Interview Max Brym
Bedri Islami ist ein bekannter kosovarischer
Politiker. 1999 war er an den Verhandlungen in Romboulle beteiligt. Von
1998 bis 1999 war er Vorsitzender der LPK, welche die UCK gründete.
Heute ist Bedri Islami Mitglied der PDK und Schriftsteller. Er
veröffentlichte bereits mehrere Bücher und ist regelmäßig für die
Zeitung Epoka e Re
publizistisch tätig ist.
Herr Islami, stellen Sie sich am besten der deutschen Öffentlichkeit
kurz vor, denn den meisten dürfte es so gehen, dass man Sie unter
Umständen nur als Albaner identifiziert.
Ich bin Schriftsteller und Journalist. Ich bin 1994 in Kontakt gekommen
mit der LPK und habe seitdem deren Aktivitäten maßgeblich mitgesteuert.
Kommen Sie aus Kosova oder aus Albanien?
Ich komme aus Albanien. Ich bin in Skhodra geboren und meine Familie
lebt noch in Albanien. Skhodra ist die zweitgrößte Stadt in Albanien,
sie liegt im Norden in der Nähe der Grenze zu Montenegro. 1961 wurde
mein Vater aufgrund konstruierter politischer Vorwürfe vom Regime unter
Enver Hoxha inhaftiert. Nichtsdestotrotz hat meine Familie immer das
Anliegen gehabt, die albanische Nation zu vereinigen.
Seit wann leben Sie im Ausland?
Ich lebe seit 1993 in Deutschland.
Sie haben zuvor die LPK erwähnt, können Sie uns etwas über diese
Organisation erzählen?
die LPK entstand 1982 in Kosova. Die LPK schloß verschiedene
Organisationen zusammen, die vorher bereits gegen den serbischen
Chauvinismus gekämpft hatten. Am Anfang stand die LPK politisch links.
Nichtsdestotrotz stand im Vordergrund die Beseitigung der nationalen
Unterdrückung in Kosova.
D.h., die LPK war links orientiert und nicht rechts?
Ich möchte Ihnen leicht widersprechen, natürlich war die LPK
linkslastig, aber in Wirklichkeit ging es um die Lösung der nationalen
Frage. Wenn Sie so wollen, war die LPK weder links- noch rechtslastig,
sondern einfach demokratisch. Sie wollte die nationale Unterdrückung der
Albaner in Kosova beenden. Am Anfang dachte allerdings die Masse der
LPK-Mitglieder und -Anhänger, sie müssten links orientiert sein, da im
Mutterland Albanien ein sehr weit links stehendes Regime existierte, von
dem sie sich Unterstützung erhofften. Trotzdem erklärte der Gründer der
LPK, Jussuf Gervalla, der 1982 in Deutschland von der jugoslawischen
Geheimpolizei ermordet wurde, gegenüber der deutschen Presse: "Wir sind
bereit, uns mit Albanien zu vereinigen, selbst wenn Albanien ein
demokratisch kapitalistischer Staat wäre oder gar eine Monarchie." Das
bedeutete, uns interessierte im wesentlichen die Vereinigung Kosovas mit
Albanien, die politische Form dieser Vereinigung, die Systemfrage, hat
uns erst an zweiter Stelle interessiert.
Welche Rolle spielte die LPK bei der Gründung der UCK?
Die LPK hat die UCK gegründet. 1991 fand illegal in Prishtina eine
Sitzung statt. Auf dieser Sitzung wurde der Beschluß gefaßt, die
Gründung einer militärischen Organisation vorzubereiten. Auf folgenden
Sitzungen wurden sämtliche Mitglieder in Richtung bewaffneter Kampf
orientiert. Entscheidend war die Sitzung in Kercova, an ihr nahmen
sämtliche später bekannt gewordenen UCK-Kommandanten teil. Ich nenne als
Teilnehmer der Sitzung in Kercova zum Beispiel Hashim Thaci oder Ali
Ahmeti.
In deutschen Publikationen kann gelesen werden, dass die UCK von
Anfang an extrem nationalistische Zielsetzungen hatte. Zudem wird
behauptet, dass es Verbindungen wie die zu ehemaligen albanischen
nazistischen Kollaborateuren gegeben hätte, die UCK in der Tradition der
SS-Division Skanderbeg gegründet wurde. Was sagen Sie dazu?
Zunächst sollte man definieren, was gerechtfertigter Patriotismus und
abzulehnender Chauvinismus darstellen. Um Ihnen die Definition zu
erleichtern, möchte ich Ihnen sagen, die UCK hatte niemals das Ziel,
fremde Territorien zu erobern oder gegen andere Nationalitäten
barbarische chauvinistische Akte durchzuführen. Es ging um die
Beseitigung der Unterdrückung der Albaner in Kosova durch den serbischen
Chauvinismus. In unserem Programm der LPK von 1993 werden Sie nirgendwo
die Aussage finden, dass es uns darum ginge, andere Nationen zu
unterdrücken, ganz im Gegenteil. Den Chauvinismus fanden Sie in der
damaligen Zeit in den Publikationen und in den Taten des serbischen
Regimes, wobei ich - damit keine Mißverständnisse auftreten - das Regime
vom Volk unterscheiden möchte. In den programmatischen Erklärungen der
UCK wurde als Ziel stets die Errichtung eines demokratischen und
unabhängigen Kosova mit gleichen Rechten für alle Bürger gleich welcher
Nationalität bekundet. Also, Sie können die UCK nicht mit einer
Organisation wie z.B. der serbischen radikalen Partei unter Führung von
Seselj vergleichen. Zum zweiten Teil Ihrer Frage, - niemals hatten wir
Verbindungen mit pro-nazistischen albanischen Traditionsverbänden; im
Gegenteil, wir distanzierten uns immer scharf von diesen Vereinigungen.
