Aus Berlin Plutonia Plarre
Der Staatsanwalt ermittelt wegen Drogenverdachts gegen
den Talkmaster, CDU-Politiker und Vizepräsidenten des Zentralrats der
Juden. Salomon Korn: "In dem Verfahren wird sich zeigen, ob Michel
Friedman so behandelt wird wie jeder andere auch"
Der Betroffene will zunächst schweigen. Einen Tag nach der
Durchsuchung seiner Büro- und Privaträume lehnte Michel Friedman gestern
eine Stellungnahme zu dem Verdacht ab, er habe Drogen besessen. "Es ist
einfach noch zu früh", erklärte sein Anwalt Eckart Hild. Der
Fernseh-Talkmaster und Vizepräsident des Zentralrats der Juden erfuhr
gestern Unterstützung von seinen zwei Chefs - dem Intendanten seines
Haussenders Hessischer Rundfunk (hr), Helmut Reitze, sowie dem
Präsidenten des Zentralrats, Paul Spiegel.
Reitze warnte vor einer Vorverurteilung. Erst wenn der
Moderator Stellung zu den Vorwürfen genommen habe, könne eine
Entscheidung über dessen weitere Tätigkeit beim hr getroffen werden.
Spiegel betonte, er habe "das allergrößte Vertrauen in die hervorragende
Arbeit meines Freundes und Stellvertreters". Der Vorsitzende der
Jüdischen Gemeinde Frankfurts, Salomon Korn, sprach von "sehr dünnen
Verdachtsmomenten". Zum jetzigen Zeitpunkt sei nicht erforderlich, dass
Friedman seine Ämter ruhen lasse. "In dem Verfahren", warnte Korn, "wird
sich zeigen, wie weit wir in Deutschland von der Normalität entfernt
sind, ob Michel Friedman so behandelt wird wie jeder andere."
Friedman war nach Angaben der Justiz anwesend, als die
Polizei seine Anwaltskanzlei und die Privaträume in Frankfurt
durchsuchte. Unklar war zunächst, wo genau die "drei szenetypischen
Tütchen" gefunden wurden, von denen gestern der Berliner Justizsprecher
Björn Retzlaff sprach. Die Tütchen seien "im Prinzip leer" gewesen, die
Rückstände eines weißen Pulvers müssten nun chemisch untersucht werden.
Friedman sei bei der Durchsuchung auch eine Haarprobe entnommen worden.
An Hand von Haaren lässt sich Kokaingebrauch nachweisen.
Den Hinweis auf Friedman hatte die Staatsanwaltschaft nach
taz-Informationen durch Zufall erhalten. Sein Name fiel am Rande von
Vernehmungen in einem Berliner Verfahren um Schleuserkriminalität. Daher
werden die Ermittlungen von Berlin aus geführt.
Am Abend nach der Durchsuchung hatte der 47-Jährige wie
gewohnt seine Live-Talkshow in der ARD bestritten. Politisch stand
Friedman zuletzt im Mittelpunkt einer Kontroverse, weil der
FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann ihn in einem antisemitisch gefärbten
Flugblatt angegriffen hatte. Möllemann wird am heutigen Freitag
beerdigt.
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