Arnold Schölzel
Junge Welt, 07.03.2003
Gemeinsam veröffentlichten Frankfurter Rundschau und der Berliner
Tagesspiegel am Donnerstag ihren dritten Bericht über die Zahl der
Todesopfer durch rechte Gewalt in der Bundesrepublik. Seit dem 3.
Oktober 1990 kamen danach 99 Menschen laut Feststellungen von Polizei
und Justiz sowie eigenen Recherchen eindeutig durch Gewalttaten
politisch motivierter Täter ums Leben. Die Zahl liege wahrscheinlich
höher, möglicherweise seien es 120.
Seit der letzten Aktualisierung der Liste im Oktober 2001 sind sieben
Verdachtsfälle hinzugekommen. Ein Beispiel dafür: In Sulzbach (Saarland)
ersticht ein Neonazi am 9. August 2002 den 19jährigen Türken Ahmet
Sarlak. In der Wohnung des Täters werden Fahnen mit Nazisymbolen
gefunden. Das Landgericht Saarbrücken verhängt sechs Jahre Haft, im
Urteil heißt es: "Was den Angeklagten zu seiner Tat veranlaßt hat, weiß
nur er selbst." Diesen und weitere sechs Fälle verzeichnen die beiden
Zeitungen unter: "rechtes Tatmotiv wahrscheinlich".
Dazu zählen sie den Tod von Kajrat Batisow in Wittstock, auf den
einschlägig bekannte Fremdenhasser am 4. Mai 2002 einen 18-Kilo-Stein
warfen, oder den von Hartmut Balzke, der von z. T. wegen rechter Delikte
Vorbestraften am 25. Januar 2003 in Erfurt tätlich angegriffen wurde und
zwei Tage später starb. Verdachtsfälle dieser Art besagen: Die Anzahl
der Todesopfer rechter Gewalt ist weit höher als in dieser Liste
angegeben. Die Bundesregierung zählt übrigens 39 Tote, die von Neonazis
seit 1990 zu Tode gequält, geprügelt oder getreten wurden. Dieser
Zählung folgen Länder, Polizei und Justiz gern.