Manchmal packt Dich die kalte Wut, Du springst im Dreieck, tobst, schlägst
den Journalistinnen und Journalisten ihre Sülze um die Ohren, rauchst
eine Machorka und fällst dann in Dich zusammen: Nichts ist passiert,
nichts verändert sich. Also beruhige Dich wieder, keep cool, darling:
recherchiere und berate Journalistinnen und Journalisten (hetz sie nicht
zu Tode) wie notwendige Informationen und Kritiken verantwortlich
rübergebracht werden.
Dazu ist es auch notwendig, dass Du selbst konkrete Anlässe
recherchierst, mit Fakten belegst und sympathisch versuchst,
Journalistinnen und Journalisten zu bewegen, verantwortliche
Medienpolitik zu betreiben.
Das folgende Beispiel kann zwar noch verbessert werden, ist aber schon
ein gutes Beispiel für eine solche Kehrtwendung.
Es beginnt schon mit der systematischen Ankündigung von Zahlen der
Asylbewerber, die vor allem seit der Vereinigung tagaus, tagein bei
jeder Nachrichtensendung den Zuhörern und Zuschauern wie Hammerschläge
versetzt werden. Zahlen klingen stets sachlich, nüchtern und
wahrheitsgetreu. Sie erhöhen die Überredungskunst.
Nackte Zahlen allein sind trocken. Sie werden daher in Bilder gebettet,
die so oft gezeigt werden, dass sie automatisch eine Pawlowsche Reaktion
hervorrufen. Bei ARD und ZDF zum Beispiel beginnen die
Nachrichtensendungen über das Thema "Asyl" fast immer mit demselben
starren Bild: Massen von Asylbewerbern, eingepfercht zwischen Gittern,
vor dem Eingang der Asylstelle. Eine eingeblendete unendliche Schlange
unterstreicht die Kommentare und Zahlen des Nachrichtensprechers und
suggeriert Tausende von Menschen. Die dazu angewandte oder von
Politikern übernommene Terminologie steuert ihren entsprechenden Teil
bei: Asylantenschwemme, Flut von Asylanten, Zahl dramatisch gestiegen...
Wörter und Bilder sind Geschwister. Wörter malen die Realität mit
Bildern, und Bilder können durch Wörter bis zur Unkenntlichkeit verzerrt
werden: Unsere Bilder sprechen unsere Sprache. Immer.
Das Interesse der Hintergrundberichte gilt fast ausschließlich den
Aufnahmekapazitäten der Kommunen, den Auswirkungen auf die
Lebensqualität der deutschen Bürger und vor allem der Zunahme der
Kriminalität und der Arbeitslosigkeit, die implizit und oft direkt mit
den Asylbewerbern in Verbindung gebracht werden. Das alles gewürzt mit
Forderungen der Politiker, "endlich Maßnahmen gegen die Asylantenflut"
zu treffen.
Indessen wächst das Monster Rassismus, es wird zur alltäglichen
Realität, und große Teile der Republik schauen zu oder weg.
In den meisten Diskussionen werden die Ausländer als "Problem"
erörtert.
Wie viele Sendungen oder Berichte wurden aber dem menschlichen
Schicksal dieser Menschen, ihren Leiden gewidmet? Ausländer,
Asylbewerber, Flüchtlinge werden im Grunde genommen kaum als mehr als
eine gesichtslose Masse ohne fest umrissene Konturen wahrgenommen.
Lediglich Haut- und Haarfarbe, die "andere" Religion und das
"Fremdartige" bleiben haften.
Kein Wunder, dass unter diesen Bedingungen, über die kahlgeschorenen
Horden hinaus, auch - und das ist das Bedrückendste - der Otto
Normalverbraucher den Feuer-Anzündern Beifall klatscht und in
Ausländerinnen und Ausländern oder Asylbewerberinnen und -bewerbern
potentielle Aggressoren und Störenfriede sieht. Haben uns nicht gar
hochrangige Politiker belehrt, dass auch diese Leute "Menschen" sind?!
Ob Talk-Show oder Unterhaltungssendung, zum zigsten Mal salbadern zu
"Experten" gekürte Pseudo-Intellektuelle jeglicher Disziplin über die
Gründe der Gewaltexplosion. Über die Medien äußern Politiker und immer
mehr Deutsche "Verständnis" für die "verirrte Jugend". Die Quelle des
Unheils sei im "alten SED-Regime", in dem "unerfahrenen Umgang mit
Ausländern" oder in der "sozialen Misere" der neuen
Bundes(mit?)bürgerinnen und -bürger zu suchen! Dementsprechend lauter
wird ihre Larmoyanz und das permanente Geschrei nach Kohle. Eine, aus
nichtdeutscher Perspektive gesehen, manchmal geradezu anstößig klingende
Angelegenheit angesichts der Lage in den übrigen ehemaligen
"sozialistischen Ländern", geschweige denn in den übrigen Teilen der
Welt.
Auffallend an der Art und Weise, wie die Ausländerfeindlichkeit
behandelt wird, ist, dass man stets über, aber in den seltensten Fällen
mit den Ausländern diskutiert.
Die Debatte - sofern man von einer Debatte sprechen könnte - wird ohne
die Betroffenen geführt.
Natürlich, einige Journalistinnen und Journalisten, Moderatorinnen und
Moderatoren, manchmal gut inspiriert, denken auch mal daran, ihre
Kolumnen oder ihre Sendungen einigen Ausländern zu öffnen, doch
abgesehen davon, dass es viel zu selten passiert, sind es leider oft
immer dieselben Gesichter.