Von Karl Pfeifer
Prof. Lothar Höbelt, der an der Wiener Universität Geschichte lehrt,
ist ein beliebter Gesprächspartner seriöser Medien. Auch der liberale
"Standard" hat ihn schon zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, denn wir
leben ja in einem Land, in dem niemand "ausgegrenzt" werden darf, der
nicht von einem ordentlichen Gericht verurteilt wurde und in dem man
insbesondere diejenigen schätzt, die das, was der Stammtisch schon lange
genug sagt, gewählt ausdrücken können.
Und so schreibt Dr. Höbelt jede Woche seinen Kommentar in der Wiener
Wochenzeitung "Zur Zeit". Diese Woche geht es um die
Historikerkommission, die beauftragt wurde, zu untersuchen, wie das von
den Alliierten 1945 befreite Österreich sich zur Entschädigung der Opfer
des Nationalsozialismus verhalten hat. Die Historikerkommission hat
14.000 Seiten in das Internet gesetzt und wenigstens ein Teil davon soll
von einem deutschen Verlag publiziert werden. Dr. Höbelts leitet (Zur
Zeit, 14.3.03) ein: "Die berühmt-berüchtigte Historikerkommission in
Sachen Vermögenstransfers nach 1938 hat ihre Arbeit beendet und ihren
Bericht abgeliefert."
Er erklärt dann mit keinem Wort, weswegen er der Historikerkommission,
an deren Arbeit er nichts auszusetzen hat, nachsagt sie sei
"berüchtigt". Götz Aly und Susanne Heim leiten das Kapitel "Modell Wien"
in ihrem Buch "Vordenker der Vernichtung" mit diesen Sätzen ein: "Bei
der "Entjudung der Wirtschaft" arbeiteten Verfechter
nationalsozialistischer Rassenideologie mit eher pragmatisch
orientierten Fachleuten zusammen. Gemeinsame Erfahrungen hatten sie in
Wien gesammelt. Als Beauftragter für den Vierjahresplan hatte Göring am
28. März 1938 für das annektierte Österreich angeordnet, "in aller Ruhe
Maßnahmen zur sachgemäßen Umleitung der jüdischen Wirtschaft zu
treffen". Die Betonung lag auf den Wörtern "Ruhe" und "sachgemäß" und
war gegen österreichische Nazis und Antisemiten gerichtet, die sich im
Durcheinander des "Anschlusses" rasch bereichern wollten."
Halten wir fest, der Nazi Göring sprach von der "Umleitung der
jüdischen Wirtschaft", der Wiener Universitätsprofessor Höbelt spricht
von "Vermögenstransfers nach 1938", womit er elegant eine Straftat, die
aber in Österreich bis heute von vielen nicht als solche angesehen wird,
umschreibt, um vielleicht so seine Sympathie mit jenen Landsleuten
auszudrücken, die bevor sie den Massenmord an Juden begingen, die Juden
beraubten.
Und dann kommt das Lieblingsargument aller Geschichtsrevisionisten:
"...dass Unrecht nur dann verfolgt würde, wenn Deutsche als Täter in
Betracht kommen und nicht auch, wenn Deutsche offenkundig die Opfer
waren". Österreich, das kann man wohl sagen, hat diejenigen, die diesen
Raubzug besorgt haben, fast gar nicht bestraft. Und die Hauptsorge der
Zweiten Republik war, wie es der sozialistische und antisemitische
langjährige Innenminister Oskar Helmer ausdrückte, die Entschädigung der
Opfer "in die Länge zu ziehen". Wo es ging schützte man die Räuber, die
man hier nicht "Vermögenstransferierer" sondern "Ariseure" nennt.
Freilich Dr. Höbelt drückt österreichischen Konsens aus, wenn er nun -
wie das schon die Medien seit geraumer Zeit tun - das Lied von den
Deutschen als Opfer anstimmt. "Deutsche Opfer" wären aber ohne
Nationalsozialismus undenkbar gewesen. Höbelt und seine
"Gesinnungsgemeinschaft" lassen immer wieder den historischen Kontext
verschwinden, insbesondere die Zusammenhänge zwischen deutscher
Volkstums- und Vernichtungspolitik auf der einen und Umsiedlung und zum
Teil auch Vertreibung der Deutschen als Konsequenz dieser Politik auf
der anderen Seite sollen vergessen gemacht werden. Diese Beziehung
wurden aber von den oben erwähnten Autoren nachgewiesen.
Die Umsiedlung der Deutschen erfolgte in Konsequenz auf den
Nationalsozialismus. Sie wurde in dem bis heute gültigen Potsdamer
Abkommen (Artikel XIII) völkerrechtlich verbindlich festgelegt. Trotz
allen individuellen Leids und aller individuellen Ungerechtigkeit war
die Umsiedlung der Deutschen die Konsequenz der NS-Politik. Und das gilt
auch für die deutschsprachigen Minderheiten, aus deren Mitte die Nazi
soziale und politische Konflikte geschürt hatten, die dann zum Beispiel
zur Zerschlagung der Tschechoslowakei geführt haben.
Dr. Höbelt vollbringt mit seinem sprachlichen Trick "Vermögenstransfers
nach 1938" eine semantische Umkehrung der Realität. Um so wichtiger wäre
es, die wahre Geschichte dieses einmaligen Raubzuges nach 1938 der
österreichischen Jugend nahezubringen.