"Deutschland ist ein schönes Land und ich lebe auch 14 Jahre in
Deutschland, aber irgendwie fühle ich mich fremd in diesem Land. Ich
möchte gerne in mein Land zurückkehren, aber ich kann es nicht, weil es
in meinem Land Krieg gibt und weil es auch uns Kurden weggenommen wurde.
Manchmal denke ich an mein Land und möchte so dringend hingehen."
Scherin Omari ist
eine der Jugendlichen, die in dem 40minütigen Dokumentarfilm "Denn sie
wissen viel zu sagen" zu Wort kommen. Die Filmemacherin Ingrid Macziey
ließ Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren aus dem Stadtteil Wedding
in Berlin vor laufender Kamera erzählen.
Der Wedding war
nie ein Ort des Überflusses. Wer erinnert nicht die Jugendlichen Helle
und Hans, die Klaus Kordon in seiner "Trilogie der Wendepunkte" zu
Beginn des letzten Jahrhunderts in diesem Bezirk die politischen
Umbrüche erleben lässt: Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot, soziale und
politische Spannungen prägten in dieser Zeit die Stimmung in diesem
traditionellen Arbeiterbezirk.
Heute ist der
Stadtteil Wedding, neben Kreuzberg und Neukölln, ein Schmelztiegel
unterschiedlichster Kulturen, Nationen und Gebräuche – und, neben
anderen, einer der ärmsten Bezirke der Stadt. Die auch heute wieder,
hohe Arbeitslosigkeit erhöht den Zündstoff in diesem sozialen
Brennpunkt. Spannungen, Ausgrenzung und Abwanderung sind Themen auf der
Straße, in den Schulen und Familien.
Wie sehen die
Kinder und Jugendlichen ihre Situation? In kurzen, schnell wechselnden
Interviewpassagen kommen Mädchen und Jungen, deren familiäre Wurzeln in
Ghana, im Libanon oder der Türkei liegen, zu Wort: Wie empfinden sie,
die oft mit zwei Pässen, meist mit zwei Heimatländern leben, den
interkulturellen Weddinger Alltag. Welche Gefühle vermittelt ihnen
Deutschland, und welches die Werte der deutschen Mehrheitsgesellschaft?
Und wie gehen sie mit Vorurteilen und Konflikten um? Das sind Fragen,
die Ingrid Macziey den Jugendlichen gestellt hat – und die Antworten und
Gedanken auf diese Fragen sind vielfältig.
Von
Diskriminierungen und Beleidigungen wissen viele dieser Jugendlichen mit
Mirgationshintergrund zu berichten – einige ziehen daraus den Schluss,
dass man die Deutschen auch nicht leiden könne; andere, dass man sich
vielleicht auch mehr anpassen müsse. Aber anpassen, was bedeutet das
konkret? Ein türkischer moslemischer Junge berichtet von einem
Weihnachtsessen, das in der Schule mitten im Fastenmonat Ramadan
veranstaltet wurde. Für mehr als die Hälfte der SchülerInnen galt der
Fastenmonat, ein Alternativangebot gab es nicht. Die Sensibilisierung
füreinander ist eine der Voraussetzungen, dass Zusammenleben
funktionieren kann. Mehrheitlich sehen die Jugendlichen einen Ausweg:
"Wir behalten unsere Kultur, aber wir verbessern sie und mischen sie mit
der deutschen Kultur."
Der Film zeigt
verschiedene Facetten der Konflikte, die das Zusammenleben verschiedener
Kulturen bedeutet. Die Probleme werden beim Namen genannt, nicht
verbunden mit schnellen Lösungen, aber dennoch mit vielen Ideen und
Vorstellungskraft. Und so ist es kein negativer Film: neben den
schlechten Erfahrungen und der Skepsis stehen selbstverständliche
Freundschaften unterschiedlichster Jugendlicher. Sie haben nicht nur
viel zu sagen, sie haben auch schon sehr viel erlebt. Und aus diesen
Erfahrungen spricht ein klares Bewusstsein darüber, welche Konflikte das
Zusammenleben mit sich bringt und wie verschiedene Wege des Umgangs
möglich sind.
Und was wünschen
sie sich für die Zukunft: keinen Krieg, keine Nazis – und dass alle sich
verstehen.
"In diesem
bemerkenswerten Kooperationsprojekt mit der Arabischen Elternunion und
dem Verein Nachbarschaftshaus Prinzenallee eröffnen uns Berliner
Ghetto-Kids mit viel Charme und Witz ihren erfrischend klaren Blick auf
die aktuelle Integrationsproblematik dieser Stadt." (SEHSÜCHTE FESTIVAL,
Potsdam 2002). Und im Zentrum steht eine der wichtigsten Fragen: Wie
leben wir miteinander?
Der
Dokumentarfilm, der auch zu empfehlen ist für den Schulunterricht und
die Bildungsarbeit, ist zu beziehen über:
Dreifach videoproduktion
Email:
info@dreifachvideo.de
"Denn
sie wissen viel zu sagen"
Regie: Ingrid Macziey
VHS, 40 min.
© dreifach videoproduktion 2002