Beim Revolutionären 1. Mai will ein Block
gegen "linke Antisemiten" und pro Israel demonstrieren. Andere wollen
verhindern, dass diese "Kriegsbefürworter" nach Kreuzberg marschieren
können
Von Felix Lee
Wer denkt, dass nach 16 Jahren die Organisatoren der
Revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen in Kreuzberg alle Konflikte längst
ausgetragen haben und sich routiniert den Vorbereitungen widmen können,
der irrt. Und anders als in den letzten Jahren bestimmen auch nicht die
unterschiedlichen Polizeistrategien den Streit um den 1. Mai. Die
Grabenkämpfe haben sich wieder in innerlinke Zirkel verlagert. Zankapfel
in diesem Jahr: ein so genannter antideutscher, israelsolidarischer
Block.
Ein "Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus (BgAA)"
will auf der 18-Uhr-Demonstration vom Rosa-Luxemburg-Platz mit einem
eigenen israelbeflaggten Block nach Kreuzberg ziehen. Als Grund nennt
ihr Sprecher Karl Herz die vielen "Antisemiten", die an diesem Tag
demonstrieren: "Relevante Teile der Linken lassen keine Gelegenheit
verstreichen, ihrem Israelhass Ausdruck zu verleihen." Zudem wolle man
ein Zeichen gegen den Antiamerikanismus der Friedensbewegung setzen.
Die Gegenmobilisierung bleibt da nicht aus: "Wir werden nicht
dulden, dass eine Demonstration von Kriegsbefürwortern und Anhängern der
Scharonschen Transferlösung das Gebiet von Kreuzberg betritt", heißt es
in einer Erklärung der Berliner Anti-Nato-Gruppe (B.A.N.G.) Sie ruft zu
Blockaden gegen die Israelfreunde auf: "Notfalls machen wir die
Kreuzberger Grenzen selbst dicht."
Dieser Streit könnte die Gräben der ohnehin an der
Israelfrage gespaltenen linken Szene in Berlin noch weiter aufreißen und
ihn am 1. Mai auf die Straße lenken. Damit halten sich die linken
Splittergruppen ausnahmsweise gar an die Linie der Polizei. Die hatte
bereits in der vergangenen Woche eine Demo-interne Eskalation
prognostiziert.
Schon zuvor konnten sich die Nachfolgeorganisationen der
Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) nicht auf einen gemeinsamen
Protestzug einigen. Die AAB war in den letzten Jahren für die größten
Revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen verantwortlich. Nun hat sich die
Antifaschistische Aktion Berlin (ALB) unter anderem mit stalinistischen
und anderen links-orthodoxen Gruppen zusammen geschlossen, um zum
gemeinsamen Aufmarsch um 15 Uhr aufzurufen. Mit dem Motto: "Gegen Krieg
nach außen und innen" hoffen sie auf Teile der erst durch den Krieg
politisierten Jugendlichen. Die andere Hälfte, sie heißt seit kurzem
"Kritik und Praxis (KP)", hält hingegen an der 18-Uhr-Demonstration von
Mitte nach Kreuzberg fest. "Dont fight the players - fight the game"
lautet ihr Aufruf - wobei nicht klar ist, wie groß das
Mobilisierungspotenzial mit diesem abstrakt gehaltenen Motto tatsächlich
sein wird.
Weil das alles gar nicht lustig ist, kursiert ein Aufruf der
Kreuzberger Satirepartei KPD/RZ für ein Ganztagesprogramm. Um einen
friedlichen 1. Mai zu garantieren, heißt es darin, habe man sich
entschlossen die Schirmherrschaft über alle Veranstaltungen zu
übernehmen - vom gepflegten Warming-up-Flanieren um 8 Uhr morgens bis
zur "gemeinsamen Manifestation aller relevanten Gruppen" um 22 Uhr am
"Bolle-Platz", inklusive "der Vorstellung der allgemeinverbindlichen
Plattform (Arbeitstitel: Schwierig!) durch den Informationsminister
a. D. Prof. Mohammed Sajjed es Sahaf".
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