Reden für die Völker:
Bestätigung des Urteils gegen Horst Mahler
Es bleibt dabei: Wegen seiner Äußerungen zu den
Terroranschlägen vom 11. September 2001 muss Horst Mahler 7 200 Euro
Strafe zahlen
Von Sebastian Schneider
Jungle World, 02.04.2003
Am Ende fand das Gericht sogar Charaktereigenschaften Horst Mahlers,
die es als strafmildernd bewertete. Schließlich habe Mahler während
seiner langjährigen Haft in den siebziger Jahren seine politische
Überzeugung grundlegend geändert und sich vom bewaffneten Kampf
abgewandt. Dass er seinen Dienst an der "Volksgemeinschaft" nicht mit
Waffen leisten wolle, betonte Horst Mahler tatsächlich immer wieder:
"Unser Kampf kann nicht bewaffnet sein, es muss ein geistiger Kampf um
die Köpfe sein."
Zum Beispiel im Gerichtssaal. Vor dem Mainzer Landgericht musste sich
in den vergangenen Wochen der Rechtsextremist Horst Mahler wegen der
öffentlichen Billigung von Straftaten verantworten. Es ging um seine
Erklärung für das von einem "Vierten Reich" träumende Deutsche Kolleg.
Unter dem Titel "Independence Day Live" rechtfertigte Mahler die
Anschläge vom 11. September 2001 schon am Tag danach. In einem Interview
mit dem ZDF wiederholte Mahler seine Ansichten und sprach den
Attentätern seine "Hochachtung" aus. Das war dem zuständigen Amtsgericht
in Mainz im vergangenen Jahr eine Geldstrafe in Höhe von 7 200 Euro
wert, wogegen sowohl Mahler als auch die Staatsanwaltschaft in die
Berufung gingen.
Von seinen Äußerungen rückte Mahler in der Berufungsverhandlung
keineswegs ab. Die Argumentation Mahlers und seines Verteidigers, des
NPD-Anwalts Hans Günter Eisenecker, lautete vielmehr so: Mahler sei zum
Zeitpunkt des Interviews davon ausgegangen, dass die Terroranschläge die
Tat "mutiger Widerstandskämpfer" gewesen seien. Mittlerweile sei aber
erwiesen, dass die Anschläge von US-amerikanischen Geheimdiensten verübt
worden seien. Damit sei die Straftat weggefallen, deren Billigung Mahler
vorgeworfen wurde. Um seine Thesen zu beweisen, bot Mahler eine Fülle
von Anträgen auf.
Gleich zu Beginn des Prozesses sollten Gerhard Schröder und Rudolf
Scharping nach ihrem Wissen über den 11. September befragt und ein
Interview des Tagesspiegel mit Andreas von Bülows sollte als
Beweismaterial herangezogen werden. Im Prozess zitierte Mahler auch
ausführlich aus Mathias Bröckers' Buch "Verschwörungen,
Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9." Mit einer
eineinhalbstündigen Darbietung, per "Bildwerfer" auf eine Leinwand
projiziert, versuchte Mahler dem sichtlich genervten Gericht darzulegen,
dass das World Trade Center und das Pentagon nicht von Flugzeugen
getroffen worden seien. Die dargebotenen Bilder, Grafiken und
Statistiken waren offensichtlich allesamt den einschlägigen
verschwörungstheoretischen Seiten des Internet entnommen. Mahler zeigte
sich überzeugt davon, dass das World Trade Center fachmännisch
gesprengt, das Pentagon von einer Bunker brechenden Rakete getroffen und
die Öffentlichkeit durch "stümperhaft gefälschte" Videos getäuscht
worden sei.
Das angereiste Publikum, das zum größten Teil aus alten bis sehr alten
Nazi-Kadern und einigen jungen Anhängern bestand, verfolgte Mahlers
Vortrag gespannt. Offensichtliche Ungereimtheiten überspielte Mahler mit
wohl humoristisch gemeinten Sprüchen, die das Publikum mit leisem
Gelächter honorierte: "Alles Gute kommt von oben." Mahler behauptete,
die US-Regierung habe US-Bürger umgebracht, "um die Öffentlichkeit auf
einen der blutigsten Kriege einzustellen, der Millionen Opfer fordern
wird und in dem Atombomben fallen werden". Mit den Anschlägen sollte ein
neues Feindbild, der Islam, geschaffen und mit der so gewonnenen
öffentlichen Zustimmung ein weltweiter Feldzug zur Durchsetzung des
"American way of life" geführt werden.
Schon in seiner Erklärung im Jahr 2001 sprach er davon, dass die USA
einen Krieg gegen "die Völker" führen würden. "Die Völker" müssten sich
nun erheben, um gegen die "mammonistische Weltherrschaft" und "Israel,
den biblischen Völkermörder", zu kämpfen. Sämtliche Fragen in seinem 27
Seiten umfassenden Beweisantrag sollten dem Auswärtigen Amt übergeben
werden, damit dieses sie an das US-Justizministerium zur Beantwortung
weiterleite. In den westlichen Medien herrsche ein "Schweigekartell",
sagte Mahler. Wie bei den Geschehnissen um Pearl Harbor gebe es um die
Anschläge vom 11. September ein organisiertes Schweigen. Bei dem Angriff
der Japaner auf den US-Marinestützpunkt 1941 habe es sich um eine von
den USA provozierte Aktion gehandelt.
Scheinbar angespornt durch das für die Rechtsextremen erfolgreich
verlaufene NPD-Verbotsverfahren, wiesen Eisenecker und Mahler dem
Prozess eine welthistorische Bedeutung zu. Die spärlichen Äußerungen des
Staatsanwalts würden zum "Dokument der Justizgeschichte" werden.
Doch das Gericht lehnte schließlich alle Beweisanträge Mahlers ab. Es
verwies dabei stets auf die offensichtliche "Allgemeinkundigkeit" der
Terroranschläge. Schon eher interessierte sich das Gericht für Mahlers
Lebensgeschichte und seine Einstellung zum bewaffneten Kampf. "Beim
Angeklagten handelt es sich zweifellos um eine der bizarrsten
Persönlichkeiten der BRD in den letzten 30 Jahren", sagte der
Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Mahlers Weg von der SPD, dem
Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und Vorläufern der RAF
über die KPD/AO und die FDP zur NPD, die er mittlerweile auch schon
wieder verlassen hat, ist aber weit weniger bizarr, als es den Anschein
hat. Schon immer ging es Mahler um die "nationale Befreiung".
Und auch der Antisemitismus stellt eine Konstante in seiner
Lebensgeschichte dar. So bezeichnete er 1972 die Ermordung elf
israelischer Olympiateilnehmer als "mutige Kommandoaktion". Auch während
des Prozesses offenbarte Mahler immer wieder seine antisemitische
Weltanschauung. "Warum darf der jüdische Publizist Henryk M. Broder in
seinem neuen Buch ungestraft Personen des öffentlichen Lebens der BRD
beleidigen? Ist er vielleicht ein Einflussagent einer ausländischen
Macht, oder ist er als Zionist in Deutschland unangreifbar?" Das Gericht
begründete die Bestätigung des Urteils gegen Mahler am Mittwoch der
vergangenen Woche auch mit dessen Äußerung zum Olympia-Attentat von
1972.
hagalil.com
04-04-03 |