Bayern:
Rechte Sammlungsbewegung in München
Aktionsbündnis macht mit Steckbriefen unter anderem gegen
Grünen-Politiker und jW-Autor mobil...
Ludwig König
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich Rechte in Oberbayern neu
formiert. Unter dem unverfänglichen Namen »Demokratie direkt e.V.« verfügen die
rechten Kräfte seit einigen Monaten über ein Aktionsbündnis, das
Nationalkonservative vom rechten Rand der CSU mit Rechtsparteien wie den
Republikanern und neonazistischen »freien Kameradschaften« verbindet.
Das Konzept einer regionalen Selbstorganisation rechter Gruppen über
Parteigrenzen hinweg geht auf einen Diskussionsbeitrag des Augsburgers Roland
Wuttke im Strategieblatt Nation & Europa vom Frühjahr 2002 zurück. Wuttke gehört
der »Deutschlandbewegung« des ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Alfred
Mechtersheimer an. Ausgehend von der Erkenntnis, daß bisherige Versuche rechter
Parteibildung durch Zersplitterung, Postenschacher, Anpassung an das System und
Flügelkämpfe gescheitert seien, fordert er, »die Zerstrittenheit im nationalen
Spektrum durch Zellenbildung auf unterster Ebene« zu bekämpfen. Diese Zellen
könnten als »Stammtische« Gleichgesinnter beginnen. Mit Infoständen und
Mahnwachen sollte am Aufbau einer Gegenöffentlichkeit gearbeitet werden.
Geeignete Themen seien »Kriegspolitik an der Seite der USA, Bevorzugung des
Großkapitals, Mißbrauch von Steuergeld, deutsche Milliardenzahlungen ans
Ausland, Schächten und Tierschutz, Überfremdung und Bagatellisierung von
Ausländergewalt«. Im Vordergrund solle das Thema und nicht die Partei stehen,
denn mit einer »neutralen Ansprache« ließen sich auch Menschen gewinnen, die
bisher links gewählt haben.
Doch die Teilnahme von »Demokratie direkt« an der Großdemonstration gegen die
NATO-Sicherheitskonferenz Anfang Februar in München scheiterte an der
Aufmerksamkeit der Friedensdemonstranten. Eine Woche später demonstrierten auf
einer Kundgebung von »Demokratie direkt« und dem »Deutsch-Arabischen
Friedenswerk« Skinheads sowie Mitglieder der Reps und der Deutschen Partei gegen
den »USraelischen Imperialismus«. »Demokratie direkt«-Redner Thomas S. Fischer
soll der CSU angehören. Viele Palästinenser verließen die in der Presse als
Friedenskundgebung angekündigte Veranstaltung, sobald sie deren rechtsextremen
Charakter durchschauten.
Bei einer Gedenkveranstaltung anläßlich des Jahrestages der Bombardierung
Dresdens sammelte »Demokratie direkt« Unterschriften für den Erhalt des
Altstadtbunkers unter dem Münchner St.-Jakobs-Platz. Diese Forderung ist
antisemitisch motiviert, da auf diesem Platz augenblicklich ein jüdisches
Zentrum mit Synagoge und Museum gebaut wird.
Ende April veranstaltete »Demokratie direkt« einen Aufmarsch vor der
Feldherrenhalle, um des »Ostfrontkämpfers Reinhold Elstner« zu gedenken, der
1995 mit seiner Selbstverbrennung ein »Fanal gegen die Verleumdung und
Verteufelung des deutschen Volkes« habe setzen wollen.
Neben Republikanerstadtrat Johann Weinfurtner und Mitgliedern der
Deutschlandbewegung beteiligen sich an den Aktionen von »Demokratie direkt« vor
allem die Anhänger der »freien Kameradschaft« um den Neonazikader Martin Wiese.
Die Gruppe erlangte bundesweite Bekanntschaft, als sie an Wieses Geburtstag vor
zweieinhalb Jahren einen Griechen halb totschlug.
»Linker Gesinnungsterror kann durch vielfältige Aktionsformen unterlaufen
werden«, hatte Wuttke gefordert. Im »Demokratie direkt«-Organ München direkt
erstellt er mittels Foto und Kurzbiographie nun Steckbriefe von Antifaschisten.
Erstes Opfer ist der Münchner Fraktionschef der Grünen, Siegfried Benker, dem
eine »geistige Nähe zu kommunistischen Massenmördern« und Engagement für
»Asylmißbrauch« angelastet wird. Für die nächste Nummer der Flugschrift wird die
»Enttarnung« des junge-Welt-Autors Nick Brauns angekündigt.
www.jungewelt.de
Junge Welt vom 20.05.2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-05-21
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