Von Karl
Pfeifer
Die "Wiener Zeitung" ist dreihundert Jahre alt und gehört der
Republik Österreich. Sie ist zugleich auch Amtsblatt und als solches für
manchen Österreicher Pflichtlektüre. Die Beliebtheit dieser Wiener
Tageszeitung, die nur Montag bis Freitag erscheint, hält sich in
Grenzen, trotzdem, so nehme ich an, hat die Redaktion den Willen, die
Bürger redlich und ausgewogen zu informieren. Doch vom Willen zur
Ausführung ist manchmal ein weiter Weg. Wahrscheinlich wurde am 13. Juni
das "Thema auf Seite 3" die Gewaltausbrüche im Konflikt
Israel-Palästinenser von einem oder einer Journalistin gestaltet und
geschrieben.
Auf dieser Seite finden wir am linken und rechten Rand eine
Gegenüberstellung, die eine Ausgewogenheit suggerieren soll. Links
"Israels Angriffe", die mit diesem Satz beginnen: "In den vergangenen
Jahren ist die israelische Regierung immer wieder gezielt gegen ranghohe
Vertreter militanter Organisationen vorgegangen." Schon die Umschreibung
"militant" für terroristische Organisationen, die es sich zum Ziel
gesetzt haben so viel Zivilisten als möglich zu ermorden, ist ein
unerlaubtes Understatement. Doch während wir in dieser Spalte alle
Aktionen Israels seit dem Februar 1973 finden, gibt die "Wiener Zeitung"
in der rechten Spalte "Israel im Visier" lediglich die "schwersten
Anschläge der letzten beiden Jahre" ab 1. Juni 2001 bekannt. Die
"Intifada" begann aber schon Ende September 2000. Doch bereits in den
Jahrzehnten vorher gab es palästinensische Terroraktionen gegen
israelische oder jüdische Zivilisten. Hat die Redaktion der "Wiener
Zeitung" kein Archiv? Vergessen der Anschlag gegen die israelischen
Teilnehmer der Olympiade in München 1972, vergessen die
Flugzeugentführungen, der Angriff auf die Besucher der Wiener Synagoge
und auf den Wiener Flughafen, die Ermordung eines jüdischen Invaliden im
Rollstuhl auf der Achille Lauro und so vieles was Terroristen getan
haben. Es gab auch nach Oslo immer wieder palästinensische
Terroranschläge, die bei zwei Wahlen in Israel geholfen haben die
Waagschale nach rechts zu versetzen.
War da "nur" Schlamperei am Werk oder aber will die "Wiener Zeitung"
nicht informieren, sondern missionieren? Dieser Eindruck entsteht, wenn
man diese Gegenüberstellung liest, denn anscheinend halten die Gestalter
dieses "Thema" ihre Meinung vom Konflikt wichtiger als die saubere
Schilderung des Sachverhalts.