kf, Junge Welt,
16.06.2003
"Cui bono", fragten die Lateiner, wenn sie einem Ereignis auf den
Grund gehen wollten. Wem nützt es, stellt sich die Frage, wenn in den
Medien eine regelrechte Kampagne gegen Michel Friedman gestartet wird?
Seit Tagen jagen sich Meldungen und Mutmaßungen über Aspekte aus dem
Privatleben des Politikers und Talkmasters, und die eingangs genannte
Frage drängt sich förmlich auf.
Es wäre womöglich eine Beleidigung der Intelligenz unserer Leserinnen
und Leser, darauf Antworten zu formulieren. Doch klar ist, dass Friedman
nicht nur eine beliebige Person aus dem Mediengenre "Vermischtes", kein
Boris Becker oder Dieter Bohlen ist. Das Privatleben letzterer mag auch
aus Gründen des Selbstmarketing zum Breitschmieren freigegeben sein.
Aber wen hat zu interessieren, ob ein Politiker kokst oder welche
Sexualpartner er hat?
Vor dem Gesetz sind alle gleich. Leute, die sich einigermaßen auf der
Höhe der Zeit befinden, werden allerdings wissen, dass ein
Durchsuchungsbefehl für Wohnung und Geschäftsräume des Vizepräsidenten
des Zentralrats der Juden in Deutschland normalerweise so zögerlich
erteilt wird wie ein Haftbefehl gegen den Bundeskanzler.
Friedman polarisiert als Talkmaster – und unterhält medienwirksam. Das
ist okay, auch wenn man Stil und Meinung nicht teilt. Er verteidigt die
Interessen seines Verbandes, das ist völlig okay. Aber den Menschen, den
Politiker und Verbandslobbyisten Friedman im Zusammenhang mit
vermeintlichem Besitz von Kokain und ebenso vermeintlichen Kontakten zum
Rotlichtmilieu öffentlich zu demontieren, ist perfide. Da verwundert es
nicht, wenn gleich Aufrufe kursieren wie der eines sogenannten
Friedenskomitees 2000 des ehemaligen Bundeswehroffiziers Alfred
Mechtersheimer: "Michel Friedman sollte endgültig vom Bildschirm
verschwinden", heißt es da. Und das Brodeln an den Stammtischen kann man
sich ausmalen.