Dies können Sie auch verfolgen, wenn Sie einen Blick in die politische
Landschaft Kosovas werfen. Die traditionellen nationalistischen
Organisationen, die sich in der Tat auf nazistische
Kollaborationsorganisationen im zweiten Weltkrieg berufen, waren immer
gegen die UCK. Sie bezeichneten die UCK als links, enveristisch usw.
Fakt ist, diese Organisationen erklärten noch 1998, dass sie gegen die
UCK seien; sie unterstützten die Linie von Rugova.
Warum stellte sich Ibrahim Rugova gegen die LPK und UCK, oder anders
herum: was hatte die LPK gegen Rugova?
Es ist gut, dass Sie das fragen. Ich sage Ihnen, warum wir gegen Rugova
waren und sind. Zunächst haben wir selbstverständlich nichts gegen
Rugova als Mensch. Wir waren gegen Rugova wegen seiner Haltung während
des NATO-Krieges gegen Jugoslawien, aber auch schon von Anfang an, weil
er den Kampf der UCK immer abgelehnt hat. Im Jahre 1994 traf sich eine
Abordnung der LPK und der LKCK mit Rugova. Anläßlich dieses Treffens
wurde ihm offenbart, dass wir gewillt sind, gegen das serbische Regime
militant zu kämpfen. Wir boten ihm eine Zusammenarbeit an. Rugova lehnte
dieses Angebot ab und stellte sich gegen jede Art von militärischem
Widerstand. Im Jahr 1997 trafen wir uns erneut mit Vertretern der Partei
von Ibrahim Rugova in Oslo. Die Delegation der LDK (Partei Rugovas)
wurde geleitet von Bujar Bukoshi, neuerlich boten wir der LDK eine
Zusammenarbeit an. Bei diesem Treffen versprach uns Bukoshi eine
Kooperation, allerdings kam es nicht zu dieser Kooperation.
Welche Rolle spielte denn Bukoshi, der jahrelang in Deutschland
lebte, als "Exilpremier"? Und was stellte seine militärische
Organisation, die FARK, dar?
Am Anfang seiner politischen Tätigkeit präsentierte sich Bukoshi als
Nationalist. Später hatte er Verbindungen auch mit uns, aber natürlich
auch mit Rugova. In einer Vereinbarung, die im Juni 1998 in Albanien
geschlossen wurde, erklärte sich Bukoshi bereit, einen gemeinsamen
militärischen Kampf gegen das serbische Regime zu führen. Dennoch
organisierte Bukoshi seine eigene militärische Formation mit dem Namen
FARK. Die Existenz der FARK wurde im März 1998 nach der Ermordung der
Familie Jashari (Adem Jashari war Gründungsmitglied der UCK, Mitglied
der LPK und gilt heute als Nationalheld) bekanntgegeben. Zum
militärischen Leiter der FARK ernannte Bukoshi ein ehemaliges Mitglied
der LPK, den er auch zum Innenminister seiner sogenannten Regierung
ernannte. Allerdings muß ich Ihnen noch erklären, dass Bukoshi die
Existenz der FARK nur im internen Kreis bekanntgab. Erst nach dem Ende
des NATO-Krieges gegen Jugoslawien rühmte er sich mit der Existenz der
FARK. Der Zentralstab der UCK wußte, dass Bukoshi eine militärische
Gruppe unterhält und gab Bukoshi die Erlaubnis, dass sie im Kampf in
Kosova teilnehmen könnten. Insgesamt gingen 120 Bukoshi-Soldaten nach
Kosova. Und sie gaben vor, kämpfen zu wollen. Viele von ihnen waren
ausgebildete militärische Kader, die ihren Dienst in der jugoslawischen
Armee versehen hatten. Diese Leute gingen in das Gebiet, das dem
Kommando von Ramush Haradinaj unterstand. Ramush Haradinaj ist heute
Vorsitzender der AAK (Allianz für die Zukunft Kosovas). Nach seinen
Aussagen nahmen die Bukoshi-Leute nicht am militärischen Kampf teil, im
Gegenteil, sie verbreiteten eine defätistische Stimmung. Das ging so
weit, dass sie die Leute aufforderten, die Waffen niederzulegen.
Insgesamt folgten ca. 6000 Personen dieser Propaganda. Diese Agitation
hatte in einem Fall das konkrete Ergebnis, dass über 80 Verwundete, die
zurückgelassen wurden, den serbischen Einheiten in die Hände fielen.
Selbstverständlich überlebten die Verwundeten das nicht.
Welche Rolle spielte in diesem Zusammenhang der im Januar 2003 in
Kosova erschossene Tahir Zemaj?
