Jungle World, 23.04.2003
In der Berliner Auguststraße im Stadtteil Mitte sind in die Holztür
eines jüdischen Lebensmittelgeschäfts mehrere Hakenkreuze geritzt
worden, teilte die Berliner Zeitung mit. Ein Verkäufer entdeckte die
drei bis neun Zentimeter großen Zeichen am Morgen des 14. April, von den
Tätern fehlt aber bislang jede Spur. Auch in der Eulerstraße im Berliner
Stadtteil Wedding ritzten Unbekannte Hakenkreuze in die Arbeitsplatte
eines türkischen Imbisslokals und sprühten die Parole "Ausländer raus"
an eine Wand des Ladens. In beiden Fällen ermittelt nun der
Staatsschutz.
Ebenfalls in Berlin, am S-Bahnhof Schöneweide, griffen am 13. April um
20.10 Uhr etwa 30 rechte Skinheads eine Gruppe von zehn türkischen und
jugoslawischen Jugendlichen ohne ersichtlichen Grund an. Die
Jugendlichen versuchten zu flüchten, wurden aber von den mit
abgebrochenen Flaschenhälsen bewaffneten Skins eingeholt und geschlagen.
Erst nach eineinhalb Stunden hatte die Polizei die Situation unter
Kontrolle. Zwei rechte Jugendliche wurden festgenommen und zu einer
Blutprobe gebracht. Viermal wurde Anzeige wegen Körperverletzung
erstattet, einmal wegen Widerstands gegen die Polizeibeamten.
Die Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten ist im Jahr 2002 erneut
gestiegen. Wie die Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags,
Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), in der vergangenen Woche mitteilte,
registrierte der Verfassungsschutz 960 Straftaten im Vergleich zu 709 im
Jahre 2001. Die Behörde verzeichnete zudem neun versuchte
Tötungsdelikte, allerdings keinen rechtsextremen Mord. Somit taucht der
Mord an einem 17jährigen im brandenburgischen Potzlow vom 12. Juli 2002
nicht in den offiziellen Zahlen über rechtsextreme Gewalt auf. Dabei
hatten drei als Rechtsextremisten bekannte junge Männer ihr Opfer
stundenlang gequält und als "minderwertig" und als "Juden" beschimpft,
bevor sie es töteten.
In Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Zahl rechtsextremistischer
Straftaten im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Nach dem
Extremismusbericht des Innenministeriums des Landes wurden im Jahre 2002
ganze 93 solcher Straftaten verübt, im Vergleich zu 48 im Jahre 2001.
Besonders antisemitische Straftaten nahmen zu; 2002 wurden 68 Fälle
registriert, was eine 54-prozentige Steigerung zum Vorjahr bedeutet. Die
Zahl politisch motivierter Straftaten ist ebenfalls gestiegen, um 12,5
Prozent auf insgesamt 158 Straftaten. Zugleich ist die Zahl der
gewaltbereiten Rechtsextremisten in Mecklenburg-Vorpommern im selben
Zeitraum von 900 auf etwa 800 gesunken.
Auch im baden-württembergischen Rems-Murr-Kreis sei der
"Phänomenbereich Rechtsextremismus" nicht mehr zu übersehen, teilten die
Stuttgarter Nachrichten mit. Im Jahre 2002 haben sich rechtsextreme
Straftaten um 96 Prozent erhöht, es wurden insgesamt 98 registriert.
Verantwortlich dafür seien ausschließlich Skinheads, die insbesondere
dann gefährlich seien, wenn sie unter Alkoholeinwirkung in der Gruppe
aufträten. (yen)