Etwas erregte Notizen und Gedanken:
Die schmutzige Kampagne gegen Michel Friedman
Von Max Brym
Am heutigen Montag, den 16.6.03, brüllte jeder Zeitungsverkäufer den
Aufmacher seines Blattes durch die Landschaft. Vorne Friedman, in der
Mitte Friedman, und am Ende wieder Friedman. Die Münchner Abendzeitung
titelte: "Vorwürfe immer bizarrer - Friedman: Sumpf aus Sex und Drogen".
Auf Seite 6 derselben Zeitung, unter dem Titel "Friedman- Sex, Drogen
und ein Video" wurde erst am Schluß, ein Fragezeichen drangehängt.
Genüßlich zitieren Bild-Zeitung und sonstige Boulevardpresse aus
"seriösen" Wochenmagazinen Focus und Spiegel.
Sowohl Spiegel, als auch Focus gehen vom Kokaingenuss Michel Friedmans
aus. In reißerischen Schlagzeilen wird Michel Friedman mit ukrainischen
Waffen und Menschenhändlerorganisationen in Verbindung gebracht. Es
werden ihm Kontakte zu Prostituierten unterstellt und für das deutsche
Gemüt werden angeblich abnorme Sexualneigungen hinzugefügt. Auch sein
angeblich in Rotlichtkreisen bekannter Tarnname, Paolo Pinkel, wird
genüßlich zitiert.
All das wird von der gängigen Presse, durchweg als feststehende Tatsache
dargestellt. Am 16.6. schrieb die Bildzeitung auf Seite 10: "Kann Bärbel
Schäfer ihrem Michel verzeihen?" Ergo - Michel Friedman ist schuldig
bevor ein Prozeß stattgefunden hat. Das ist ein klarer Angriff auf die
Rechtsgrundsätze einer bürgerlichen Demokratie.
Die Unschuldsvermutung
Normalerweise ist ein Angeklagter unschuldig, solange nicht das Gegenteil
bewiesen ist. Bis dato gibt es nur Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
gegen Michel Friedman. In einem Prozess gilt der Grundsatz: "Im Zweifel
für den Angeklagten". Zudem wird in der Presse nicht beachtet, dass der
Konsum von Kokain nicht strafbar ist. Strafbar ist der Besitz und der
Vertrieb von Kokain. Gegenwärtig ist nicht einmal klar, ob Michel
Friedman Kokain konsumiert hat. Dennoch wird munter auf ihn
eingeschlagen und das antisemitische Ressentiment in Deutschland
gestreichelt.
Bezeichnendes
Vor einiger Zeit beschuldigte Bayern-Manager Hoeneß, den Fußballtrainer
Christoph Daum, Kokain konsumiert zu haben. Damals ging ein Aufschrei
durch Deutschland. Herr Hoeneß stand im Mittelpunkt der Kritik. Die
deutsche Fußballszene folgte der Maxime: "Der größte Lump im ganzen Land
ist und bleibt der Denunziant." Nachdem Herr Daum den Konsum von Kokain
eingestand, machte man sich freundlich Sorgen "um den lieben Christoph".
Die Fans von Leverkusen traten mit Transparenten im Stadion auf wie:
"Lieber eine Nase Koks als Berti Vogts".
Sollte Michel Friedman tatsächlich der Konsum von Kokain nachgewiesen
werden, wird er sicher eine andere Behandlung erfahren als der deutsche
Fußballrecke Christoph Daum. Dies deshalb, weil Michel Friedman Jude
ist. Die Art der Vorverurteilung, das Eindreschen auf Michel Friedman
lassen Schlimmes befürchten.
Einige Vorwürfe
Vieles was in der deutschen Presse Michel Friedman
(unbewiesen) vorgeworfen wird, bedient den Selbsthass und das
Ressentiment der kleinbürgerlichen Seele. In der AZ stand zu lesen,
"Friedman hätte mehrmals Sex mit verschiedenen Frauen in einer Nacht
gehabt". Welcher deutsche Krämer, hat nicht selbst solche Phantasien?
Herrn Friedman wird vorgeworfen mit Prostituierten Kontakt gehabt zu
haben. Was daran schlimm sein soll, werden viele deutsche Männer, wenn
sie ehrlich wären, nicht erklären können, sind sie doch selbst oft zu
Gast in einschlägigen Lokalitäten. Wenn aber dem Juden Friedman
unterstellt wird, "Edelprostituierte" in einem teueren Hotel zu
empfangen, so weckt das blanken Hass. Das er nebenbei auch noch ein
Potenzbulle sein soll, treibt den antisemitischen Spießer zur Raserei.
Der Schreiber dieses Artikels, muss jetzt allerdings mit
dem Formulieren aufhören. Ihm tut die Schulter weh, da er gerade
körperlichen Kontakt mit einem erklärten Möllemann Freund hatte. Jener
brüllte laut in einer Münchener Gaststätte: "Der arrogante Saujude
Friedman hat den Jürgen umgebracht".
Der 1946 in Nürnberg gehängte Julius Streicher, hätte an dieser deutschen
Debatte, wenn er noch leben würde, sicher seine Freude.
hagalil.com
17-06-03 |