Von Karl Pfeifer
Der damals liberale Karl Marx schrieb schon vor 160 Jahren, so als
ob er geahnt hätte, dass seine Beschreibung Anfang des 21. Jahrhunderts
auf die Sozialdemokratische Partei Österreichs passen würde: "So wenig
wir an jemanden die Anforderung stellen, aus seiner eigenen Haut
herauszuspringen, so wenig dürfen wir verlangen, ein Individuum oder
eine Partei solle über ihre geistige Haut, über die Schranken ihres
Verstandeshorizontes einen salto mortale wagen, am wenigstens eine
Partei, der ihre Beschränktheit für Heiligkeit gilt. Wir erörtern also
nicht, was jene Bewohnerin des intellektuellen Mittelreiches tun mußte,
um uns zu widerlegen, wir erörtern nur ihre wirkliche Taten"
("Rheinische Zeitung" Nr. 8 vom 8. Januar 1843)
Seit einigen Wochen dreht sich die österreichische Innenpolitik um
einen Regierungsvorschlag zur Reform der Pensionen. Der Österreichische
Gewerkschaftsbund (ÖGB) hat ein paar Warnstreiks durchgeführt. Das ist
in westlich demokratischen Ländern keine außerordentliche Sache. In
Österreich aber, wo der ÖGB sich als Säule einer "Sozialpartnerschaft"
versteht und es seit 1950 keinen größeren Streik mehr gegeben hat und wo
man den jährlichen Streikdurchschnitt in Sekunden oder wenigen Minuten
mißt, mußte sogar der ÖGB fühlen, dass die österreichische Regierung
einen Klassenkampf von oben durchführt und irgend etwas tun.
In dieser Lage hat sich Jörg Haider, dessen Popularität seit seinen
letzten Eskapaden stark gesunken ist, einen klugen Schachzug ausgedacht.
Er hat Alfred Gusenbauer, den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen
Partei Österreichs bei einem Spargelessen getroffen.
Und flugs wird die politische Intelligenz von Alfred Gusenbauer gelobt,
der glaubt mit Jörg Haider den Punkt des Archimedes gefunden zu haben,
mit dem er die jetzige Regierung aus den Angeln heben kann.
Und so legitimiert Alfred Gusenbauer, den Haider mal als Gruselbauer
bezeichnet hat, Jörg Haider als einen Verteidiger des "kleinen Mannes".
Abgesehen von den persönlichen Beleidigungen, hat aber die SPÖ bislang
immer wieder die Verbindungen Haiders die bis in die neonazistische Ecke
reichen, angeprangert.
Vorbei, der Zweck, von Haider über den Tisch gezogen zu werden, heiligt
die Mittel.
Die SPÖ hat sich ja - solange sie noch an der Macht war - die meisten
Themen von Jörg Haider diktieren lassen. Und mußte erleben, dass viele
ihrer Stammwähler zur von Haider offiziell und seit 2000 inoffiziell
angeführten FPÖ abgewandert sind. Viele dieser Wähler haben dann -
enttäuscht von der FPÖ - bei den Wahlen den Weg zur konservativen ÖVP
gefunden.
Im Moment ist schwer vorauszusagen, ob denn die Rechnung von Alfred
Gusenbauer aufgehen kann. Doch eines sicher - diese Partei wird nie
wieder - Jörg Haider Rechtsextremismus vorwerfen können. Denn wie das
Amen im Gebet kommt die Anwort Haiders, dass sich doch der Vorsitzender
der altehrwürdigen SPÖ nicht mit einem Rechtsextremisten getroffen
hätte. Dieser Rechtsextremismus stört die Sozialdemokraten gar nicht. Da
nützen dann auch alle beim Fenster hinaus gesprochenen Erklärungen
nicht.
Wenn zwei Menschen die sich begegnen die Hand geben, und einer Dreck an
den Händen hat, der andere aber Handschuhe an, wird man da sagen, dass
der dreckige "handschuhig" geworden ist, oder aber, das derjenige der
zwar Handschuhe anhatte, dreckig geworden ist?