Einige Gedanken:
Der Tod von Möllemann, ein deutsches Fiasko
Von Max Brym
Jürgen Möllemann ist tot. Es verbietet sich, angesichts des Todes, des
Rechtspopulisten Jürgen Möllemann irgendwelche triumphalen Gefühle zu
hegen. Jürgen Möllemann war nicht Hitler und jedes Menschenleben ist
einmalig und zu respektieren. Gleichwohl verbietet es sich, irgendwelche
schwülstigen Nachrufe zu verfassen, die dem Toten, nachdem er unter der
Erde liegt, nur gutes bescheinigt. Jürgen Möllemann war ein
opportunistischer Egomane, ein Typ dem es nicht um den politischen
Inhalt, sondern um sich selbst ging.
Er war eine Zockernatur, mit einem gewissen Gespür für den Zeitgeist. So
demonstrierte er noch 1972 gemeinsam mit dem damaligen DKP Vorsitzenden
Herbert Mies gegen den Vietnamkrieg. Im Jahr 1982 betrieb er als
Minenhund Genschers maßgeblich, die Sprengung der sozialliberalen
Koalition. In den achtziger Jahren zog er erstmals in ein Ministeramt
ein. Er wurde Bildungsminister, nachdem er zuvor Staatssekretär im
Auswärtigen Amt war. Seine Tätigkeit im Dienste Genschers und seine
Touren in die arabische Welt, brachte ihm den Namen "Jürgen von Arabien"
ein. Der Oberbayer F.J. Strauß nannte ihn damals, in einer seiner
Bierzeltreden "Riesenstaatsmann Mümmelmann".
Im Jahr 1991 wurde Möllemann Bundeswirtschaftsminister. Diese ruhmreiche
Zeit war geprägt u.a. durch Waffendeals in Milliardenhöhe, mit
arabischen Staaten, wie Saudi- Arabien. Die deutsch arabische
Wirtschaftslobby fühlte sich durch ihn gut repräsentiert. Nebenbei umgab
sich Möllemann, je höher er stieg, zunehmend mit sonderbaren Gestalten,
die für ihn Geschäfte, speziell im arabischen Raum einfädelten und er
gründete eigene Unternehmen. Es genügte Möllemann nicht, nur im
Rampenlicht zu stehen, auch die Provisionen sollten stimmen. Im Jahr
1993 mußte Möllemann als Wirtschaftsminister gehen.
Der Anlaß war eine relativ harmlose Geschichte. Möllemann warb auf
Briefköpfen seines Ministeriums, für Einkaufswagenchips eines
Verwandten. Das wurde skandalös genannt, aber der eigentliche Skandal,
in der damaligen Affäre Möllemann wurde verschwiegen. Möllemann
vertuschte und deckte in seiner Amtszeit als Bundeswirtschaftsminister
ziemlich erfolgreich, die deutsch-irakische Giftgasconnection (Möllemann
Bericht) und er verdiente selbst mit, am Panzergeschäft mit
Saudi-Arabien. Möllemann wurde von den falschen Leuten, wegen einer
relativ nichtigen Sache attackiert.
Möllemanns Fiasko eine deutsche Misere
Jürgen Möllemann erholte sich von seinem tiefen Sturz. Der begnadete
Selbstdarsteller, verstand es ausgezeichnet mit den Medien zu spielen,
stets stand er ab 6 Uhr morgens der Presse zur Verfügung. Nach dem
Wahldebakel der FDP in NRW, im Jahr 1996, übernahm er wieder die Führung
des Landesverbandes. Auch auf bundespolitischer Ebene war Möllemann,
spätestens nach seinem Wahlerfolg in NRW, im Jahr 2000 nicht mehr zu
ignorieren. In NRW schaffte es der Populist, die FDP mit 9.8% wieder in
den Landtag zu bringen. Der "Quartalsirre" (so Hans Otto Solms) war
wieder da.
Möllemann propagierte das Projekt 18 und eine eigenständige
Kanzlerkandidatur der FDP. Damit setzte er sich durch, allerdings wurde
er nicht selbst Kanzlerkandidat, sondern Guido Westerwelle. Dennoch
prägte er lange bis ins Jahr 2002 hinein, die Strategie und Taktik der
FDP. Er feierte in einer Kolumne im Neuen Deutschland die Wahlerfolge
der FPÖ in Österreich. An anderer Stelle machte er Ariel Sharon und
Michel Friedman für den wachsenden Antisemitismus in Deutschland
verantwortlich. Dies frei nach dem Motto: "Die Juden sind selbst schuld
am Antisemitismus". Er erklärte bezogen auf den Konflikt zwischen
Israelis und Palästinensern: "Auch ich würde als Fallschirmjäger, wenn
mein Land besetzt wäre, im Gebiet des Gegners kämpfen". Damit
rechtfertigte er direkt den faschistoiden Hamas Terror.
Auch den Ex- Grünen Karsli holte er in die FDP. Dieser Mensch hatte der
rechtsradikalen Jungen Freiheit ein Interview gegeben, indem von einer
"ungeheuren zionistischen Macht" zu lesen war. Auch eine gewisse "Dame"
sollte nach Karsli "von den Zionisten dem ehem. US- Präsidenten Clinton
zugespielt worden sein". Möllemann wollte die FDP, von einer Partei, die
ihre örtlichen Mitgliederversammlungen in einer Telefonzelle abhalten
kann, zu einer "Volkspartei" entwickeln. Dabei war ihm kein Trick zu
billig und er bediente die Klaviatur des Antisemitismus. Als erfahrenem
Politiker war ihm der weitverbreitete Antisemitismus in der deutschen
Gesellschaft bekannt.
