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Judentum und Israel
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Verzerrte Berichterstattung:
Moslems in, Juden out

Verzerrte Berichterstattung über Israel am Beispiel französischer Medien, war ein Thema auf einer Tagung in Jerusalem

Von Karl Pfeifer
Frankfurter Jüdischen Nachrichten, Nr. 108, April 2003

Israel wird in seinem Kampf gegen den Terrorismus mit doppelten moralischen und journalistischen Standards gemessen. Das war die fast einhellige Meinung auf der Ende Februar abgehaltenen Tagung zum Thema "Antisemitismus und Vorurteile in der zeitgenössischen Berichterstattung" des "Vidal Sassoon International Center" zur Erforschung des Antisemitismus an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Ein Hauptthema waren die Medien im Nahen Osten. Der Spezialist für arabische Literatur Menahem Milson versuchte in seinem Vortrag die Frage "Was ist arabischer Antisemitismus?" auch anhand einiger Stellen aus dem Koran zu beantworten. Mohammed Dajani von der Al-Quds Universität meldete vor seinem Vortrag über die palästinensische Berichterstattung über Israel, Widerspruch zu Milsons Ausführungen an und es kam zu einer interessanten Debatte, die Dajani mit der jüdischen Anekdote beendete: "Nachdem der Rabbi in einem Streit nacheinander beiden Parteien Recht gab, fragte ihn seine Frau, wie konntest Du beiden Recht geben? Worauf der Rabbi antwortete Du hast auch Recht." Dajani bedankte sich für die Einladung, lobte die "jüdische Diskussionskultur" und bedauerte, dass der Vortrag eines israelischen Professors an seiner Universität undenkbar wäre.

Diese Asymmetrie ist für die meisten Medien leider kein Thema. Ihre Israelberichterstattung ist oft genug manichäisch, leidenden - zur Gewalt gezwungenen - Palästinenser steht der mächtige Staat Israel gegenüber.

Ein zweiter Schwerpunkt waren die alten und neuen judenfeindlichen Stereotypen in Europa. Besonders informativ und spannend waren die Vorträge zur "Judenfeindlichkeit in Frankreich damals und jetzt" sowie die Vorführung des Filmes "Decryptage" (Entzifferung).

Es kann selbstverständlich keine geschichtliche Parallele zur Vorkriegszeit in Frankreich gezogen werden, als eine ungezügelte - auch intellektuelle - Hetze gegen Juden den Boden mitbereitete für die spätere Verfolgung und Deportation.

Aber die einseitige und unausgewogene Israelberichterstattung zeigt ernste Auswirkungen. In Frankreich - wo Millionen Moslems leben, die zum großen Teil (noch) nicht in die französische Gesellschaft integriert sind - führt sie u.a. zu physischen Attacken gegen Juden und zum Abbrennen von Synagogen.

Der katholische Priester Patrick Desbois, Sekretär der französischen Bischofskonferenz für die Verbindungen mit den Juden und seit 11 Jahren aktiv im Kampf gegen den Antisemitismus, sprach über die Säkularisierung des christlichen Antisemitismus seit dem XIX Jahrhundert in Frankreich. Er zeigte, wie auf Grund der von Antisemiten seit Ende des XIX. Jahrhunderts benützten Fotos und Karikaturen neben dem alten katholischen sich ein neuer, sich immer mehr säkularisierender Antisemitismus etablierte, der die Juden nicht nur für den Tod Jesu, sondern auch für die Revolution und andere Krisen verantwortlich macht. Bis zur Moderne erzählte man den Christen, die Juden wären schuld am Tode Christi, danach behauptete auch die Kirche, die Juden würden die Armen der Welt ausbeuten. Dieses Bild wird im Zeitalter der Globalisierung, von neuen Antisemiten, die es gelernt haben die moderne Kommunikationstechnologie auszunützen, weiterhin propagiert.

