Stefan
Wirner
Jungle World,
09.07.2003
"Ja, ja, setz dich hierhin, hier ist für den bin-Laden-Fanclub
reserviert", scherzte ein junger Mann und bot mir einen der letzten
freien Sitzplätze an. Man glaubte sich unter seinesgleichen am Montag
der vorigen Woche in der Humboldt-Universität. Unter dem Motto: "Der
inszenierte Terrorismus" hatte der ehemalige Grüne Ronald Thoden u.a.
die Journalisten Ekkehard Sieker, Mathias Bröckers, Gerhard Wisniewski,
Eckart Spoo und den früheren Staatsminister Andreas von Bülow auf das
Podium geladen.
Deren Theorien zu den Geschehnissen des 11. September 2001 lassen sich
in etwa so zusammenfassen: In den Flugzeugen, die ins World Trade
Center, auf das Pentagon und auf eine Wiese in Pennsylvania stürzten,
saßen keine 19 Terroristen. Die Flugzeuge wurden per Fernleitstrahl
gegen unbemannte Flugobjekte ausgetauscht. Ins Pentagon flog überhaupt
kein Flugzeug, und das vierte in Pennsylvanja gab es gar nicht. Die USA
hätten all das inszeniert, um Afghanistan überfallen und die Welt
beherrschen zu können. (Jungle World, 27/03) Die Organisation al-Qaida
existiert gar nicht, sie wurde aber von der CIA und vom Mossad
aufgebaut.
Nur dass die Passagiere der umgeleiteten Flugzeuge im Eis des Nordpols
tiefgefroren wurden, um sie später zu Fischstäbchen zu verarbeiten,
wurde nicht behauptet.
Was an diesem Abend vorgetragen wurde, war derart fernleitverstrahlt,
dass man daran seine Freude hätte haben können, wenn man nicht gespürt
hätte, wie sehr im Publikum der Wunsch vorherrschte, dass alles so sei,
wie es behauptet wurde. Die Zuhörer hingen an den Lippen der Enthüller
und träumten von einer Welt, in der die USA und der Mossad endlich
offiziell für alles verantwortlich gemacht würden, was an Bösem
geschieht. Von einer Welt, die sich so einig ist, dass der
Rechtsextremist Horst Mahler, der in der Pause auftauchte, im Publikum
nicht stört, sondern die Antifa, die skandiert: "Nazis raus!"
Einem aufgeregten Mann, der Mahlers Anwesenheit nicht hinnehmen wollte,
wurde zugerufen: "Von welchem Geheimdienst kommst du denn?" Wo immer
diese schöne neue Welt bedroht ist, steckt ein Geheimdienst dahinter.
Andreas von Bülow spekulierte über Mahler: "Von wem werden denn diese
Leute geschickt?" Von wegen NPD, BND, V-Leute und so. Und als der
aufgeregte Mann sich noch einmal zu Wort meldete, rief der ganze Saal im
Chor: "Ruhe! Ruhe! Ruhe!"
Mahler erklärte kürzlich in einem Brief an das Simon Wiesenthal Center
allen "jüdischen Frontorganisationen gegen die Völker der Welt" den
Krieg. "Der Judaismus wird auf private Feiern beschränkt sein, weil er
ein mörderischer und erniedrigender Kult ist. Dies sind die deutschen
Ziele für den Heiligen Krieg, der vor uns liegt." In einem Text mit dem
Titel: "Sie haben es gewusst!" schreibt er: "Das judäo-amerikanische
Imperium braucht den Dritten Weltkrieg (.) Die Schwäche der Völker
besteht darin, dass die gar nicht so schlecht von jemandem denken
können, wie die Ostküste handelt."
Es reicht nicht zu sagen, die Verschwörungstheoretiker sollten
bedenken, welche Leute sie mit ihren Theorien anziehen. Horst Mahler saß
nur auf dem falschen Platz. Seine Thesen hätten auch gut zu denen des
Podiums gepasst.