Tahir Zemaj war der Führer der von Bukoshi geschickten
Defätistengruppe. Im August 1998 machte sich Tahir Zemaj mit ca. 180
Leuten aus dem Staub. Er verließ den Kampfplatz über Montenegro und ging
nach Albanien. Nach der Flucht von Tahir Zemaj aus Kosova war die FARK
nur noch in Albanien in einer Kaserne stationiert, und sie beteiligte
sich natürlich nicht mehr am militärischen Kampf gegen die serbischen
Staatsorgane. Ihre Leute verbrachten die ganze Zeit in einer Kaserne in
der Nähe von Tirana. Das Verhalten der FARK stellte die Gefahr eines
Bruderzwistes innerhalb der albanischen Gesellschaft in Kosova dar. Die
UCK verstand es jedoch, einen militanten Konflikt mit der FARK zu
vermeiden.
Was halten Sie von dem Vorwurf, dass Tahir Zemaj im Januar dieses
Jahres von der illegalen UCK aufgrund der von Ihnen geschilderten
Vorkommnisse getötet wurde?
Dieser Vorwurf ist abwegig, denn man hätte Tahir Zemaj leicht im August
1998 liquidieren können. Damals hatte er in dem Gebiet, wo er sich
aufhielt, ungefähr 180 Leute hinter sich, wohingegen der UCK-Kommandant
Ramush Haradinaj damals in dem Gebiet über 8000 Kämpfer befehligte.
Aufgrund der neuesten Informationen, die ich aus Kosova habe, wurde
Tahir Zemaj aus anderen Gründen erschossen. Eine Person wurde wegen Mord
an Tahir Zemaj bereits verhaftet. Diese Person hatte nichts mit der
Politik und mit der Struktur der früheren UCK zu tun.
Kommen wir zurück zum Beginn des militärischen Kampfes durch die
UCK. In verschiedenen Publikationen in deutscher Sprache wird die
Behauptung aufgestellt, die UCK wäre von Anfang an durch die CIA und den
BND finanziert und bewaffnet worden.
Das Ganze ist eine abwegige Spekulation. Die Kontakte mit den USA waren
vor dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien allerdings enger als die Kontakte
mit Politikern aus der BRD. Ich spreche hier von politischen Kontakten,
nicht von Beziehungen mit einem Geheimdienst. Es gab ab 1998 Kontakte
mit dem amerikanischen Balkanbeauftragten Hoolbrouk. Allerdings ist es
schwierig, generell Politiker eines Staates vom Geheimdienst zu trennen.
Wir hatten Kontakt mit mehreren Politikern aus den USA, darunter könnte
sich der eine oder andere Mitarbeiter der CIA befunden haben.
Nochmals, war die Unterstützung der USA für die UCK eine
politisch-diplomatische Unterstützung oder eine direkte
militärisch-finanzielle Unterstützung?
Die Kontakte waren nur politisch und diplomatisch.
Hatten Sie Kontakte mit islamisch-fundamentalistischen
Organisationen?
Wir haben uns niemals in Richtung islamischer Fundamentalismus bewegt,
sondern wir suchten diplomatisch-politische Hilfe in Westeuropa und
besonders in den USA. Wir hatten keinen Bedarf, uns mit islamischen
Fundamentalisten zu verbinden. Im übrigen hätte eine Zusammenarbeit mit
dem islamischen Fundamentalismus in unserem Volk auch keinerlei
Verankerung gehabt. Um ganz genau zu sein: bestimmte islamische
Gruppierungen boten uns ihre Unterstützung an. Ich erinnere mich an
einen konkreten Fall, als acht "Gotteskrieger" in Tirana waren. Diese
Leute wollten in die UCK eintreten. Ich kann Ihnen aber versichern,
diese Leute haben die Grenze zu Kosova nie erreicht. Im Gegenteil, in
der UCK kämpften Leute aus Finnland, Schweden, Dänemark, Deutschland,
Italien und aus anderen Staaten. Aber in keinem einzigen Fall gab es
Soldaten aus islamischen Staaten. Niemals gab es waffentechnische Hilfe
aus islamischen Staaten.
Wie kam die UCK zu ihrem waffentechnischen Potential?
über drei Wege. Zuerst hatten die Bewohner in Kosova selbst Waffen, die
sie vor den jugoslawischen Organen versteckt hatten. Zweitens kauften
wir Waffen in anderen Ländern, auch in Serbien wurden viele Waffen
gekauft. Drittens gab es eine bestimmte Hilfe seitens des albanischen
Staates. Niemals kauften wir Waffen von extremistischen Organisationen,
wie z.B. der IRA, der ETA oder anderer solcher Organisationen.
Wie finanzierten Sie Ihre Waffenkäufe, denn es gibt in Deutschland
die Behauptung, dass Sie dies mittels des Drogenhandels bewerkstelligt
hätten?
Es freut mich, dass Sie mich das fragen, denn diese Beschuldigung kann
man in der Tat öfters hören und lesen. Es gibt keinen konkreten Fall,
der diese Behauptung untermauern könnte. In keinem Fall hatte die UCK
etwas mit Drogenhändlerringen zu tun. Demzufolge kam von dieser Seite
auch kein Geld. Ich nenne Ihnen konkrete Fakten. Im März 1998, an dem
Tag, als Adem Jashari getötet wurde, hatte unser Fond "Das Vaterland
ruft" ein Minus von 70.000 DM. Dieses Minus kam zustande, weil das Geld
gebraucht wurde, um Waffen zu kaufen. Glauben Sie, wir hätten dieses
Minus gehabt, wenn wir von Drogenhändlerringen unterstützt worden wären.