Professor Daniel Dayan, director of research am Centre National de la Recherche Scientific (Paris), der Mediensoziologie an den Universitäten Oslo und Genf lehrt, erläuterte in seinem Vortrag "Zwei Jahre französische Medien, die elitäre Konstruktion von Vorurteilen" anhand von Beispielen die verzerrte Berichterstattung über Israel. Er zeigte auch, dass seit Herbst 2000 fast alle Medien die andauernde Welle von Angriffen gegen jüdische Institutionen und Personen als Taten von isolierten Geistesgestörten darstellen ohne den antisemitischen Hintergrund aufzuzeigen.

Aufgrund dieser Berichterstattung hat sich Dayan einer Gruppe französischer Intellektueller - die meisten von ihnen aus Nordafrika stammende Juden, die sich zum Ziel gesetzt haben die Einseitigkeit in der Berichterstattung aufzuzeigen - angeschlossen. Hauptsächlich kritisiert er die Tageszeitung "Le Monde", die eine Galaxie von Medien besitzt.

Seiner Meinung nach dient der Konflikt "zur Befreiung von einem doppelten Schuldkomplex, für das, was während des Zweiten Weltkrieges in Vichy-Frankreich und das was nach dem Krieg in Algerien geschah. Sie behaupten zum ersten, das Volk, das die Schoa erlitt, begeht die gleichen Verbrechen an den Palästinensern und zum zweiten, dass die Israelis Kolonialisten sind, daher darf man sie hassen und das sei kein Rassismus."

Dieser Haß gegen Israel hat eine Wirkung auf das Verhältnis zu den Juden Frankreichs, die nichts tun können. "Was macht man wenn man auf der Straße angegriffen wird? Geht man mit einem Schild "Ich habe keine Verbindung zu Israel, oder mit einer Fahne? Oder soll man einen gelben Fleck anbringen?"

Dayan sieht drei Gruppen von jüdischen Intellektuellen. Die erste identifiziert sich bedingungslos mit Israel und mit Scharon, sie vertritt die neue Identität, die man Juden generell zuschreibt, indem man sie als "konfessionell" und fremd wahrnimmt. Das ist - seiner Meinung nach - kein Antisemitismus im breiten Sinne des Wortes, sondern eine Neugestaltung der französischen Identität, die kurz definiert so lautet: Moslems in, Juden out.

Die französische Gesellschaft hat einen revolutionären Schritt getan, um die moslemischen Einwanderer aufzunehmen. Dayan befürwortet die Bemühungen, sich mit der Welt des Islam zu befassen und weist darauf hin, dass jede Ausstellung die etwas mit dieser Welt zu tun hat, einen großen Erfolg verbuchen kann. Was ihn verärgert, ist, dass im Gegensatz zu der Bemühung, die Moslems zu integrieren, versucht wird die Juden auszuschließen und sie zu marginalisieren.

Eine andere Gruppe von Juden, zu der auch Dayan gehört, die sich - im Gegensatz zu vielen anderen - nicht automatisch mit jeder israelischen Maßnahme identifiziert, die aber unbedingt für eine gerechte Lösung des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern eintritt wurde nach Oslo von den Medien verwöhnt. Nun erhalten sie fast keine Möglichkeit, sich zu äußern.

Dayan der früher oft um Interviews gebeten wurde, merkt, dass es seit mehr als zweieinhalb Jahren kaum dazu kommt und dass die meisten seiner Leserbriefe nicht gedruckt werden. Er sieht sich und andere in eine "tribalistische Ecke" gedrängt und markiert. Zum Beispiel wurden er und einige Kollegen, zu denen so bekannte Persönlichkeiten gehören, wie Alain Finkielkraut, der Schriftsteller Pascal Bruckner und der Filmregisseur Jacques Tarnero in zwei Büchern und in "Le Monde diplomatique" als "reaktionär" abqualifiziert.

Lediglich eine kleine Gruppe von Juden die in ihrer Kritik an Israel so weit geht, das Existensrecht des jüdischen Staates abzulehnen, sind offenbar "erwünschte" Juden in Frankreich. Dayan erwähnte als Beispiel einen ehemaligen Israeli, der oft in den Medien als Jude auftritt, um den Staat Israel zu verdammen, als man ihn aber über die Zukunft der jüdischen Kultur in Frankreich interviewen wollte, antwortete er, "die kenne ich nicht und sie interessiert mich nicht". Das paradoxe aber, ausgerechnet dieser Mann erhält von den Medien eine Bühne, um seine Kritik an den jüdischen Gemeinden - die sich seiner Meinung nach von Israel distanzieren müßten - zu äußern.

