Sommer, Sonne, Freizeit....wer mag das nicht? Wie kann man
seine Ferien angenehmer verbringen, als irgendwo am Wasser auszuspannen
oder sich in den schönsten Urlaubsorten vergnügen? Ist es nicht
wunderbar, sorglos und unbeschwert in den Tag hineinzuleben?
Auch ich genieße gerne meine freie Zeit. Diese verbinde
ich dann noch am liebsten mit Dingen, die mir sehr am Herzen liegen, und
ich habe dafür einen sehr guten Weg gefunden - die Jugendbegegnung, über
die ich hier berichten möchte.
Warum Jugendbegegnungen so wichtig sind
In einer Zeit, in der sich die Menschen oft nur noch in
Cyberspace begegnen, sich vom tv berieseln lassen oder einfach nur in
ihrer eigenen kleinen Welt vor sich hinleben, immer auf der Suche nach
dem neusten "kick", haben wir verlernt, uns wirklich zu begegnen und
miteinander zu reden.
Von der Vergangenheit wollen heute viele nichts mehr
wissen, "das ist doch schon so lange her, was geht mich das überhaupt
noch an"? Und hier will ich ansetzen, hier bei diesem Satz, denn dieser
Satz beinhaltet die "es geht mich nichts an Haltung", und genau das ist
das große Problem unserer Zeit. Wir entziehen uns unserer Vergangenheit,
in dem wir sie ad acta legen... wie bequem, wie angenehm... "Schwamm
drüber", heute zählen Spaß, Lifestyle und Konsum... und auf der Straße
marschieren schon wieder die Nazis und die etablierten Politiker sind
tüchtig an der rechten Meinungsmache beteiligt, indem sie z.B. von
"Leitkultur", "nützlichen Ausländern" und einer "durchrassten
Gesellschaft" reden. Unsere Jugend hat für viele Fragen und Probleme
keine Ansprechpartner. Schlimmer noch, Deutschlands "neue Rechte"
kümmert sich gerade deshalb verstärkt um die Jugendlichen, sprich
versucht die unzufriedene, fragende und alleine gelassene Jugend für
ihre Zwecke zu missbrauchen. Schnell kann es geschehen, dass aus
unwissenden Menschen Leute mit massiven Vorurteilen und pervers
verzerrtem "Weltbild" werden.
Ich halte die Jugendbegegnung für einen der besten Wege,
solchen Fehlentwicklungen vorzubeugen. Schon in dem Wort Jugendbegegnung
steckt die Lösung für ein Problem, denn wer sich wirklich "begegnet",
lernt sich kennen und beginnt ganz schnell, mit Stereotypen und
Vorurteilen aufzuräumen. Die Begegnung, das Kennen lernen ist die größte
Chance, den immer stärker werdenden rassistischen und antisemitischen
Tendenzen entgegenzutreten und den Nazis die rote Karte zu zeigen.
In Dachau gibt es seit 19 Jahren die internationale
Jugendbegegnungsstätte, die hervorragende Jugendbegegnungen ausrichtet.
Ich selbst habe gerade an einer solchen Begegnung teilgenommen und war
absolut begeistert von dem Engagement und dem Interesse der jungen
Leute, mit denen ich die Tage der Begegnung verbrachte. Das Motto der
Begegnung heißt erinnern-begegnen-Zukunft gestalten, und daran haben wir
zusammen auch gearbeitet.
Mit am wichtigsten empfand ich den Besuch in der
KZ-Gedenkstätte Dachau, der ein erschütterndes Erlebnis für uns alle
war. Einige der Jugendlichen, die aus vielen verschiedenen Ländern
angereist waren, wurden dort zum ersten Male direkt mit dem Terror und
der unendlichen Grausamkeit der Nazis konfrontiert. Die Ausstellung in
der KZ-Gedenkstätte hat durch Dokumente in Bild und Text gezeigt, wie
unerträglich und grausam die Häftlinge behandelt wurden. Natürlich gab
es von Seiten der Jugendlichen sofort viele Fragen, die dann weit über
den Besuch in der Gedenkstätte hinausgingen. Die jungen Leute haben
verstanden, dass die Nazis mit blutiger und brutaler Hand regierten. Sie
waren schockiert von den Bildern der gequälten Menschen, der Opfer der
medizinischen Versuche, den Toten.
"nur wenn Du Dir bewusst bist,
was möglich war, kannst Du mithelfen dafür zu sorgen,
dass es nie wieder geschehen kann"
"Wie kam es nur dazu"... eine Frage, die sehr oft kam, und
die dann später, nach dem Besuch in der Gedenkstätte ausführlich
erörtert und diskutiert wurde. Wie wichtig es ist, den Jugendlichen die
Schrecken der Vergangenheit vor Augen zu führen, und danach ausführlich
über die Ursachen und historischen Hintergründe, die zu all den
Verbrechen und zum Holocaust führten zu reden, habe ich ja schon
erklärt. Wenn man sich schon früh mit der Geschichte auseinandersetzt,
wird man sich seiner Verantwortung für die Zukunft erst richtig bewusst.
Sehr wichtig war eine Aussage eines jungen Mädchens aus Polen, die mir
sagte, dass sie nun beginne zu verstehen, was ihre Großmutter ihr schon
oft gesagt hatte: "nur wenn Du Dir bewusst bist, was möglich war, kannst
Du mithelfen dafür zu sorgen, dass es nie wieder geschehen kann".
Die Jugendbegegnung ermöglicht auch den Kontakt zu
Zeitzeugen, die in der Lage sind ihre eigene Geschichte vorzutragen.