Wir bezogen unser Geld durch freiwillige Spenden, welche die Bevölkerung
Kosovas, Menschen in Albanien und in der Diaspora uns gaben. Unser Fonds
war der Fonds "Das Vaterland ruft", die Kontobewegungen konnten genau
durch die Staatsorgane nachvollzogen werden. Sie können sicher sein,
dass sofort zugeschlagen worden wäre, wenn Zahlungen von
Drogenhändlerringen eingegangen wären. Es gab noch einen Fonds, den die
"Regierung" Bukoshi unterhielt. Herr Bukoshi sagte am Anfang eine
größere finanzielle Unterstützung der UCK zu. Allerdings hat er nur
zweimal uns Geld gegeben, einmal 30.000 DM und das zweite Mal 20.000 DM.
Das war alles.
Das war doch relativ wenig, denn Bukoshi nahm doch über Jahre 3% des
Einkommens der Albaner in der Diaspora für seinen Fonds.
Sie untertreiben noch, denn diese 3% sind der kleinere Anteil von dem,
was Bukoshi von der albanischen Emigration kassierte. Um Ihnen ein
Beispiel zu geben: im Jahre 1993 propagierte Bukoshi eine
Sonderspendenaktion "Für die Verteidigung Kosovas", nach der jeder
Albaner in der Diaspora mindestens 3.000 DM zu bezahlen hatte. Solche
Aktionen startete Bukoshi öfter. Ein Ex-Minister von Bukoshi, dessen
Namen jedem Albaner bekannt ist, veröffentlichte in der Presse bereits
in den 90er Jahren, dass der Fonds von Bukoshi über mehrere hundert
Millionen DM schwer ist. Bukoshi sammelte das Geld und niemand im Westen
fragte: "Was treibst du eigentlich mit dem Geld?"
Ich komme zurück auf Ihre Frage zu den sogenannten Drogengeschäften. Wenn
wir eine solche Unterstützung gehabt hätten, hätten wir nicht Herrn
Bukoshi einmal um 30.000 und dann um 20.000 DM gebeten. Ich sage Ihnen
noch einen Fakt, im April und im Mai 1998 warteten im Norden von
Albanien Tausende von Albanern mit dem Ziel, sich zu bewaffnen und gegen
Jugoslawien zu kämpfen. Aber da die UCK keine Waffen und kein Geld zu
diesem Zeitpunkt hatte, mußten die Menschen warten. Ein solcher Fall
wäre niemals eingetreten, wenn wir Beziehungen zur Drogenmafia gehabt
hätten. In dieser Zeit war die Grenze zu Kosova offen, und wir hätten
sofort 60.000 Kämpfer hineinschicken können. Aber die Leute mußten
warten, da es eben kein Geld und keine Waffen gab. Die Entwicklung der
UCK im Jahre 1998 wäre wesentlich schneller und intensiver vonstatten
gegangen, wenn wir genug Geld und Waffen gehabt hätten. Bis heute hat
keine staatliche oder internationale Organisation zur Bekämpfung der
Drogenkriminalität irgend einen Fall entdeckt, wo die UCK oder LPK mit
diesen Sachen zu tun gehabt hätten. Ende 1998 bekam die Filiale des
Fonds "Das Vaterland ruft" in Tschechien einige hunderttausend Mark
überwiesen. Zur selben Zeit erhielten wir die Mitteilung, dass diese
Grossspende aus unsauberen Quellen stammen könnte. Sofort bildeten wir
eine Untersuchungskommission. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass
das Geld nicht aus kriminellen Strukturen stammte, sondern über ca. 5
Jahre bei unserer Arbeitsemigration in Tschechien gesammelt wurde. Erst
nach dieser Feststellung gingen wir daran, das Geld zu nutzen. Denn wir
wussten: wir stehen unter strenger internationaler Beobachtung. Wir
achteten auch deshalb so stark darauf, dass unser Geld sauber ist, weil
wir davon ausgingen, dass die serbischen Dienste nur darauf lauerten,
uns irgendwelche unsauberen Machenschaften anzuhängen. Grundsätzlich
möchte ich sagen, wir hatten große Ideale und waren niemals bereit,
diese Ideale durch Drogengeschäfte beschmutzen zu lassen.
Heute wird einigen UCK-Kommandeuren vorgeworfen, sie hätten eine
inhumane Kriegsführung betrieben und sich an Zivilisten vergangen. Mit
dieser Begründung wurden kürzlich mehrere Personen dem internationalen
Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt, der bekannteste von
Ihnen ist Fatmir Limaj. Wie stehen Sie zu den Beschuldigungen?
Diese Beschuldigung ist nicht neu. Im Mai 1998 wurde Fehmi Ladrovici
von der BBC in einem Fernsehinterview im Drenica-Gebiet mit der selben
Anschuldigung konfrontiert. Der BBC-Reporter fragte den bekannten
Kommandanten, ob die Behauptung des serbischen Staates, sie wären eine
terroristische Organisation und würden gegen Zivilisten vorgehen,
stimme. Es ist schon spannend, dass diese Frage nach fünf Jahren
nochmals gestellt wird. Bereits 1998 erklärte der Kommandant Fehmi
Ladrovici dazu: "Die Serben sollen uns genau sagen, wann wir eine Frau,
ein kleines Kind oder einen alten Mann getötet haben." Die serbische
Seite, die das Fernsehinterview mit Sicherheit verfolgte, konnte keinen
einzigen Fall präsentieren. Sie können mir glauben, wenn es so etwas
gegeben hätte, dann hätte die serbische Seite mit Begeisterung solche
Dinge in die Weltöffentlichkeit hinausgeschrien.
