Antisemitische Angriffe und Einstellungen nehmen zu :
Chronischer Judenhass
Das Jahr 2002 hat eine Vielzahl von Debatten über
antisemitische Äußerungen erlebt: von Möllemann über Karsli bis zum neuen Buch
Martin Walsers. Im selben Zeitraum ist die Zahl gewalttätiger Angriffe auf
Jüdinnen und Juden sowie auf jüdische Einrichtungen weiter gestiegen. Die
Botschaft kommt an: die neuesten Umfragen zeigen eine deutliche Zunahme
antisemitischer Einstellungen – vor allem im Westen
...
Ulli Jentsch / apabiz
"Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß." Dieser antisemitischen
Stereotype stimmten im April vergangenen Jahres 28 Prozent der befragten
Bundesbürger zu. Das erschreckende Detail dabei: Im Westen der Republik stieg
die Zustimmung von 14 Prozent im Jahr 1998 auf 31 Prozent – ein vergleichsweise
einmaliger Sprung. Gleichzeitig nahm die Zahl antisemitischer Angriffe im
vergangenen Jahr weiter zu: Im ersten Quartal 2002 stehen 127 Vorfälle zu Buche,
im zweiten Quartal schon 319. Insgesamt weist die offizielle Statistik 1.257
antisemitische Straftaten aus. Auch in Berlin wurden nach inoffiziellen Angaben
der Polizei im vergangenen Jahr mehr als 100 antisemitische Delikte registriert.
Dabei sind zwei Aspekte auffällig: zum einen die erneute Verwendung von
Sprengstoff, zum anderen die regionalen Serien in Nordbrandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern.
Am 16. März 2002 verübten unbekannte Täter einen Sprengstoff-Anschlag auf den
jüdischen Friedhof in Berlin-Charlottenburg. Nennenswerte Ermittlungsergebnisse
der Polizei hierzu gibt es nicht. Nur einen Verdächtigen konnte die Polizei
schon nach kurzer Zeit ausschließen: Ekkehard Weil, Hauptverdächtiger eines
Sprengstoff-Anschlags vom Dezember 1998, saß nach Angaben der
Ermittlungsbehörden zur Tatzeit in Haft.
In Nordbrandenburg und Mecklenburg-Vorpommern kam es Anfang und Ende des Jahres
zu auffälligen Serien antisemitischer Schändungen. So wurden am Wochenende des
23./24. Februar drei Gedenkstätten in Mecklenburg-Vorpommern schwer beschädigt.
Die unbekannten Täter hinterließen in allen Fällen Schweineköpfe. Im September
wurde das Museum und die Gedenkstätte für die Opfer des Todesmarsches im Belower
Wald durch einen Brandanschlag zerstört. Es folgen Schändungen in Grevesmühlen,
Bützow und Fürstenberg. Gedenkstättenleiter Günter Morsch: "Die Häufung
bestimmter Formen rechtsradikal-motivierter Delikte in diesem Jahr lässt uns
befürchten, dass zumindest einige der rechtsextremistischen Anschläge
längerfristig geplant waren oder vielleicht sogar in einem Zusammenhang stehen."
Im November wurden an drei Orten in Uecker-Randow volksverhetzende Transparente
gefunden. An einer Straßenbrücke in Torgelow stand »Erwehrt euch der jüdischen
Weltpest«. Am jüdischen Denkmal in Löcknitz hing die Parole »Stoppt das
Finanzjudentum«. Vor dem jüdischen Friedhof in Ueckermünde rief ein weiteres
Transparent zum Kampf gegen die "jüdische Weltbolschewisierung" auf. Am 17.
November wurde ein Mahnmal für Opfer des KZ Sachsenhausen in Leegebruch
zerstört. Es erinnerte an Zwangsarbeiter der Heinkel-Werke in Leegebruch.
Eine ausführliche Chronologie antisemitischer Vorfälle im Jahr 2002 befindet
sich unter:
klick-nach-rechts.de/ticker/2003/04/Antisemitismus_2002_Chronologie
apabiz.de
Quelle: Monitor Nr. 10 (Mai 2003)
kt /
hagalil.com
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