Terroristen niemals gerechtfertigt, denn jeder Abonnent der "Taz" kann sie widerlegen. Paranoid und bösartig ist die Vermutung, alle seine Gegner hätten sich in irgend jemandes Auftrag gegen ihn verschworen. Auch Genscher werde womöglich erpreßt, weil irgendwelche Abhörprotokolle der Stasi ihn belasteten. Und daß Friedman nicht aus Überzeugung handelt, sondern im Auftrag, versteht sich von selbst. "Sollte Friedman den FDP-Vorsitzenden an die Forderungen erinnern, die diesem bei seinem Israel-Besuch ›zugemutet‹ worden waren, wie Dr. Westerwelle es nannte?" Wenn er aber die Forderungen des Mossad wiederholt, muß er in dessen Machenschaften eingeweiht sein. Ist Friedman ein Agent? Ist der Zentralrat der Juden eine Agentur des Mossad? Und was haben eigentlich Bush und Sharon miteinander ausbaldowert? "Was wäre, wenn Bush und Sharon sich entschlossen hätten, die verfahrene Lage in Israel und Palästina mit Gewalt und ein für alle Mal zu lösen?" Nämlich die Palästinenser nach Jordanien zu vertreiben und das jordanische Staatsgebiet quasi zur Entschädigung um einen Teil des soeben eroberten Irak zu vergrößern?

Es ist wirklich hohe Zeit, daß er sich voll und ganz seinen Geschäften widmet, die in seinem Buch übrigens mit keinem Wort erwähnt werden, oder den Ruhestand im Kreis seiner zahlreichen weltberühmten Freunde genießt. Es gibt ja solche Häuser, die einen Prince of Wales und sogar zwei Gaddhafis schon haben, denen aber ein Möllemann noch fehlt.

Jürgen W. Möllemann: Klartext. Für Deutschland. Bertelsmann, München 2003, 256 Seiten, 18 Euro

Joachim Rohloff schrieb in KONKRET 3/03 über die Friedensmission des Jürgen Todenhöfer

www.konkret-verlage.de
konkret Mai/2003

kt / hagalil.com / 2003-05-21

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