Woher kommen dann diese Beschuldigungen heute?
Schauen Sie, bis jetzt wird die UCK beschuldigt, sechs serbische
Zivilisten während des Krieges ermordet zu haben. So ist es in der
Anklageschrift des Tribunals in Den Haag nachzulesen. Wie wackelig diese
Anklage ist, sehen Sie daran, dass von den sechs genannten Personen nur
fünf einen Namen haben, und die sechste genannte Person in der
Anklageschrift gar keinen Namen hat. Aus den vorgelegten Namen ergibt
sich, dass es sich um fünf männliche Personen handelt. Diese könnten
selbstverständlich Angehörige der serbischen paramilitärischen
Formationen in Kosova gewesen sein. Wahrscheinlich haben diese Leute
gegen ihre albanischen Nachbarn gekämpft. Jahrzehntelang lebten die
Albaner mit den Serben Haus an Haus im gemeinsamen Dorf in Kosova. Es
gibt in dieser Zeit keinen einzigen Vorfall, in dem ein Albaner seinen
serbischen Nachbarn getötet hat. In diesen Jahrzehnten gab es hin und
wieder Konflikte militanter Art zwischen Albanern. Allerdings darf nach
der Philosophie unseres Volkes der Nachbar nicht attackiert werden.
Unsere Tradition sagt, dass man einen Konflikt mit dem eigenen Bruder
haben kann, aber mit dem Nachbar im Dorf muß man unbedingt in Frieden
leben. Es ist möglich, dass es im Westen einige politische Gruppen gibt,
die sich einiges zusammenphantasieren. Das ist keine neue Erscheinung.
Schauen Sie, jetzt in Kosova vermissen die albanischen Familien immer
noch über 3.700 Menschen, von denen keiner weiß, wo sie begraben sind.
Unsere Menschen suchen ihre Kinder, ihre Schwestern, ihre Großväter,
ihre Eltern. Das ist Fakt. Diese Menschen wurden vom serbischen Militär
getötet, aber nicht nur vom Militär, sondern auch von örtlichen und
überörtlichen serbischen paramilitärischen Gruppen. Wenn der
militärische Widerstand der UCK gegen die serbische Aggression nicht
gewesen wäre, hätten wir mehr als 13.000 getötete albanische Zivilisten
gehabt. Wahrscheinlich hätten ohne die UCK die serbischen Organe über
200.000 Albaner umgebracht. Sehen Sie, es gab weit über 200.000 tote
Zivilisten in Bosnien, nicht aber in Kosova, weil es die UCK gab. Jetzt
wird ohne Legitimation gegen Albaner Anklage erhoben, weil sie mit
ziemlicher Sicherheit ein paar serbische Paramilitärs töteten. Ich
schließe jedoch nicht aus, dass es nach Beendigung des Krieges zu
einzelnen Übergriffen gegen serbische Zivilisten durch albanische
Individuen kam. Es war unmöglich seitens der UCK, alle Albaner zu
kontrollieren und zu disziplinieren. Es kam zu einzelnen Racheakten, vor
allen Dingen von Personen, die zuvor ihr gesamtes Hab und Gut verloren
haben und oft einen Großteil der Familie. Wissen Sie, es gab öfters die
Fälle, dass in einer Familie 50 - 60 Personen getötet wurden. Nehmen Sie
konkret den Fall der Familie Jashari. Von den getöteten 59
Familienangehörigen im März 1998 waren 38 Frauen und Kinder. Bis dato
wird nicht nach den Verantwortlichen, die sich auf der serbischen Seite
befinden, gefahndet.
Soweit mir bekannt ist, wurden bis jetzt in Kosova keine serbischen
Personen wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt. Bekanntlich stehen
jetzt ehemalige UCK-Kommandanten vor Gericht und einige wurden bereits
verurteilt. Worauf führen Sie das zurück?
Für mich haben die Verfahren politische Ursachen. Gegen alle
Kommandanten der verschiedenen Kampfzonen wurde und wird Anklage
erhoben. Es gibt nur noch drei bis vier Zonen, wo noch keine Anklage
gegen Abschnittskommandanten erhoben wurde. In Kosova geht man davon
aus, dass auch diese Zonen in das Anklageverfahren gelangen. Diese Dinge
beunruhigen die Menschen in Kosova sehr stark. Weil die Menschen in
Kosova wissen, dass die Angeklagten sie in Wirklichkeit gegen den
serbischen Staatsterror verteidigten. Z.B. in der Zone, in der der nach
Den Haag überstellte Fatmir Limaj gekämpft hat, gab es 85.000 Einwohner.
In diesem Gebiet gelang es den serbischen Einheiten nicht einen einzigen
Albaner zu verhaften oder abzutransportieren. Die Menschen wissen das,
für sie ist der Kommandant Fatmir Limaj ein Held. Allerdings wurden in
dem Gebiet 6.000 Personen von den serbischen Einheiten erschossen. Aber
ohne den Kommandanten Fatmir Limaj wären es mindestens 16.000 gewesen.