Westerwelle hatte lange nichts gegen die Kampagne seines Stellvertreters
Möllemann einzuwenden. Erst als im Frühsommer 2002 BDI Chef Rogowski die
FDP aufforderte, die Debatte einzustellen, appellierte Westerwelle an
Herrn Möllemann , die Angelegenheit "Friedman" vorläufig ruhen zu
lassen. Bekanntlich tat dies Möllemann nicht, sondern verbreitete kurz
vor der Bundestagswahl seinen
antisemitischen Flyer.
Dies brachte ihn in Konflikt mit dem BDI, der offen zur Schau gestellten
Antisemitismus noch als exportschädigend begriff. Zudem lieferte
Möllemann damit, Westerwelle und anderen FDP Führungsleuten den Vorwand
mit dem "Quartalsirren" abzurechnen. Auffällig ist nur, Möllemann wurde
nicht wegen seiner antisemitischen Kampagne, sondern wegen einer
"Finanzaffäre" aus der FDP gedrängt. Die ungeklärte Finanzierung des
antisemitischen Flugblattes war für die FDP- Führung das Problem.
"Parteifreunde" und der Mossad
Nach seinem Rausschmiß aus der FDP gab Möllemann im März 2003 ein Buch
unter dem Titel
"Klartext
für Deutschland" heraus. Das Buch ist ein gut verkäufliches
Produkt, im bundesdeutschen Buchhandel. Neben antisemitischen
Verschwörungstheorien, gegen seine Person, vermochte Möllemann in dem
Buch durchaus erhellendes dem Publikum darzulegen.
Er stellte in dem Buch die zutreffende Frage: "Warum man auf ihn so
eindresche, wegen 840.000 Euro, wo doch die FDP einen rechtskräftig
verurteilten Steuerbetrüger, einen bekannten Grafen zum
Ehrenvorsitzenden habe". Viel Wahres kann man auch über die
Beziehungskisten zwischen führenden FDP-Politikern erfahren. Glaubhaft
vermittelt Möllemann, daß er den anderen suspekt war, aufgrund seiner
Energie und die anderen ihn als persönliches Konkurrenzprodukt
betrachteten. Letztendlich führte Möllemann sein politisches Scheitern
auf eine Verschwörung des Mossad zurück. Der Mossad soll angeblich
Westerwelle erpreßt haben. In seinem Verschwörungswahn behauptet
Möllemann in dem Buch: Der Mossad steuere den ehem. Außenminister
Kinkel. "Jener habe einen Schwiegersohn der Mossad Agent sei."
Mit diesem Konstrukt, legte Möllemann zu seinen Lebzeiten, den Baustein
für eine künftige Möllemann Legende. Voller Selbstbewußtsein verkündete
Möllemann in dem Buch, eventuell eine neue Volkspartei gründen zu
wollen. Zurecht verwies er auf Tausende von zustimmenden Briefen aus der
Mitte der deutschen Gesellschaft, nachdem er seine Attacken gegen Michel
Friedman und Ariel Sharon geritten habe.
Der Tod Möllemanns, ein Schub für den Antisemitismus?
Unmittelbar nach dem ziemlich sicheren Selbstmord des Herrn Möllemann,
rochen deutsche Antisemiten Lunte. Seit dem Tod überfluten
Verschwörungstheorien das Internet. Nicht nur in rechten Publikationen
wird auf eine Aktion des Mossad angespielt, nein auch in scheinbar
linken Internet-Publikationen schleichen sich solche Theorien ein. Das
Ganze wird befördert durch Schlagzeilen aus der Bildzeitung "Welches
Geheimnis nimmt Möllemann mit ins Grab?".
Natürlich schreiben die Bild-Reporter nicht von "jüdischen Manövern",
sondern sie meinen die nicht-offengelegten Finanzskandale und
Skandälchen des Herrn Möllemann. Dennoch ist die ganze Sache ein
"Gottesgeschenk" für Verschwörungstheoretiker und Antisemiten jeglicher
Couleur. Der deutsche Buchmarkt ist überschwemmt mit gut verkäuflicher
"Literatur", über die angebliche Selbstinszenierung, des Anschlages auf
das World Trade Center, durch die CIA oder gar den Mossad. Bald wird die
Verschwörungstheorie das Internet verlassen, es werden sich Leute
finden, die in Buchform an einer Legende Möllemann basteln. Für solche
Produkte gibt es in Deutschland leider einen Markt und es ist gar nicht
so wichtig, ob der Theoretiker scheinbar von "links" oder "rechts"
kommt. Der Antisemitismus und die dazu passenden Verschwörungstheorien
sind in Deutschland bedauernswerter weise ein Massenphänomen.
Wer das nicht glaubt, sollte sich nur folgendes überlegen: Wenn der
gewesene CSU-Kanzlerkandidat Stoiber das CDU Mitglied Michel Friedman
vor der Bundestagswahl im Jahr 2002 in sein Schattenkabinett berufen
hätte, dann hätte die Union die Bundestagswahl nicht knapp, sondern
haushoch verloren. Nicht wegen der Person Friedman sondern aufgrund der
Tatsache, dass Friedman Jude ist. Schröder hätte sich das ganze Theater
"Bekämpfung der Flutkatastrophe", im letzten Jahr sparen können. Die
Bundestagswahl wäre für die SPD vom Lehnstuhl aus gewonnen worden. Auf
ein derart bestelltes Feld wird die antisemitisch durchtränkte
Mollemann-Legende (Die Juden sind schuld) fallen. Der deutsche Antisemit
hat neuerlich einen tapferen deutschen Recken gefunden, der ihn in
seinem Wahn bestätigt. In Deutschland kann die antisemitische
Dramaturgie noch stärker werden.
Zum Weiterlesen:
hagalil.com
11-06-03 |