Israel protestiert:
Bukarest verleugnet Holocaust
Keno Verseck
Nach Hannah Arendt war Rumänien der einzige Verbündete
Nazi-Deutschlands, der einen Holocaust in Eigenregie organisierte. Nicht
wenige Historiker des Holocausts haben diese Behauptung aus dem Buch
"Die Banalität des Bösen" aufgegriffen und belegt. Nun jedoch hat die
Regierung Rumäniens anders entschieden: In Rumänien hat kein Holocaust
stattgefunden.
So heißt es in einer Presseerklärung der rumänischen
Regierung vom vergangenen Donnerstag. Anlass dafür war der Abschluss
eines Abkommens über Zusammenarbeit zwischen dem rumänischen
Nationalarchiv und dem Washingtoner Holocaust-Museum. Wörtlich heißt es
in der Presseerklärung: "Die Regierung Rumäniens fördert die Forschung
zum Phänomen des Holocausts in Europa, einschließlich der Forschung an
diesbezüglichen Dokumenten, die sich in rumänischen Archiven befinden,
unterstreicht jedoch, dass in den Grenzen Rumäniens von 1940 bis 1945
kein Holocaust stattgefunden hat."
Veröffentlicht am Freitag in rumänischen Zeitungen, löste die
Aussage Proteste bei Vertretern der Jüdischen Gemeinde Rumäniens, vor
allem aber im Ausland aus. Die rumänische Botschafterin in Tel Aviv,
Mariana Stoica, wurde am Montag ins israelische Außenministerium
zitiert. Auch das israelische Parlament will sich mit der
Presseerklärung beschäftigen.
Der rumänische Staatspräsident Ion Iliescu sagte am Dienstag,
die Regierung hätte besser geschwiegen. Die Frage, ob es in Rumänien
einen Holocaust gegeben habe, verneinte Iliescu. Die Beteiligung von
Rumänen und gewisse Augenblicke aus der betreffenden Zeit müsse Rumänien
zwar "auf sich nehmen", so Iliescu, aber "wir können uns nicht mit
Deutschland oder anderen identifizieren, die Promotoren dieser Aktion
waren".
Zuvor hatte der rumänische Kulturminister Razvan Theodorescu
die Presseerklärung mit der Bemerkung verteidigt, zwar habe Rumänien am
Holocaust teilgenommen, Übergriffe gegen Juden habe es aber nur in
besetzten Gebieten gegeben. Diese Ansicht entspricht der
Mehrheitsmeinung unter rumänischen Historikern, die die Mit- und
Eigenverantwortung Rumäniens für den Holocaust herunterspielen oder
leugnen. Aus dem öffentlichen Bewusstsein ist der Mord an den
rumänischen Juden fast ausgeblendet. Die Leugnung des Holocausts ist in
Rumänien gesetzlich verboten.
Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Rumänien etwa 760.000
Juden. Weniger als die Hälfte von ihnen überlebte den Krieg. Aus dem ab
1940 ungarisch besetzten Nordsiebenbürgen ließen ungarische und deutsche
Behörden mindestens 130.000 Juden nach Auschwitz deportieren. In
Rumänien selbst ließen die Behörden etwa 250.000 Juden und mehrere
zehntausend Roma in Todeslager in das rumänisch besetzte Transnistrien
deportieren. Zudem organisierten Einheiten der Eisernen Garde sowie der
rumänischen Armee Pogrome und Vernichtungsaktionen gegen Juden auf dem
Territorium Rumäniens. Bei dem berüchtigsten Pogrom wurden 1941 in der
nordostrumänischen Stadt Iasi (Jassy) tausende Juden ermordet.
Einer der führenden Forscher und Historiker zum rumänischen
Holocaust, der aus Rumänien stammende und in Israel lebende Jean Ancel,
kommt zu dem Schluss, dass Rumänien der einzige Verbündete Deutschlands
war, der eigene Pläne zur Vernichtung der Juden hatte. Derzeit leben in
Rumänien noch etwa 6.000 eingeschriebene Mitglieder der jüdischen
Gemeinde. In mehreren Städten des Landes gibt es Statuen des
profaschistischen Diktators Ion Antonescu, eines der
Hauptverantwortlichen für den Holocaust in Rumänien, der 1946 als
Kriegsverbrecher hingerichtet wurde und in Rumänien zumeist als
Nationalheld gesehen wird.
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