Wehrmachts-Ausstellung München
(München, 1. 3. 1997 - Kundgebung am
Geschwister-Scholl-Platz,
Redebeitrag von Chaim FRANK - Dokumentations-Archiv, München)
Die Geschichte hat die Menschen in diesem Lande
wieder einmal eingeholt. Der erbitterte Streit zwischen der 'Befürwortern'
und den 'Gegnern' der Ausstellung 'Vernichtungskrieg - Verbrechen der
Wehrmacht 1941-1944', als auch der Parteienstreit - speziell in München -,
macht uns wieder einmal bewußt, wie wenig tatsaechlich, in den 52 Jahren
nach dem Krieg aufgearbeitet wurde.
Die Verbrechen der Wehrmacht koennen und dürfen nicht geleugnet werden, weil
sie stehen gleichwohl im engsten Zusammenhang mit dem Holocaust, und den
brutalen Morden an Zivilisten, an Kindern, Frauen und alten Menschen in Ost-
wie Westeuropa.
Die Ausstellung verallgemeinert überhaupt nichts,
sondern sie legt die Verbrechen, - anhand der gezeigten Bilder, offen. Dabei
zeigt sie noch nicht einmal das gesamte Verbrechen der Wehrmacht, denn sie
begrenzt sich auf lediglich drei Schauplaetze:
- Der Partisanenkrieg in Serbien (1941)
- Die 6. Armee auf dem Weg nach Stalingrad
(1941-1942)
- Die Besatzungs-Zeit in Weißrußland (1941-1944)
Gewiß waren nicht alle der 18-20 Millionen
Wehrmachtsangehoerige an den Verbrechen beteiligt - wenn man einmal die
Suppenküche, die Transporteure oder die Bürokratin ausklammern will - aber
es blieben immerhin noch genug übrig: Jene die die Exzesse und die
schrecklichen Morde, wegen irgendwelcher Führerbefehle, gedankenlos einfach
ausführten.
Und wir müssen uns stets vor Augen halten: Nicht
die osteuropaeischen Laender und nicht die Sowjetunion haben das Nazireich
überfallen, sondern Hitler-Deutschland - mit seiner Wehrmacht - hat Europa
heimtückisch überfallen und diesen Krieg gegen wehrlose Menschen geführt.
So ist es in der Tat unverstaendlich, daß viele
es immer noch nicht wahr haben wollen, daß von der 'sauberen' Wehrmacht mehr
Verbrechen ausging als von irgend einer anderen Armee zu dieser Zeit.
Insofern darf hier auch nicht von einem 'Krieg' die Rede sein, sondern von
einem der unverschaemtesten und blutrünstigsten Vernichtungs- und Raubzüge
in der Weltgeschichte überhaupt.
Darum ist es auch überaus beschaemend, wenn der
BAYERNKURIER - das Sprachorgan des Gauweilers - herablassend ueber die
Ausstellung schreibt, daß es sich hier: (Zitat) 'um einen moralischen
Vernichtungs-Feldzug gegen das Deutsche Volk' handelt.
(Anm. haGalil: Der Bayernkurier ist das offizielle Presseorgan der
Christlich-Sozialen Union, der bayerischen Schwesterpartei der
Christlich-Demokratischen Union. Diese Parteien stellen seit vielen Jahren
die Regierung der Bundesrepublik Deutschland).
Hier sieht man einmal mehr, wie die CSU-Führung
gemeinsam mit Alt- und Jung-NAZIS eine hemmungslose Stimmungsmache gegen die
Ausstellung betreibt; das gab es - außer in Haider's Österreich - noch in
keiner der anderen 15 Staedte Deutschlands, in denen die Ausstellung bereits
zu sehen war. Dort bemühte man sich zumindest sachlich an das Thema heran zu
gehen und sich mit den Verbrechen der Wehrmacht auseinanderzusetzen - doch
hier in Bayern, vor allem unter den Christ-Sozialen-Unions Kappen, dampft
noch immer so mancher braune Kopf dumpf vor sich hin.
Der CSU-Führer Gauweiler, der Partei-Gruender Mechtersheimer, der Autor Joerg
Friedrich und viele andere mehr bestreiten sogar die Echtheit der hier
gezeigten Fotos und Dokumente, oder relativieren die Verbrechen der
Wehrmacht überhaupt, da - laut Oberstleutnant a.D. Alfred Mechtersheimer:
'die Bildquellen und Bildertexte' angeblich fehlen.
Wenn also Wehrmachtssoldaten mit gehobenem Gewehr
unmittelbar nach einer Zivilisten-Erschießung auf solchen Fotos zu sehen
sind, oder auch lediglich aufgehaengte Kinder zu erkennen sind, so beduerfen
solche Bilder keiner Bildunterschriften. Das Dargestellte spricht mit
schrillen Worten für sich selbst - oder etwa nicht?!
Tatsaechlich wirkt aber die Ausstellung für viele
- wie es Graf Einsiedel so treffend formulierte: 'wie ein heilsamer Schock',
zumindest für diejenigen mit der 'Gnade der spaeten Geburt', deren
Großeltern oder auch deren Eltern ihre Mittaeterschaft bisher verschwiegen.
Naemlich:
- Was war damals mit ihnen geschehen?
