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Judentum und Israel
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Die ÖVP und ihr antisemitischer Held:
Verehrter Antisemit

Die ÖVP widmet ihrem "Gründervater" Leopold Kunschak eine Ausstellung. Khol und Fasslabend eröffneten sie gut gelaunt, weil mit beträchtlichen historischen Auslassungen

Von Karl Pfeifer
Erschienen in: Volksstimme 18 v. 01. Mai 2003

Manchmal überkommt einen der Gedanke, dass man in Österreich lieber Denkmäler - wie das Mahnmal für die österreichischen Opfer der Shoah - errichtet, als sich der schmerzlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit zu stellen. Und es entspricht der Sensibilität der Regierungspartei ÖVP, ausgerechnet am Shoah-Gedenkwochenende einen Teil ihres Stadtfestes am Judenplatz abzuhalten, so dass die Bühne das Denkmal verdeckt und ein Klohäusl daneben platziert ist.

Antisemitische "Wesenszüge"

Auch mit der Geschichte der eigenen Partei erfolgt keine gründliche Auseinandersetzung. So eröffneten im Karl von Vogelsang-Institut Mitte März Abg.z. NR Werner Fasslabend, Bundesobmann des ÖAAB, und Andreas Khol, Präsident des Nationalrates, die Ausstellung "Leopold Kunschak 1871-1953" mit launigen Reden. Die ZuhörerInnen erhielten den Eindruck, als ob Österreich seine sozialen Gesetze ausschließlich der Christlichsozialen Partei zu verdanken habe, die diese nur gegen den Widerstand der Sozialdemokratie durchsetzen konnte. Khol stellte schlicht und einfach das "Ende des Marxismus" fest, obwohl die Bemerkung des Atheisten George Bernard Shaw über das Christentum auch für den Marxismus gilt: "You can't say it doesn't work because it's never been tried!"

Er sprach von der "Nachhaltigkeit", vom Subsidiarismus, natürlich vom "Sozialmissbrauch", und - wie könnte es anders sein - dass Gott in die Verfassung gehört. Vom lebenslangen Antisemitismus Leopold Kunschaks sprach keiner der Eröffnungsredner. Diesen exkulpierte Hannes Schönner im Begleitblatt der Ausstellung: "Nach dem ersten Weltkrieg wurde Kunschak in Wien als Stadtrat ohne Ressort (1923-34) zum Wortführer der christlichsozialen Opposition ... Kunschak brachte Gesetzesinitiativen ein, die helfen sollten, die Not der besonders bedrohten Arbeiter zu lindern. In dieser Funktion griff er aber auch vehement den starken Zuzug osteuropäischer Juden nach Wien als politisches Thema auf und forderte deren sofortige Internierung und Abschiebung. Daran wird deutlich, dass Leopold Kunschak, wie auch viele andere Politiker seiner Zeit, antisemitische Stereotype übernahm. Bereits in der ersten Nummer der ‘Freiheit’ vom 1. November 1895 kritisierte Kunschak die ‘judenliberale und judensocialistische Presse’, die gemeinsam mit den ‘jüdischen Arbeitgebern’ die christlichsozialen Arbeiter um ihre Existenz bringen würden.

Die christliche Arbeiterschaft würde es ablehnen, ‘nach der Pfeife von Dr. Adler und Cohnsorten zu tanzen’. Doch dieser Wesenszug Kunschaks kann nicht losgelöst beurteilt werden von parallelen politischen Entwicklungen in Europa und in Österreich. Antisemitische Vorurteile fanden sowohl bei christlichsozialen als auch bei sozialdemokratischen und erst recht bei nationalen Parteien in ganz Europa ihren Ausdruck in Programmatik und politischer Alltagsrhetorik."