Wenn man einem solchen Menschen zuhört wird einem erst richtig bewusst,
wie es wirklich aussah, was wirklich geschah. Die Berichte der
Zeitzeugen waren für alle Zuhörer ein Erlebnis, das man nicht mehr
"abschütteln" kann.
Mich hat besonders die herzliche und für mich persönlich
unendlich wichtige Begegnung mit zwei holländischen
Widerstandskämpferinnen geprägt. Die zwei Damen haben sich mit aller
Kraft gegen die Nazis gestellt und sehr oft ihr Leben für andere
Menschen auf's Spiel gesetzt. Lange habe ich ihnen zugehört und ich
konnte sehr viel Kraft aus ihren Lebensberichten schöpfen, denn sie
haben in der dunkelsten Zeit Licht und Hoffnung an Menschen
weitergegeben , die verfolgt und in Lebensgefahr waren.
Augen, Ohren und den Mund aufmachen
Widerstand ist möglich - das war ihre Botschaft, eine
Botschaft, die wir alle uns zu Herzen nehmen müssen, denn es ist eben
nicht so, dass die Vergangenheit "abgehakt" werden kann. Widerstand
gegen den alltäglichen Rassismus und Antisemitismus und Mut, sich für
andere, die in Bedrängnis sind, einzusetzen - eben die lähmende
Gleichgültigkeit abzuschütteln und die Augen, Ohren und den Mund
aufzumachen, wenn Rassisten und Antisemiten Menschen beleidigen und
angreifen.
In Workshops haben wir dann gemeinsam die Problematik
Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus Hass und Gewalt
aufgegriffen. Alleine der Workshop, an dem ich teilnahm, hat gezeigt,
dass es doch unendlich viele Möglichkeiten gibt, sich gegen
Rechtsextremismus und seine Auswirkungen in der Gesellschaft zu
engagieren. Wir sprachen über tief verwurzelte Vorurteile, Stereotypen
und rassistische/antisemitische Tendenzen im täglichen Leben und Umfeld.
In den Diskussionen kam ganz klar zum Ausdruck, dass auch in anderen
Ländern übelste Vorurteile und Ausgrenzungen gegenüber Minderheiten
stattfinden. Besonders erschreckend dabei wieder, dass in allen Ländern
Europas auch die Neo-Nazis ihre Finger mit im Spiel haben. So hat mir
zum Beispiel ein Junge aus Polen berichtet, dass er einen
Skinhead-Überfall auf einen Schwarzen miterlebt hat - und keiner traute
sich einzuschreiten. Hakenkreuze, Nazisymbolik aller Art,
Musikproduktionen für rechtsextreme Bands, man kann auch dies in vielen
europäischen Ländern beobachten.
Da alle Jugendlichen, die an der Begegnung teilnahmen, sich
auch im Alltag engagieren wollen, haben wir viel über Lehr- und
Lernmethoden gesprochen. Jugendarbeit aus verschiedenen Projekten und
Ländern wurde uns vorgestellt. Um das ganze ein wenig aufzulockern und
unsere angestauten Gefühle auszudrücken, haben wir dann in kleinen
Gruppen Collagen angefertigt, die sich auch mit dem Aspekt der Hoffnung
für die Zukunft beschäftigt haben. Als wir so miteinander gearbeitet
haben, konnten wir auch viel persönlich reden, haben Gemeinsamkeiten und
Differenzen entdeckt und konnten, trotz der ernsten und bedrückenden
Thematik auch miteinander lachen.
Zur Jugendbegegnung gehört auch gemeinsame Freizeit, die
alle genutzt haben, sich auszutauschen und das Erlebte miteinander zu
verarbeiten und zu besprechen. Wir alle haben festgestellt, dass es
zwischen Menschen doch mehr Dinge gibt, die uns verbinden, als uns
trennen - und genau das nahmen die jungen Leute mit nach Hause. Für mich
ein großes Zeichen der Hoffnung für die Zukunft, denn all diese
engagierten jungen Menschen wollen sich beruflich wie privat gegen
Diskriminierung und Hass einsetzen.
Ich sehe in solchen Jugendbegegnungen einen wichtigen
Baustein in der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Intoleranz. Leute,
die an solchen Veranstaltungen teilnehmen, werden oft zu Multiplikatoren
im Freundes- und Bekanntenkreis, sind Teamer oder anderweitig in der
Jugendarbeit aktiv. Für Jugendliche, die einfach mal neugierig waren,
wie eine Jugendbegegnung abläuft, ergeben sich oft total neue
Perspektiven für die Zukunft, wie ich in etlichen Gesprächen mit den
jungen Menschen herausgefunden habe.
Neue Perspektiven, Wissen über die Vergangenheit und
Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft - Jugendbegegnungen tragen
dazu bei, dass vielleicht eines Tages endlich der Rassismus, der
Antisemitismus und all der kranke Hass der Menschen untereinander
besiegt werden können.
Dies war nur ein kleiner Einblick in meine Erlebnisse
während der Jugendbegegnung. Ich werde noch etliches mehr darüber
schreiben und berichten. Auch möchte ich ausführlich über unsere
Abendveranstaltung berichten, die im Rahmen der Jugendbegegnung
stattfand. Ich habe diesen Artikel hier zum Einstieg in die
hervorragende und wichtige Arbeit von hagalil.com verfasst und freue
mich wirklich, bei hagalil mitwirken zu dürfen.
Gunda Hernandez
|