Zurück zu den politischen Ursachen der Anklage. Gegenwärtig läuft von
serbischer Seite aus der Versuch, Kosova zu teilen. Am deutlichsten ist
das in der Stadt Mitrovica, die seit vier Jahren geteilt ist. Die UNMIK
oder Teile davon gehen in die Richtung, die serbischen Teilungspläne zu
unterstützen. Der nördliche Teil von Mitrovica und die Gebiete an der
Grenze zu Serbien unterstehen einer serbischen Struktur. Diese
Machtstellung wird von der UNMIK toleriert. Wohingegen den Albanern
keinerlei Kompetenzen zugestanden werden. Obwohl die Albaner, ich meine
die relevanten politischen Parteien, sich für ein gemeinsames
Zusammenleben mit den Serben und anderen nationalen Gruppen in Kosova
ausgesprochen haben. In der Regierung Kosovas befinden sich auch
serbische Minister. Dennoch erklärte der serbische
Landwirtschaftsminister kürzlich, "dass den Serben 62% des Landes in
Kosova gehören". In Kosova stellen die Serben 10% des
Bevölkerungsanteiles, wie können Sie behaupten, dass ihnen 62% des
Landes gehören. Nebenbei gesagt sind solche Äußerungen nicht nach
demokratischen Gesichtspunkten ausgewählt, sondern es zeigt sich der
alte serbische Chauvinismus. Diese Mentalität muß überwunden werden. Wir
sind bereit, alle Menschen, die in Kosova leben, als Menschen mit
gleichen Rechten und Pflichten anzuerkennen. Wissen Sie, der Unterschied
besteht darin, der serbische Nationalismus wollte ein Kosova ohne
Albaner, wohingegen wir wissen, dass es ein Kosova ohne Serben nicht
geben kann. Denn in diesem Gebiet leben wir seit Jahrhunderten zusammen.
Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie für ein unabhängiges Kosova,
in dem alle Bürger die gleichen Rechte haben.
Genau dafür bin ich. Schon in Ramboullet, wo ich für die albanische
Seite die Eröffnungsrede hielt, ist die selbe Frage an mich gestellt
worden, und ich antwortete damals und ich antworte heute, in einem
unabhängigen Kosova "werden die Serben die gleichen demokratischen
Rechte wie alle übrigen Bewohner haben." Ich hatte und ich habe die
Meinung, dass die Serben in einem unabhängigen Kosova mehr Rechte haben
werden, als sie je in ihrer jüngsten Geschichte gehabt haben. Denn die
serbische Staatlichkeit hatte eine faschistische Struktur, eine solche
Struktur unterdrückt bekanntermaßen auch die eigene Bevölkerung.
Man sagt aber jetzt, in Serbien herrsche Demokratie und der kürzlich
ermordete Ministerpräsident sowie der jetzige Ministerpräsident wären
aufgeklärte Menschen.
Was jetzt in Serbien geschieht, ist in erster Linie eine Angelegenheit
unseres Nachbarlandes Serbien. Wir wünschen uns natürlich, dass in
Serbien jemand regiert, der die Dinge so versteht, wie De Gaulle vor 40
Jahren in Frankreich. De Gaulle akzeptierte ab einem bestimmten
Zeitpunkt gegen die damalige französische extreme Rechte die
Unabhängigkeit Algeriens. Soweit ist die serbische Politik noch nicht,
sie droht nach wie vor damit, serbische Soldaten nach Kosova zu
schicken, oder sie schmiedet Teilungspläne. Wenn Sie nicht glauben, dass
wir als Albaner Minderheiten tolerieren und ihnen die gleichen Rechte
geben, dann schauen Sie nach Albanien. Im Süden Albaniens lebt eine
griechische Minderheit, die über sämtliche demokratischen Rechte
verfügt. Die albanische Rechte, die keine besondere Kraft ist, beschwert
sich, dass die griechische Minderheit im Süden und die Minderheit der
Montenegriner im Norden mehr Rechte hätten als die Albaner. Diese
chauvinistischen Argumente unserer extremen Rechten, die eine kleine
Minderheit darstellen, stoßen in Albanien auf keinerlei Gehör. Schauen
Sie, in meiner Heimatstadt Skhodra haben die Montenegriner eine eigene
Fußballmannschaft, sie spielen aber auch in anderen Mannschaften mit
Albanern zusammen. Sie können mir auch keinen Fall nennen, wo in den
letzten Jahren in Albanien ein Angehöriger einer nationalen Minderheit
aufgrund seiner Abstammung getötet wurde. Ich propagiere, dass die
Stellung der Minderheiten in Albanien zum Vorbild für ein unabhängiges
Kosova wird. Das ist ein Prozeß, aber dieser Status kann und muß
erreicht werden. Wer sich dagegen ausspricht oder gar behauptet, Kosova
wäre ein Teil Serbiens, plant in Wirklichkeit keinen Ausgleich, sondern
einen neuen Krieg. Wenn die UNMIK im gegebenen Stil weitermacht und
nationalistische Parallelstrukturen in Kosova akzeptiert bzw. mit einem
Teilungsplan liebäugelt, dann kann in Kosova eine Situation eintreten,
wie wir sie 1998 hatten. Eine neue Generation wird sich dann gegen die
UNMIK stellen.