- Was haben sie mit sich geschehen lassen?
- Wie verantwortungslos hatten sie gehandelt?
Abermals - wie schon zuvor durch das
Goldhagen-Buch - wurde - nun mittels einer erschütternden Ausstellung - eine
bodenlose Verdraengung aufgedeckt; wobei die Jugend, selbst mit einem
geringen Wissen ueber die Nazizeit, anhand des Gezeigten sehr wohl - weil
sie es auch will - zum Nachdenken angeregt wird. Sie setzt sich, wie ich es
sehen konnte, sehr wohl mit dieser Vergangenheit auseinander, weil sie aus
den Fehlern und Lügen der Taetergeneration lernen moechte.
Aber: An der hitzigen und aufgebrachten Stimmung
- ohne jedoch Aufklaerung zu bieten - befleißigt sich auch der Bayerische
Rundfunk und zwar als 'rechter' 'Meinungsmacher' indem er zB. in der
ZEITSPIEGEL-Sendung die Wehrmachts-Ausstellung als 'Ausstellungs-GAU'
bezeichnet und in der Einleitung den Kommentator ferner sagen laeßt: (Zitat)
'Ein links angehauchter Millionen-Erbe schickt eine provokante und
umstrittene Ausstellung ueber die Verbrechen der Wehrmacht auf die Reise.'
Das klingt so, als sei Reemtsma - weil er 'links angehaucht ist' - Schuld an
dieser Ausstellung, der es außerdem, weil er 'Millionen-Erbe' ist, sich
leisten kann mit den gezeigten Bildern zu 'provozieren'.
Nein, nicht die Ausstellung, sondern solche
Berichterstattung eines ”oeffentlichen Senders, wie die der Bayerischen
Rundfunk und TV-Anstalt, die stets einseitig und parteipolitisch
kommentiert, ist schon mehr als provokant, zumal sie auf unser aller Kosten
lebt!
Es ist eine unverschaemte Meinungs- und Stimmungsmache, die seit geraumer Zeit
aus diesem Hause zu uns dringt, selbst wenn man einmal davon absieht, daß
selbst ein Herr Schoenhuber (Sein stolzes Buch zur Waffen-SS: ''Ich war
dabei!'' Anm. der Red. haGalil onLine) für den BR taetig sein durfte und
dort auch heute noch etliche Freunde besitzt.
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Die gegenwaertige Reaktionen und Diskussionen um
die Ausstellung braeuchte gar nicht erst notwendig zu sein, wenn man
naemlich schon früh, also vor 1933, erkannt - und mehr noch - verhindert
haette, was heute, 52 Jahre nach Kriegsende, einem immer noch 'als Rülpser
der Geschichte' hochkommen muß.
Es stimmt einfach nicht - wie viele stolze
Deutsche es gerne behaupten -, daß man nichts dagegen tun konnte. Man
haette, mindestens bis zum Kriegsausbruch, sehr viel für die Unterdrückten,
für die rassisch verfolgten Mitmenschen und auch für sich selbst, für sein
eigenes Gewissen, tun koennen - wenn man es denn gewollt haette!
Man haette nicht die Juden zu boykottieren brauchen; man haette die
Osteuropaeer und Zigeuner nicht als Untermenschen sehen dürfen und
schließlich haette man sich entschieden gegen das Nazi-Reich stellen müssen.
Gewiß haette der einzelne nicht viel ausrichten
koennen, aber die Masse - jene wenigstens, die vielen, vielen, vielen, die
Unmengen jener, die stets von sich behaupten, sie haetten angeblich nicht
mitgemacht. Wenn das geschehen waere, dann braeuchte sich heute kein
'stolzer Deutscher' ueber irgend welche Verbrechen zu schaemen, denn dann
haette es keine Verbrechen der Wehrmacht - und noch weniger einen Holocaust
gegeben.
Aber: Die Tatsachen liegen nun einmal anders!
Es gab schreckliche Kriegs-Verbrechen, Raub- und Vernichtungszüge. Es hat
unzaehlige Exzesse an unschuldigen Menschen gegeben; und es gab - unleugbar
- Deportationen, Vergasungen, die Vernichtung von 6 Millionen Juden! Und
darin befleißigte sich die Wehrmacht ebenso, wie die Wissenschaft, die
Justiz, die Medizin. All dieses geschah - und viele berufen sich gerne
darauf - auf Führerbefehl, und - schlimm genug - diese Verbrechen geschahen
allesamt im Namen der Deutschen.
Insofern bietet die Ausstellung - die ohnehin
'bloß' ein kleines Kapitel aus dem großen Buch der Wehrmachts- und
Naziverbrechen behandelt - sehr wohl für jeden, der es wirklich will, eine
klare Aussage und Aufklaerung. Hieraus kann - und ich sagte es bereits -
auch die jüngere Generation, sofern sie ohne Vorbehalte an das Thema
herangeht, sehr viel lernen. Lernen, damit es niemals wieder zu solch einer
moerderischen Brutalitaet kommen kann. Lernen und Gedenken, damit nicht noch
einmal eine ganze Generation, aus ein-und-dem selben Volk, sich vor den von
ihnen nun begangenen Taten schaemen und rechtfertigen muß.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit...