Heimatglocken und Fürstenhäuser:
Das Geschäft mit den Groschenheft-Amouren floriert
Von Max Brym
Die Buchbranche steckt in einer tiefen Krise.
Umsatzeinbußen von über 8% werden im ersten Quartal 2003 gegenüber dem
Vorjahr vermeldet. Ganz anders ist die Lage im billigen
Groschenroman-Verlagswesen. Die drei marktbeherrschenden
Groschenroman-Verlage Bastei, Cora und Kelter melden Zuwächse bis zu
10%. Alle drei wollen in diesem Jahr, neue Reihen an den Kiosk bringen,
denn, so jubiliert Kelter Chef Gerhard Melchert: "Heile Welt ist wieder
in".
Der Groschen- Roman
Vor nicht allzulanger Zeit, wurde dem Groschenroman ein
baldiges Ende vorausgesagt. "Die schöne Jägerbraut" aus der Reihe
"Heimatglocken" verkauft sich dennoch pfundig. Der Jäger Manuel Wurzel
erobert zusammen mit seinen Zunftgenossen, Woche für Woche, eine
blitzsaubere Maid. Ein "Dr. Stefan Frank" beglückt und rettet einmal pro
Woche diverse Frauenherzen. Natürlich dürfen die Fürstenhäuser nicht
fehlen, in denen Glück und Unglück genauso zu Hause sein sollen, wie in
einer teueren Bude in München oder Berlin. Bastei läßt die "schöne
Silvia", stets neues Liebesleid und Liebesglück erleben und in
"Sophienlust" toben zufriedene Kinder herum. Die Handlung der Heftchen
ist dabei so überschaubar wie die Branche. Stets endet die Handlung mit
einem Happy End. Dieses Happy End trifft offensichtlich ein
gesellschaftliches Bedürfnis. Immer mehr Menschen erleben den Alltag,
als Risikofaktor und ihre Problemlage nimmt dramatisch zu. Die
kostengünstige Flucht zu "DR. Frank" oder zu den "Falkenbergs" bietet
sich an. Der Groschenroman streichelt das Gemüt, und belastet den
Geldbeutel nur gering.
Die Verlage
In den siebziger Jahren gab es noch zehn Verlage, die
sich dem Genre widmeten. Aufgrund von Pleiten und Fusionen decken heute
drei Häuser, nahezu den gesamten Markt ab: Bastei mit 34 Reihen und
einem Umsatz von 40 Millionen Euro, Cora mit 43 Reihen und 25 Millionen
Euro ( Cora ist eine 50% Tochter des Axel Springer Verlages), sowie der
Martin- Kelter Verlag, der mit 53 Romanreihen , im vergangenen Jahr 53
Millionen Euro erwirtschaftete. Alle erzielen hohe Profite vor allem
dank Adels und Landarzt Dramuletten, in Dur und Moll. "Der günstige
Preis ist im Moment ein wichtiger Grund für unseren Erfolg", sagt Cora
Geschäftsführer Thomas Beckmann. Allerdings vergißt er hinzuzufügen,
dass es noch drei weitere Gründe für den Erfolg der Groschenhefte gibt:
1. Zwischen 600 und 1000 Euro bezahlen die Verlage für eine 60 Seiten
Geschichte. Nicht mehr als vor 15 Jahren. 2. Auch im Druckbereich konnte
die Arbeitsproduktivität bei sinkenden Reallöhnen erhöht werden. 3. Die
gesellschaftliche und wirtschaftliche Krise des spätkapitalistischen
Systems, fördert den Absatz billiger Gemütsschnulzen.
Kein Grund zur Arroganz
Der scheinbar kultivierte Spiegel oder Taz Leser könnte
die oben skizzierte Entwicklung mit einer milden Geste belächeln. Dazu
hat er aber keinen Grund, denn in der Spiegel Bestseller- Liste ist
unter der Rubrik Sachbuch, Stefan Effenberg auf Platz 2 plaziert. Ein
"famoses" Buch mit dem Titel " Ich habs allen gezeigt" verkauft sich in
diesem Land hunderttausendfach. Wenn es sich dabei um die Memoiren eines
Spanners handeln würde, könnte dies noch abgehackt werden. Das Effenberg
Buch wird nur noch von Michael Moores "Stupid White Men" in der Auflage
übertroffen, demzufolge kann einiges in diesem Land nicht stimmen.
Sachbücher gegen den angeblichen Hauptgegner USA, verkaufen sich toll,
sowie Machosprüche eines ausgedienten Fußballers und dazu noch ein
"bißchen" Antisemitismus" in Gestalt von Möllemann und Walser Büchern.
Nach meiner Erfahrung ist oft mit den Menschen die Groschenhefte, wie
die "Heimatglocken" lesen, leichter zu reden, als mit den sogenannten
kultivierten Liebhabern der Spiegel Sachbuch Literatur. Das Hauptproblem
ist, dass kein Buch hierzulande ein Renner ist, indem die Umverteilung
von unten nach oben angegriffen wird. Keinem Buch ist ein besonderer
Erfolg beschieden, indem die deutsche Außen- und Innenpolitik kritisch
hinterfragt wird. Dennoch ist das Buch von Michael More, dass die
Politik der USA attackiert, ein lesenswertes Werk.
hagalil.com
05-06-03 |