Heulender Beifall

Diese Argumentation ist uns bekannt. Denjenigen, die es gewagt hatten, die ÖVP wegen antisemitischer Wahlkämpfe zu kritisieren, wurde entgegengehalten, dass die Gründer der ÖVP doch Gegner des Nationalsozialismus waren, was ja stimmt, aber nicht die Frage beantwortet, wieso diese Partei auch nach 1945 nicht darauf verzichtet hat, antisemitische Emotionen anzufachen. Dagegen kommt sofort der Einwand, dass ja nicht nur Politiker der ÖVP gestandene Antisemiten waren, dass es auch in anderen Parteien solche gab. Und auch das stimmt. Nur blieb es dem während der Nazizeit zweimal verhafteten Gründer der ÖVP und damaligen Wiener Vizebürgermeister vorbehalten, sich öffentlich auch nach der Befreiung Österreichs durch die Alliierten zu seinem Antisemitismus zu bekennen. Das "Israelitische Wochenblatt" in Zürich meldete am 7.12.1945: "In Wien fand eine Kundgebung statt, die von vielen tausend Personen besucht war, um gegen die Einreise polnischer Juden zu protestieren." Leopold Kunschak von der Volkspartei "erklärte unter heulendem Beifall, er sei immer Antisemit gewesen und bleibe es weiterhin. In Österreich hätten weder einheimische noch fremde Juden etwas zu suchen."

Der Schweizer Journalist Nikolaus Basseches schrieb einen Bericht über diese Publikation, der Außenminister Karl Gruber und Bundeskanzler Leopold Figl vorgelegt wurde. Seine Kernsätze lauten: 1.) "Der Bericht in diesem zionistischen Blatt macht allerdings den Eindruck, dass er, falls direkt so etwas war, die Sache sehr stark dramatisiert."; 2.) dass "diese Meldung weit über jüdische Kreise hinaus einen ungünstigen Eindruck ausgelöst hat ..."

Das Herunterspielen derartiger Vorkommnisse und das Betonen der negativen Wirkung im Ausland sind bis heute Bestandteil der offiziellen Abwehrhaltung gegenüber Antisemitismus und der Verantwortung für die Shoah.

Nicht verlässlich immunisiert

"Wenn man bedenkt, dass Leopold Kunschak", schrieb die in New York erscheinende Zeitung "Aufbau" am 16. April 1946, "unter der neuen Regierung den wichtigen Posten eines Parlamentspräsidenten innehat und dass derselbe Kunschak, von seiner traurigen Vergangenheit als einer der übelsten österreichischen Radauantisemiten abgesehen, auch im neuen Österreich in Reden proklamieren konnte, dass ‘die polnischen Juden nicht nach Österreich kommen sollen, wir Österreicher brauchen aber auch die anderen nicht!’, ‘Die österreichische Industrie soll nicht in jüdische Hände fallen!’ und ‘Ich bin immer ein Antisemit gewesen und bin es heute noch!’, so braucht man sich über diese ‘losgelassene Volkswut’ nicht zu wundern."

Die österreichischen Medien hingegen haben aus "einer falsch verstandenen Staatsräson" (1) nicht über diesen Vorfall berichtet.

Die Historikerin Barbara Kaindl-Widhalm hat es auf den Punkt gebracht, als sie  feststellte, dass "eine Demokratiegesinnung, eine demokratische Überzeugung als umfassendes, alle gesellschaftlichen Bereiche betreffendes ideologisches Konzept noch immer viel zu schwach ausgeprägt ist und dass große Teile der Gesellschaft gegen vermehrt auftretende autoritär-faschistisch-rechtsextremistische Tendenzen nicht verlässlich immunisiert sind". (2)

Denkmäler und ein "Haus der Geschichte" sind nur eine Fortführung der halbherzigen, inkonsequenten und verfehlten Versuche, mit der Vergangenheit klarzukommen.

Forum: Wiens jüdische Gemeine - pleite?

Anmerkungen:
(1) Oliver Rathkolb: "Zur Kontinuität antisemitischer und rassistischer Vorurteile in Österreich 1945/1950", in: Zeitgeschichte, 16, 1988/89, Seite 169. Zu der antisemitischen Rede Kunschaks befragt, die dieser am 14. September 1945 gehalten hatte, erklärte Figl: "Kunschak was not an anti-Semite on racial grounds, but on economic grounds." Dies konnte keine Rechtfertigung für Kunschaks antisemitische Ausfälle sein ("Ich werde die jüdischen Journalisten nicht beschützen, denn sie haben in ihren Blättern das christliche Volk beschimpft und in den Schmutz gezogen"). Die "kleinen Nazis" jedoch nahm Kunschak in Schutz: "What did the little Nazis do? They tried to hold on to a straw in the big sea. That is what they are blamed for."
(2) Barbara Kaindl-Widhalm: "Demokraten wider Willen? Autoritäre Tendenzen und Antisemitismus in der 2. Republik", Verlag für Gesellschaftskritik, Wien, 1990, Seite 224

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hagalil.com 15-05-03

 


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