Von Bernhard Schmid, Paris
Der "Ayatollah cassoulet" zürnt. So wird er genannt, Bernard Antony
das cassoulet ist eine gastronomische Spezialität der Region um
Toulouse, eine Art Bohneneintopf mit Fleischbeilage. Bisher war der Chef
des katholisch-fundamentalistischen Flügels der extremen Rechten,
Bernard Antony, Herr im Haus beim Front National in der französischen
Südwestregion, die von Toulouse bis zu den Pyrenäen reicht. In dieser
Region war er seit den Siebziger Jahren in Kreisen der extrem
antikommunistischen äußersten Rechten aktiv.
1975 kreierte er, durch Pharamindustrielle finanziell gesponsort, die
damalige Monatszeitung "Présent", die in den Achtziger Jahren
Tageszeitung wurde und heute die einzige Tageszeitung im Umfeld der
extremen Rechten ist (freilich mit geringer Auflage). 1982 gründete er
die "Comités Chrétienneté Solidarité" (Komitees für Solidarität der
Christenheit), mit denen er zunächst eher am rechten Rand der
konservativen Parteien aktiv wurde. 1984 wechselte er zum Front National
über, im Vorfeld der damaligen Europaparlamentswahlen, die zum
entscheidenden landesweiten Durchbruch der rechtsextremen Partei führen
sollten. Von 1984 bis 1999 saß er als FN-Abgeordneter im
Europaparlament, in das er nicht wieder einzog, als sich bei der EP-Wahl
im Juni 1999 (kurz nach der Parteispaltung in Le Pen- und
Mégret-Anhänger) die dortige FN-Fraktion von 11 auf 5 Köpfe verringerte.
Heute ist er noch Chef der FN-Fraktion im Regionalparlament von Toulouse
(für die Region Midi-Pyrénées, wo die rechtsextreme Partei schwächer ist
als im landesweiten Durchschnitt).
Seit kurzem befindet er sich nun im quasi offenen Konflikt mit
Parteichef Jean-Marie Le Pen. Am Freitag, den 4. Juli 03 gab er seinen
Rückzug aus dem Politischen Büro des FN bekannt (dem zweithöchsten
Führungsgremium der Partei mit neuerdings - 50 Mitgliedern, zwischen
dem Zentralkomitee als dritthöchstem und dem neunköpfigen Exekutivbüro
als engstem Spitzengremium). Zugleich erklärte er, nicht als Kandidat
auf einem der vorderen Listenplätze (für Midi-Pyrénées) bei der
Regionalparlamentswahl im März 2004 antreten zu wollen.
Sein am 4. Juli veröffentlichtes Kommuniqué enthält deutliche Kritik
und Ironie gegenüber Parteichef Jean-Marie Le Pen. Vorgeworfen wird
diesem insbesondere zwischen den Zeilen, aber kaum verhohlen seine
Tochter Marine Le Pen innerparteilich gefördert und damit zugleich einer
Modernisierung des FN-Diskurses zu Fragen der Frauenpolitik und der
Abtreibung Vorschub geleistet zu haben. Antony spricht von
"Funktionsstörungen der Bewegung" und zeigt sich "traurig" darüber, "wie
man auf dem Kongress von Nizza mit dem Votum der Delegierten umgegangen
ist". Damals, im April 2003, war Marine Le Pen durch Teile des Apparats
blockiert worden. Sie kam bei den Wahlen zum Zentralkomitee nur auf den
34. Platz, hingegen kam Bernard Antony bspw. auf den 6. Platz. Dennoch
holte Papa Le Pen sie unmittelbar danach in¹s engste Führungsgremium,
das Exekutivbüro, und machte sie zur "Vizepräsidentin" der Partei.
Wegen ihrer Positionen zur Abtreibung sie ist gegen ein gesetzliches
Verbot, und für die Geburtenförderung bei den "echt französischen"
Familien steht Bernard Antony ihr spinnefeindlich gegenüber.
Sarkastisch erklärt er, da er das Politische Büro nun "überladen finde"
Parteichef Le Pen hatte es in Nizza von 40 auf 50 Mitglieder
vergrößert, um MitarbeiterInnen seiner Tochter darin aufzunehmen "gehe
(er) mit gutem Beispiel voran und erleichtere es durch (s)einen
Rücktritt".
Zugleich insistiert Antony schärfer denn je auf seine ideologischen
Positionen, die er durch die jüngere Generation mit Marine Le Pen und
die vermeintliche Modernisierung des Parteidiskurses gefährdet sieht:
"Ich werde stärker denn je, wenn ich kann, meine totale Opposition gegen
ein politisches System ausdrücken, das Genozid an unserem eigenen Volk
begeht und gegen die Kultur des Todes, die es begleitet." Mit diesen
markigen Worten "Genozid" und "Todeskultur" belegen Antony und seine
Anhänger die gesetzliche Zulassung von Schwangerschaftsabbrüchen sowie
den Zugang zu Verhütungsmitteln.
Antonys Amtsniederlegung hat auch mit einem eher materiellen Konflikt
zu tun: Der Fundamentalistenchef hatte den Anspruch erhoben, im März
2004 bei der Regionalparlamentswahl als Spitzenkandidat anzutreten. Doch
Le Pen hatte den ersten Listenplatz an den derzeitigen
Europaparlamentarier Jean-Claude Martinez vergeben, der bisweilen
eigenwillige und (aus FN-Sicht) unorthodoxe Positionen etwa zum Islam
einnimmt. Bernard Antony hatte strikt abgelehnt, und statt dessen den
dritten Platz hinter Le Pen selbst auf der Liste zum Regionalparlament
im Raum Marseille/Nizza gefordert; dort tritt 2004 Jean-Marie Le Pen
persönlich als Kandidat für die Regionalpräsidentschaft an. Ende Juni
hatte Le Pen ihm den Platz verweigert. Antony verzichtet jetzt in seinem
Kommuniqué explizit auf jede Spitzenkandidatur.
Wahrscheinlich haben die katholischen Fundamentalisten aber auch nicht
klasse gefunden, wie Jean-Marie Le Pen bei seinem Auftritt in der
Politikersendung "100 minutes pour convaincre" im Mai dieses Jahres auf
kritische Nachfragen von Journalisten reagiert hatte. Die
Fernsehjournalisten hatten ihn mit der Frage gekitzelt, wie es denn mit
seinen Positionen zur Abtreibung (Le Pen hatte dazu "die klassiche
Moral" beschworen) vereinbar sei, dass er geschieden und in zweiter Ehe
verheiratet sei. Le Pen - der ein wenig von seinem früheren Geschick im
Umgang mit Journalisten verloren hat - konterte die Kritik an dem
anscheinenden Widerspruch mit den Worten: "Ich werde Ihnen mal was
sagen, ich bin gar nie kirchlich verheiratet gewesen." So mancher in den
Reihen der fundamentalistischen Ultras dürfte kaum begeistert gewesen
sein...
Bernard Antony betont, aktives FN-Mitglied bleiben zu wollen. Ein
eventueller Abgang, würde er auf seine Ämterniederlegung folgen, könnte
dem FN einen gewissen Aderlass bescheren, ihn allerdings auch von
gesamtgesellschaftlich eher hinderlichen Schlacken befreien.