Ulla Jelpke
Junge Welt, 01.03.2003
Am 18.März wird das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich die
Verbotsanträge gegen die NPD zurückweisen. Die zentrale Frage wird sein,
wie das Gericht die Tätigkeit von V-Leuten in der NPD bewerten wird.
In der Zentralen Dienstvorschrift des Bundesamtes für Verfassungsschutz
"Beschaffung" für die Aufgabenerteilung an V-Leute heißt es: "Die
Aufträge an den VM (V-Mann) dürfen nicht weitergehen als die Befugnisse
der Verfassungsschutzbehörde. Der VM hat Informationen nur entsprechend
seinem Auftrag zu beschaffen. Er darf weder die Zielsetzung noch die
Aktivitäten eines Beobachtungsobjektes entscheidend bestimmen."
Die entsprechende Vorschrift in Bayern lautet: "die Auftragserteilung
darf nicht dazu führen, dass der geheime Mitarbeiter Zielsetzung bzw.
Tätigkeit des Beobachtungsobjektes maßgeblich bestimmt". Und zum Thema
Straftaten: "Sie sind allerdings, um nicht aufzufallen, nicht selten
gezwungen, bei Straftaten, die von der Organisation oder deren
Mitgliedern begangen werden, nicht zu widersprechen."
Im Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes heißt es: "Dabei darf
weder auf die Gründung einer strafbaren Vereinigung hingewirkt noch eine
steuernde Einflussnahme auf sie ausgeübt werden." Erlaubt aber sind
V-Leuten Straftaten innerhalb einer verfassungswidrigen Partei, zum
Beispiel: Verstoß gegen das Vereinigungsverbot, Verbreitung von
Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Verwendung von
Kennzeichen solcher Organisationen, landesverräterische und
geheimdienstliche Agententätigkeit, Mitarbeit in einer terroristischen
Vereinigung und Urkundenfälschung.
All das dürfen V-Leute. Schon allein deshalb ist es kein Wunder, dass
sich Mitglieder der NPD reihenweise bereit fanden, für den
Verfassungsschutz Spitzeldienste zu leisten. Auf diese Weise verschaffen
sie sich nicht nur für viele ihrer Straftaten sozusagen "von Amts wegen"
Straffreiheit, sondern auch interessante Einblicke in die Arbeit der
Dienste und Geld für sich und ihre Partei. Auf der anderen Seite werden
in den Richtlinien Straftaten verboten, wie zum Beispiel jede
Beleidigung, Gewalt gegen Personen und Sachen, Volksverhetzung,
antisemitische Hetze, Leugnung des Holocausts, Mitwirkung bei der
Verbreitung von CDs, in denen zu Mord und Totschlag an Personen des
öffentlichen Lebens aufgerufen wird. Und sie verbieten ausdrücklich jede
steuernde Einflussnahme auf die beobachtete Partei oder Organisation.
All das aber haben V-Leute des Verfassungsschutzes in den vergangenen
Jahren immer wieder gemacht. Die Liste der schweren Straftaten, an denen
V-Leute in den letzten Jahren entgegen allen "Dienstvorschriften"
beteiligt waren, ist lang. Mehr noch: V-Leute wie Wolfgang Frenz oder
Udo Holtmann haben die NPD und ihr neonazistisches Umfeld über viele
Jahre mit aufgebaut und an führender Stelle geleitet. In jeder Übersicht
antisemitischer Hetzschriften der NPD würde der jahrzehntelange V-Mann
Frenz an führender Stelle stehen.
Die ausländerfeindlichen, rassistischen Machwerke der NPD, angefangen
vom Zentralorgan Deutsche Stimme bis hin zu zahllosen Plakaten und
Einzelveröffentlichungen, zeichnete jahrelang der V-Mann Holtmann als
presserechtlich Verantwortlicher. Mindestens 30 V-Leute der Länder und
des Bundes saßen nach offiziellen Angaben bei der NPD in
Landesvorständen oder sogar in deren Bundesvorstand. Mit dem Verbot
"steuernder Einflussnahme" ist die Arbeit dieser und anderer V-Leute
unvereinbar. Sollte das Verbot scheitern, wäre dies ein Sieg für die
neofaschistische NPD und eine erbärmliche politische Niederlage für
Innenminister Otto Schily und seine Bundesregierung.