Was halten Sie von den Erklärungen der serbischen Parteienkoalition
"Rückkehr", die im Kosova-Parlament vertreten ist und behauptet: "Die
Albaner hätten ethnische Säuberungen gegenüber Serben und Roma
durchgeführt." In Belgrad sitzt ein Mann, der sich als Vertreter der
Juden in Kosova ausgibt und sagt, auch Juden seien vertrieben worden.
Diese Behauptungen finden auch Eingang in die westliche
Presselandschaft.
Das mit den Juden höre ich zum ersten Mal in meinem Leben. Vielleicht
werde ich in einiger Zeit hören, dass auch eine irische Gemeinschaft aus
Kosova vertrieben wurde. Wissen Sie, in Wirklichkeit war es so, Albanien
war das einzige Land, das von den Faschisten besetzt wurde, indem es
nach Ende des 2. Weltkrieges mehr Juden als vor dem 2. Weltkrieg gab. In
Albanien habe ich persönlich viele jüdische Freunde. Bei den Albanern
hatte und hat der Antisemitismus keinerlei Tradition, ganz im Gegenteil,
wir bewundern das jüdische Volk, das Jahrhunderte lang in der Diaspora
seinen Zusammenhang bewahrte und andererseits wesentliche Teile der
internationalistischen Kultur und Zivilisation in sich aufnahm. Zu
unserer Haltung bezüglich der Serben und der Roma in Kosova habe ich
bereits gesprochen. Jeder hat in Kosova Platz, egal, welcher
Nationalität er angehört. Ich möchte hinzufügen, viele Serben flüchteten
aus Kosova, weil sie in paramilitärische Strukturen verwickelt waren,
und andere Serben folgten den Anweisungen der serbischen Geheimpolizei,
sich in bestimmten Gebieten Kosovas zu konzentrieren, um später über
feste Basen, die national geschlossen sind, zu verfügen.
Wenden wir uns den wirtschaftlichen Fragen in Kosova zu. Der
wichtigste ökonomische Faktor, der sich in Kosova befindet, ist das
ehemalige Kombinat Trepca, das einst die zweithöchste Zink- und
Bleiförderquote in Europa hatte. Wie soll Ihrer Meinung nach mit Trepca
umgegangen werden? Wie stellen Sie sich generell eine wirtschaftliche
Entwicklung Kosovas vor?
Trepca ist der größte Schatz Kosovas und muß aktuell in der Hand
unserer Regierung sein. Wissen Sie, auch in Deutschland sind wichtige
versorgungstechnische Anlagen und Energiequellen zum Teil in staatlicher
Hand. Auch der Straßenbau ist bei Ihnen eine staatliche Angelegenheit.
Dennoch sind wir nicht gegen ein Privatisierungskonzept für bestimmte
Teile der Wirtschaft, im Gegenteil fordern wir das sogar. Momentan gilt
es allerdings zu bilanzieren, dass es ein unnormaler Zustand ist, wenn
Kosova Lebensmittel importieren muß. Kosova war früher bekannt für seine
starke landwirtschaftliche Basis. Es ist unverständlich, dass
gegenwärtig selbst Birnen und Äpfel aus Mazedonien importiert werden.
Wir müssen sogar Strom importieren, obwohl in den 80er Jahren Kosova
Strom exportiert hat. Generell möchte ich Ihnen zu den ökonomischen
Fragen sagen, solange der Status von Kosova nicht geklärt ist, kann es
keine nennenswerte wirtschaftliche Entwicklung geben, auch nicht in
Richtung Privatisierung, wenn ein Investor nicht weiß, welchen
rechtlichen Status er mit seiner Investition letztendlich bekommt. Die
UNMIK privatisiert nach serbischen Gesetzen, was jede Investition
verhindert. Unter serbischen Gesetzen sind die Gesetze aus der Periode
Milosevic zu verstehen, die bekanntlich die albanischen Arbeiter als
Gruppeneigentümer der Betriebe enteignete.
Bekommen Sie denn keine wirtschaftliche Unterstützung aus
islamischen Staaten?
Nein, denn auch von dort aus will ein Investor Rechtssicherheit haben.
Im übrigen möchte ich Ihnen sagen, dass es keinerlei enge Verbindung zu
einem islamischen Staat gibt. Auch keinerlei terroristisch-
fundamentalistische Organisation wäscht in Kosova ihr Geld. Wir sind
diesen Leuten aufgrund unserer traditionellen Freundschaft mit den USA
generell verdächtig. Um Ihnen das noch einmal zu erläutern. Der
amerikanische Botschafter in Albanien gab kürzlich ein Fernsehinterview,
in dem er erklärte: "Die islamischen Gruppen haben sehr früh begriffen,
dass die UCK ihnen keine Tür öffnet, und demzufolge gibt es auch keine
wirtschaftlichen Aktivitäten islamischer Gruppen heute in Kosova."
Vor einiger Zeit wurde der Chef der Privatisierungskommission in
Kosova, der deutsche Leiter Voss, gefragt, wie er die
Privatisierungsmöglichkeiten in Kosova einschätzt. Er antwortete: "Neun
von zehn Betrieben sind unrentabel und müssen geschlossen werden, zudem
müssen wir in Sachen Privatisierung die serbischen Gesetze beachten."
