Am 28. Mai beantwortete David Landau, Chefredakteur der englischen
Ausgabe der Tel Aviver Tageszeitung "Haaretz", Fragen der Leser. Hier
eine von mir redigierte und übersetzte Auswahl.
Karl Pfeifer
Gibt es einen Unterschied zwischen dem antiisraelischen Ressentiment
und einer berechtigten Kritik Israels?
Die Unterscheidung zwischen einer berechtigten oder sogar
unberechtigten Kritik Israels und Antisemitismus, der eine ganz andere
Sache ist, sollte beachtet werden. Zwei Gefahren existieren
nebeneinander: Die Gefahr jede Kritik am Staat Israel als Antisemitismus
zu behandeln; und die Gefahr der Entschuldigung von eindeutig
antisemitischen Auslassungen als einfache "Kritik an Israel".
Gibt es ein Anwachsen des 'alten Antisemitismus'? oder widerspiegelt
der arabische/moslemische Antisemitismus die aufgestauten Emotionen
wegen dem endlosen Palästinensisch-Israelischen Konflikt?
Was in den vergangenen 32 Monaten der Intifada in vielen Ländern
passiert ist, dass der "alte (christliche) Antisemitismus" der extrem
rechten und linken Art noch stärker verschärft wurde durch den "neuen"
moslemischen Antisemitismus, der mit der Lage im Nahen Osten zu tun hat.
Das hat nicht nur die linken und rechten Variationen bestärkt, sondern
diese auch zusammengeführt mit dieser neuen Form, so dass das Ergebnis
eine giftige und bösartige Mischung ist.
Wann genau wird ein 'antizionistischer' Diskurs antisemitisch?
Meiner Meinung nach wird die Linie überquert, wenn das Existenzrecht
Israels als ein souveräner jüdischer Staat in Frage gestellt wird. Ich
fühle, wenn jemand sich gegen das Recht der Juden stellt, so wie alle
Nationen das Recht auf eine eigene Heimat zu haben, dann begibt man sich
auf antisemitisches Territorium.
Denken Sie wirklich, dass die Aggressionen aufgeregter Hooligans,
die im Fernsehen die Lage in den von Israel besetzten Gebieten
betrachten, Antisemitismus sind? Meinen Sie ernsthaft, dass Frankreich
antisemitisch sei?
Dachte nicht Dreyfuss, dass Frankreich ernsthaft antisemitisch ist und
das war einige Jahrzehnte bevor irgendein aufgeregter Hooligan die Lage
in den besetzten Gebieten betrachtet hatte.
Wann wird Israel und wann werden die Juden verstehen, dass die
Antwort auf den Antisemitismus die Assimilation ist?
Ich muß sagen, es ist widersinnig und mißtönend die Frage in diesen
Zeiten des Multikulturalismus gestellt zu bekommen. Kein Jude war
assimilierter als Alfred Dreyfuss, aber das hat ihn nicht vor
Antisemitismus geschützt. Ein anderer vollkommen assimilierter Jude,
Theodor Herzl, hat durch die Beobachtung des Dreyfuss-Prozeß [und die
Wahrnehmung des tief verwurzelten österreichischen Antisemitismus zur
Zeit Luegers K,P.] verstanden, dass entgegen ihrer Annahme die
Assimilation die Juden nicht vor Antisemitismus schützt. Nicht lange
Zeit danach vertrauten deutsche [und österreichische] Juden, dass ihr
assimilierter Status und in vielen Fällen ihre Konversion zum
christlichen Glauben - sie schützen würden. Das ging im Rauch von
Auschwitz dahin.
Der christliche Antisemitismus gründete in der Regel auf Religion.
Der nazistische Antisemitismus auf die Rasse denken Sie nicht dass die
gegenwärtige politische Feindschaft gegenüber Israel (unabhängig von
seiner Rationalität oder Irrationalität) ein anderes Phänomen ist?
Intellektuelle meinen, dass eher der Haß gegen den Staat Israel als ein
jüdisches Kollektiv als der Haß gegen den einzelnen Juden, der
Antisemitismus des 21. Jahrhunderts sei. Ich bin nicht ganz sicher, ob
ich ganz mit dieser These einverstanden bin. Aber was dem Beweiskraft
verleiht ist die Irrationalität von der die moderne zeitgenössische
Prügelung Israels charakterisiert wird und die so sehr an den
klassischen Antisemitismus erinnert.
In welchem Land Europas finden Sie den höchsten Grad des Antisemitismus
und warum in diesem Land?
Frankreich hat die fragwürdige Ehre auf der Spitze der Liste der
Beobachter zu stehen. Das wird allgemein der hohen Anzahl von Moslems
zugeordnet ungefähr sechs Millionen, die meisten aus Nordafrika die
jetzt in Frankreich leben. Ihre Reaktion auf die Intifada hat die
latente Strömung des seit hundert Jahren existierenden Antisemitismus
bestärkt. Ein anderes Land, das manchmal vergessen wird, das aber nicht
aus der Liste der Unehrenhaftigkeit herausgelassen werden sollte, ist
Österreich, wo Antisemitismus schon vor der Intifada auch spürbar war.
Österreich, das fälschlicherweise für sich den Status eines Opfers nach
dem Zweiten Weltkrieg reklamiert hat und nie einen Prozeß der Sühne
durchgemacht hat was offensichtlich ist.