Von Karl Pfeifer
In der letzten Wochenendausgabe der linksliberalen Wiener
Tageszeitung "Der Standard" wurde die Rede zur Eröffnung der Gmundner
Festspiele von Franziska Augstein veröffentlicht.
Ich habe den sehr langen Text der deutschen Journalistin gelesen. Sie
bedient den "linken" Stammtisch und ihr Niveau kann schwer noch
unterboten werden. Das liest sich dann so: "Unabhängig sind vorerst
leider nur die Vereinigten Staaten. Die meisten Dinge macht die
Regierung Bush leider ohne europäische Beratung. Ihren unbedingten
Wunsch, die Demokratie im Irak zu errichten, haben Bush und seine
Ratgeber neulich erst wieder unter Beweis gestellt: einen 32 Jahre alten
Juristen haben sie nach Bagdad geschickt, damit er eine Verfassung
ausarbeite. Der Mann gilt als liberal. Vielleicht soll seine Wahl den
Kritikern der US-Regierung den Wind aus den Segeln nehmen. Außerdem ist
er ein Jude. Ein 32 Jahre alter amerikanischer Jude wurde nach Bagdad
geschickt, um den schiitischen und sunnitischen Irakis eine Verfassung
geben! Eine brilliante Idee."
Der Standard 19.7.03
Der freischaffende Klagenfurter Journalist Bernhard Torsch hat es in
seinem sehr kurzen Beitrag u.a. so auf den Punkt gebracht: "Tiefpunkt
ihrer (Augsteins K.P.) Stammtisch-Argumentation ist der Hinweis darauf,
dass die USA einen 32 Jahre alten Juden nach Bagdad schicken um den
schiitischen und sunnitischen Irakern eine neue Verfassung zu geben. Der
Mann mag ein ausgezeichneter Verfassungsrechtler sein, er mag sich mit
den irakischen Verhältnissen besser auskennen, als alle deutsche
Essayisten zusammen, aber er ist Jude, und das disqualifiziert ihn nach
Meinung der Feuilleton-Schreiberin für diesen Job. ... Der
antisemitische Ausfall tarnt sich hier als Besorgnis um die
Sensibilitäten der Iraker." Der Standard 22.7.03
Das ließ Herrn Georg Brockmeyer aus dem "Büro Mag.a Andrea Kuntzl, Abg.
z. NR" (Abegeordnete des österreichen Parlaments, K.P.) keine Ruhe:
"Deutlich wird in dieser der allen Ressentiments zugrunde liegende
Minderwertigkeitskomplex. Der sich in der Tat ja auch in des Autors
Unfähigkeit, eine wirkliche Polemik zu schreiben, manifestiert. Denn
außer pauschalierten Vorurteilen gegen die "deutschen Intellektuellen"
und dem nicht einmal nachgewiesenen Vorwurf des Antisemitismus enthält
Torschs Kommentar keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung mit Augsteins
Argumentation. Des Autors Chauvinismus-Vorwürfe wenden sich gegen ihn
selbst." Der Standard, 23.7.03
Wer im Vorzimmer sitzt und eine enge hierarchische Perspektive hat, der
glaubt von Wien aus die Ferndiagnose "Minderwertigkeitskomplex" stellen
zu müssen. Da kommt ein dahergelaufener freier Journalist und wagt eine
aus Deutschland herbeigeholte Rednerin und prominente Journalistin zu
kritisieren. So etwas gilt hier als unfein.
Man hat nach oben zu schmeicheln und nach unten zu treten.
Vielfach ist der Text der Frau Augstein derartig voll der Plattitüden,
dass man dagegen schwer polemisieren kann.
Herr Georg Brockmeyer glaubt den Autor abqualifizieren zu müssen, weil
dieser nicht auf jeden Ausspruch der Rednerin geantwortet hat, obwohl er
wissen müsste, dass der Platz für einen Kommentar für freie Journalisten
im "Standard" in der Regel begrenzt ist.
Das ist auch in Ordnung, denn man kann auch in Kürze das ausdrücken,
wozu Politiker und manche bekannte Journalisten viele Kolumnen
benötigen. Und nun zu "dem nicht einmal nachgewiesenen Vorwurf des
Antisemitismus".
Der langjährige SPÖ- und ÖGB-Funktionär sowie Innenminister der
Republik Österreich Franz Olah kam nach seinem Ausschluß aus der SPÖ
während einer Wahlversammlung 1966 seiner neuen - inzwischen
untergegangenen Partei auf einen Chefarzt der Wiener Krankenkasse zu
sprechen und sagte: "Das ist ein Chefarzt, ein Mediziner - und natürlich
ein Jude". (AZ, 23.2.1966)
Damals haben Sozialdemokraten eindeutig Antisemitismus festgestellt.
Weshalb das vorauseilende Verständnis für diejenigen im Irak, die es
bemängeln könnten, dass die USA einen Fachmann, der zufällig jung ist
und Jude für einen wichtigen Posten einsetzen?
Eine ehemalige FAZ-Journalistin, die nun die antiamerikanische
Gebetsmühle in Österreich dreht, hat einen Menschen als Juden markiert,
das wird in einem Land, wo viele Antisemitismus erst wahrnehmen, wenn
man Juden in die Vernichtungslager deportiert, und die fast alles was
darunter liegt, höchstens als Kavaliersdelikt betrachten, gar nicht
beachtet.
Aber der Vorzimmerherr einer ehrenwerten und sympathischen
sozialdemokratischen Abgeordneten glaubt feststellen zu müssen,
"antisemitischer Ausfall" sei in diesem Fall nicht einmal nachgewiesen.
Der bekannte deutschen Maler Max Liebermann sagte, "Man kann gar nicht
so viel fressen, wie man kotzen möchte" Dem ist nichts mehr
hinzuzufügen.