Was heißt das konkret?
Wenn neun von zehn Betrieben nicht rentabel sind, stellt sich die
Frage, warum sie nicht neun Betriebe zumachen und mit einem arbeiten. In
Wirklichkeit arbeiten sie überhaupt nicht, sondern die Steuerzahler aus
dem Westen haben die UNMIK- Struktur zu bezahlen. Diese fabriziert
"Einschätzungen". Die UNMIK sagt, sie hätte bereits 500 Mio. Euro in die
Entwicklung der Energieversorgung Kosovas investiert. Die Leute in
Kosova verstehen diese Behauptung nicht, denn sie haben normalerweise
drei Stunden Strom und drei Stunden keinen Strom. Im Juli 1999, als die
UNMIK noch keine komplette Vollmacht hatte, hatten wir 24 Stunden am Tag
Strom. Wenn sie wirklich 500 Mio. investiert hätten, müßte es doch den
ganzen Tag Strom geben. Ich glaube nicht an diese Investition. Wenn er
meint, man müßte die Industrie nach den serbischen Gesetzen handhaben,
muß ich bei allem Respekt für Herrn Voss sagen, es wäre besser für ihn,
wenn er Kosova verlassen würde. In Kosova sollte die Industrie mit den
internationalen rechtlichen Normen behandelt werden, damit es keine
Möglichkeiten für Serbien mehr gibt, eine wirtschaftliche Tätigkeit in
Kosova zu behindern.
Herr Voss wurde in der Presse auch in dem Sinn zitiert, dass Sie
Probleme hätten mit der Privatisierung, denn sobald Sie einen Betrieb
als interessant einschätzen, präsentiert Belgrad eine Person oder eine
Personengruppe, die den Betrieb angeblich in der Periode Milosevic
privat erworben hat. Wie lange soll das noch so weitergehen?
In Kosova war bis 1989 kein kapitalistisches System. Die Betriebe waren
nicht im Privateigentum. Wenn Herr Milosevic und seine Bande 1989 etwas
verkauft haben, so war dies einfach illegal. Besonders nachdem sie die
Autonomie Kosovas 1989 aufhoben. Die Wahrheit ist, Kosova ist kein
Bestandteil Serbiens, in Kosova haben wir früher alles selbst
erarbeitet, alles was existiert, gehört dem Volk von Kosova. Kosova hat
gegenüber niemandem Schulden, schon gar nicht gegenüber Serbien. Im
Gegenteil, Serbien hat gegenüber Kosova Schulden. Ich will Ihnen ein
Beispiel nennen. Alle Ersparnisse der Albaner landeten früher auf den
Konten der Yugo-Bank. Die Gelder sind in dieser Bank geblieben. Damit
eignete sich der serbische Staat Milliarden Mark der arbeitenden
kosovarischen Bevölkerung an. Alle Versicherungsbeiträge sind in den
Händen des jugoslawischen Staates geblieben. Alle Rentenbeiträge, die
die Kosovaren bezahlt haben, befinden sich in der Hand des
jugoslawischen Staates. Wenn ein "Inhaber" eines Betriebes in Kosova
sich meldet, , dann soll er, so unser Vorschlag, zunächst einmal die
Renten für die Pensionisten, die in den Betrieben gearbeitet haben,
bezahlen. Momentan sieht es so aus, dass z.B. in Trepca 3.000 ehemalige
Arbeiter des Kombinats, die in Rente sind, 20 Euro Rente im Monat
bekommen. Schauen Sie, aus Trepca wurde sehr viel Gold herausgeholt.
Wenn es da einen Inhaber gibt, dann soll er diesen Rentnern eine
anständige Pension bezahlen. Und dann soll er die von Milosevic
entlassenen Arbeiter für die letzten zehn Jahre bezahlen. Und dann
können wir darüber diskutieren, ob er Eigentümer ist oder nicht. Es gibt
noch einen anderen ökonomischen Faktor. Der serbische schwarze Markt
schafft eine Unmenge an Benzin und Drogen über die offene Grenze nach
Kosova. Die Drogen kommen tatsächlich aus Serbien, denn in Kosova sind
40.000 internationale Soldaten stationiert, ein großer
Verwaltungsapparat der UNMIK, aber nirgendwo konnte in Kosova ein
eigenständiges Zentrum für den Handel mit solchen Stoffen entdeckt
werden. Das Zeug kommt aus Serbien, ohne dass sich die KFOR an den
Kontrollpunkten darum schert. Man könnte verstehen, dass man Drogen in
einem Koffer oder einem Versteck übersehen kann, aber nicht ganze
Tanklastwagen mit illegalem Benzin. Die Verantwortung für die
wirtschaftliche Misere liegt bei der UNMIK. Das ist wie in einer
Familie: wenn ein patriarchaler Vater vollmundig seine Herrschaft
bekundet, kann man nicht den kleinen Jungen für die Handlungen des
Familienoberhauptes zur Rechenschaft ziehen. Die Menschen in Kosova
trauen im Gegensatz zur Zeit vor vier Jahren der UNMIK- Verwaltung nicht
mehr über den Weg. Gerade nicht in wirtschaftlichen Fragen, denn die
Lage wird nicht besser, sondern schlechter.