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Schüssels Salte:
ÖVP holt FPÖ wieder in die Regierung

Werner Pirker
Junge Welt, 01.03.2003

Dem österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil ist es nicht erspart geblieben, zum zweiten Mal eine ÖVP-FPÖ-Regierung angeloben zu müssen. Als ihm diese Pflicht zum ersten Mal auferlegt war, erfüllte er sie mit dem Ausdruck kalter Verachtung. Doch sind die Schmuddelkinder von damals etwas respektierlicher geworden. Im Januar 2002 betrat Wolfgang Schüssel die Hofburg als Kanzler von Haiders Gnaden, diesmal ist er so gnädig, die FPÖ an der Regierungspolitik partizipieren zu lassen. Er hat die Blauen domestiziert und sich völlig untertan gemacht.

Klestil hätte dennoch lieber eine Koalition aus ÖVP und SPÖ gesehen. Die machtbewusste Kronen Zeitung hatte sich ebenfalls auf Schwarz-Rot festgelegt, die Option, die auch von der Mehrheit der Wähler favorisiert worden war. Widerstände, die von den schwarzen Landeshauptmännern von Niederösterreich und Oberösterreich, Erwin Pröll und Josef Pühringer, ausgingen, waren für Schüssel ebenfalls kein Hindernis, seine Lieblingsvariante durchzuziehen. Mit der FPÖ hat er den am wenigsten anspruchsvollen Partner ausgewählt, den er am Ohrenring herumzuführen hofft und an den er kaum Macht abzugeben braucht.

Die Erhöhung des Rentenantrittsalters, die Abschaffung der Frührenten, Selbstbehalt im Gesundheitswesen, die Abwicklung von nationalem Eigentum, einschließlich der Privatisierung von Bahn und Post, die Anschaffung von Abfangjägern, der endgültige Ausstieg aus der Neutralität sind "Reform"brocken, die von der SPÖ nicht ohne Gesichtsverlust hätten mitgetragen werden können. Obwohl, wie das Beispiel Deutschland zeigt, auch Sozialdemokraten für jedes neoliberale Abenteuer zu haben sind. Dass die ÖVP-Verhandler zudem nicht besonders verhandlungsbereit waren und ihrem Gegenüber nicht einmal bescheidenste Möglichkeiten, eigene Akzente zu setzen, einräumen wollten, tat sein übriges.

Die schwarz-blaue Neuauflage wird noch unpopulärer sein als ihr Original. Dass Schüssel die Turbulenzen bei der FPÖ nutzte, um Neuwahlen auszuschreiben, um dann die Republik wieder in den Zustand zurückzuversetzen, in der sie sich vor seinem spektakulären "Befreiungsschlag" befand, wird ihm vom Wählervolk sehr übel genommen. Dass das schwarz-blaue "Reformprogramm" die soziale Situation weiter verschärfen wird und es keine ausgemachte Sache ist, dass die Bevölkerung bei den nächsten Wahlen wieder in sozialer Unterwürfigkeit abstimmt, lässt ahnen, dass der "Napoleon" aus dem Wiener Nobelviertel Hietzing seinen Zenit bereits überschritten hat. Und dass auch diese Regierung immer wieder von blauen Neurosen heimgesucht werden wird, kann als sicher angenommen werden. Die Donnerstagsdemonstranten aber sollten wissen: Der Faschismus steht auch diesmal nicht vor der Tür.

hagalil.com 02-03-03

 


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