Der französische Film "Decryptage" (Entzifferung) von Jacques Tarnero und Philip Bensoussan zeigt lange Ausschnitte aus palästinensischen und arabischen Fernsehberichten, die im französischen Fernsehen in der Regel nicht gezeigt werden. Da lobt Arafat "Das Kind, als Schahid" (Märtyrer) oder man sieht einen arabischen Intellektuellen, der behauptet, dass es in Auschwitz keine Gaskammern gab.

"Decryptage" dokumentiert, welche Rolle die französische Nachrichtenagentur AFP bei den Unruhen 1996 spielte, als sie ihren Bericht "irrtümlich" mit "Tunnel unter den Moscheen auf dem Tempelberg" titelte.

Es wird auch aufgezeigt, wie das französische Fernsehen, die Erschießung des Kindes Mohammed al Dura, manipuliert dargestellt hat und wie diese Geschichte von arabischen Sendern zur antiisraelischen Hetze gebraucht wurde. Ebenfalls mit diesen Thema beschäftigte sich der peinlich genau recherchierte Dokumentarfilm von Esther Schapira.

Den Vogel aber schoß die linke französische Tageszeitung "Liberation" ab, als sie im September 2000 auf der Titelseite ganz groß das Bild eines israelischen Grenzpolizisten mit Schlagstock und neben ihm einen blutenden "palästinensischen" Jugendlichen veröffentlichte. Es kam heraus, das dieser ein amerikanischer Jude war, der vor dem Lynchen durch einen palästinensischen Mob gerettet wurde. Die Berichtigung des "Irrtums" erfolgte dann allerdings klein auf Seite 13.

Gespräch mit dem Geschichtsprofessor an der Hebräischen Universität Jerusalem Robert Wistrich

Karl Pfeifer: Wir haben den Film "Decryptage" gesehen, der sich mit der Medienberichterstattung über Israel in Frankreich auseinandersetzt und Antisemitismus und Neigung zu Vorurteilen dokumentiert, danach gab es eine Podiumsdiskussion zwischen ausländischen und israelischen Journalisten. Wie erklären Sie, dass die israelischen Journalisten das Ausmaß des Antisemitismus herunterspielen und im wesentlichen Israel selbst für diese Berichterstattung verantwortlich machen, während die ausländischen Kollegen eine systematische vorurteilsvolle Verleumdung Israels feststellen?

Robert Wistrich: Tatsächlich gibt es eine gemeinsame Linie bei diesen israelischen Journalisten, die Verweigerung der Realität des Antisemitismus auf Grund - der meiner Meinung nach falschen Annahme - dass die Anerkennung dieses Tatbestandes ihr Recht die israelische Politik zu kritisieren, begrenzen würde und des gleichfalls irreführenden Glaubens, dass die Erwähnung von Antisemitismus und Vorurteilen in die Hände der gegenwärtigen israelischen Regierung spielen würde.
Und es gibt einen tieferen Grund: Viele rechts oder links stehende Zionisten haben noch nicht akzeptiert, dass die Existenz des Staates Israel die "jüdische Frage" nicht gelöst hat. Sie glauben lieber, dass Antisemitismus lediglich ein Problem der Diaspora ist.
Außerdem widerstrebt es ihnen anzuerkennen, dass der arabische und islamistische Antisemitismus eine reale Bedrohung für die Existenz Israels darstellt. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema - so unglaublich das auch ist - wird insbesondere im liberalen-linken Lager als eine Bremse auf dem Weg zum Frieden gesehen.
Ich glaube, das Gegenteil davon ist wahr, nur durch die genaue Schilderung der Tatsachen, kann das Problem gelöst werden.

hagalil.com 05-05-03

 


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