Von Eva Ehrlich
Als ich einmal, etwa 7-jährig, an einem schönen Sommertag mit meiner
Mutter in einer Prager Straßenbahn fuhr, deutete ein ältere Mann auf
ihre Auschwitz-Nummer am Unterarm und sagte voller Hass: "Dich haben sie
wohl vergessen zu vergasen, du Judensau!"
Meine Mutter zerrte mich aus der Straßenbahn, wir sind den ganzen
langen Weg heimgelaufen, sie weinte, ich wusste nicht warum und was
geschehen war. Seit diesem Tag trug meine Mutter im Sommer langärmlige
Blusen oder ein Pflaster über der Nummer.
Aufgewachsen bin ich mit Versteckspielen - weder die Nachbarn, noch die
Arbeits- oder Schulkollegen sollten wissen, dass wir Juden sind. Es
brachte Nachteile mit sich, in der Arbeit, beim Wechsel ins Gymnasium
und an die Hochschule. Jude war ein Schimpfwort, das ich in der
Grundschule fast täglich gehört habe. So wie sich die Jungs mit 'du Sau'
oder 'du Trottel' tituliert haben, benutzten sie auch das Wort Jude,
ohne überhaupt zu wissen, was sie da sagen. Für sie wohl völlig
belanglos.
Ich lebe seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Seit ich mit David
Gall haGalil onLine herausgebe, habe ich mich an tägliche Emails mit
Beschimpfungen und Beleidigungen, sagen wir mal, "gewöhnt".
Täglich lese ich online eine tschechische Zeitung -
Lidové noviny, eine Zeitung, die
einen seriösen Ruf hat, eine konservative, aber unparteiische Zeitung.
Am
12. Juni berichtete diese Zeitung über das Scheitern der jüngsten
Friedensbemühungen im Nahen Osten, über den letzten Anschlag in Israel,
über den israelischen Einsatz gegen die Hamas Führer und brachte dazu
ein etwas unglückliches Foto von Ariel Scharon.
Zu jedem Artikel bietet die Zeitung ein Diskussionsforum an. Neugierig
schaute ich hinein, und da kamen sie wieder, die Erinnerungen an den
Mann in der Straßenbahn.
Ein User namens Klemix schreibt: "schönes Foto, so soll ein echter
Faschist aussehen!"
Ein KLK antwortet: "Falsch! Er ist kein Faschist, sondern eine jüdische
Sau!!!!!!!!"
Dazu eine einsame Antwort von Barakuda: "Na und, du bist eine
faschistische Sau!"
Charlie ist noch milde: "Jesus, das Foto von Scharon, beeeh!".
Und Honza obecny (der Volks-Hans) setzt noch eins drauf: "Er sieht so
widerlich aus, wie wenn er gehängt würde und ihm die Haare zu Berge
stehen. Überhaupt, ich habe noch nie einen schönen Juden gesehen, warum
weiß ich nicht, unsere Leute oder Polen, das sind Prachtexemplare…"
Seit der Begegnung in der Straßenbahn sind mehr als 45 Jahre vergangen.
Ich weiss heute noch, wie der Mann ausgesehen hat, bestimmt ist er schon
tot. Sind es inzwischen seine Söhne oder Enkel, die so fleißig in den
Foren schreiben?
Ich werde Lidové noviny um eine Stellungnahme bitten.