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Frankreich:
Die Tochter des Chefs

Auf dem Parteitag des rechtsextremen Front National setzt Jean-Marie Le Pen seine Tochter als Nachfolgerin ein...

Bernhard Schmid

So viel Eintracht war selten. Das Treffen werde von »Freundschaft, gegenseitiger Zuneigung und Liebe zum Chef« geprägt sein, erklärte Jean-Marie Le Pen, der Führer des rechtsextremen Front National (FN), am Rande des Parteitages, der an Ostern in Nizza stattfand. »Es wird einige Angeschmierte geben, aber das gehört nun mal dazu.«

Ort und Zeitpunkt waren kein Zufall. Am Ostermontag jährte sich der überraschende Triumph von Le Pen im ersten Durchgang der französischen Präsidentschaftswahl. Im Département Alpes-Maritimes mit seiner Hauptstadt Nizza erzielte der Altfaschist sein bestes Ergebnis.

Die Küstenstadt, in der viele frühere französische Algeriensiedler leben, ist eine Hochburg der extremen Rechten. Der Bürgermeister Jacques Peyrat, ein ehemaliger Algeriensoldat, gehörte bis Mitte der neunziger Jahre dem FN an, wechselte dann zum gaullistischen RPR, später zu der neuen bürgerlichen Einheitspartei UMP. Bei den Regionalparlamentswahlen im März kommenden Jahres wird hier Le Pen kandidieren, und so mancher Beobachter rechnet ihm dabei gute Chancen aus. Angesichts der autoritären Atmosphäre in der Stadt überraschte es nicht, dass sich nur einige Hundert Demonstranten gegen den Parteitag einfanden. »Le Pen, hau ab – aber nimm Peyrat mit«, lautete ihre beliebteste Parole.

Ganz so harmonisch, wie es Le Pen angekündigt hatte, lief das Treffen indes nicht ab. »Das erinnert mich an die Spaltung von 1998«, tönte er in Anspielung auf die Auseinandersetzung mit seinem damaligen Rivalen, dem Parteiideologen Bruno Mégret. Doch »dieses Mal weiß ich, was zu tun ist«.

Während sich vor vier Jahren die jüngeren Kader gegen ihren Führer aufgelehnt hatten, verläuft der aktuelle Konflikt mit Vertretern der alten Garde, die seit der Parteigründung 1972 dabei sind. Zu deren Unmut setzt Jean-Marie Le Pen alles daran, eine »dynastische Erbfolge« an der Parteispitze einzufädeln und seine jüngste Tochter Marine als Nachfolgerin einzusetzen.

Marine Le Pen, eine ehemalige Anwältin, die seit 1998 die eigens für sie geschaffene Rechtsabteilung der Partei leitet, sorgte im Frühjahr 2002 mit ihren Auftritten bei den Wahlsendungen für Furore. Nicht nur ihr rhetorisches Talent ist gefragt. Als geschiedene Frau und junge Mutter soll sie dem Front National ein modernes Image verpassen. Moderner jedenfalls, als es die in die Jahre gekommenen fanatischen Veteranen diverser Kolonialkriege vermögen, die heute das Gesicht der Partei prägen.

Derzeit wirbt Marine Le Pen vor allem in Unternehmerkreisen für ihre Partei. Die von ihr geleitete Vereinigung der jungen Parteifunktionäre »Génération Le Pen« lud Anfang April Wirtschaftsexperten zu einer Debatte über das Thema Globalisierung ein. Zu den Teilnehmern gehörte Jean-Richard Sulzer, Dozent für Ökonomie an der Universität Paris-Dauphine und Mitglied der konservativ-liberalen Einheitspartei UMP. Sulzer ist auch als Autor der Wochenzeitung Minute bekannt, einer ideologischen Schnittstelle zwischen Konservativen und Rechtsextremen. Das zeigt, dass es nach wie vor Verbindungen zwischen den Bürgerlichen und der extremen Rechten gibt, obwohl die konservativen Parteien seit Ende der achtziger Jahre solche Bündnisse ausgeschlossen hatten.

Marine Le Pen will auch die Europapolitik ihrer Partei modernisieren, da das schlichte Nein zu den EU-Verträgen kaum durchzuhalten ist.

Doch die »alten Kämpfer« wollen keine Thronerbin, die nicht selbst die schwierigen Zeiten des Aufstiegs durchlaufen hat. So hatten die Anhänger des Generalbeauftragten Bruno Gollnisch, der bislang als offizieller Anwärter auf die Nachfolge von Le Pen galt, darauf geachtet, dass vor allem die parteiinternen Gegner Marine Le Pens als Delegierte zum Kongress geladen wurden. Dabei konnten sie sich vor allem auf den katholisch-fundamentalistischen Flügel stützen, der Marine Le Pens Lebenswandel für schändlich hält.

Als sich bei der Wahl zum Zentralkomitee deren Gegner durchzusetzen drohten, reagierte Jean-Marie Le Pen prompt. Per Verfügung erweiterte er kurzerhand das Politische Büro – eine übergeordnete Instanz – von 40 auf 50 Mitgliedern und schanzte die zusätzlichen Sitze den Mitarbeitern seiner Tochter zu. Kurz darauf ernannte er sie zur Vizepräsidentin der Partei – ein Posten, den es bisher gar nicht gab. Anschließend wurde sie in das höchste Parteigremium, das Exekutivbüro, aufgenommen. Damit waren die Pläne von Gollnisch und seinen Freunden gescheitert.

Auf diese Weise ist es Le Pen vorerst gelungen, seine Nachfolge zu regeln. Dennoch läuft nicht alles nach Wunsch. Der FN ist mit internen Machtkämpfen beschäftigt, sein öffentliches Ansehen hängt fast ausschließlich von der Führungspersönlichkeit Le Pens ab.

Auch bei der inhaltlichen Profilierung hat die Partei große Schwierigkeiten. In den neunziger Jahren hatte die extreme Rechte soziale Themen als neues Agitationsfeld entdeckt. Die Vordenker und Kader der Partei hatten dabei an den Aufbau einer sozialen Bewegung in authentisch-faschistischer Tradition gedacht, die auch auf der Straße und im gesellschaftlichen Alltagsleben präsent sein sollte.

Damals gründeten Mitglieder des Front rechtsextreme Gewerkschaften, Mietervereinigungen oder Arbeitslosenorganisationen. Heute werden gerade diese für die extreme Rechte strategisch wichtigen Themen vernachlässigt. Viele Kader haben die Partei verlassen, der gesamte Apparat ist geschrumpft. Dass sich die »Bewegung« mittlerweile auf eine Familienangelegenheit reduziert, dürfte die Zukunftschancen der extremen Rechten beträchtlich verringern.

www.jungle-world.com
Jungle World (Nummer 19 vom 30. April 2003)

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