Antikriegsaktionen werden von
Rechtsextremisten vereinnahmt:
Rechter Friedenswille
Von Heike Kleffner
BERLIN taz
Den Aufwind, den die extreme Rechte durch das gescheiterte
NPD-Verbotsverfahren erhalten hat, bekommt derzeit die Friedensbewegung
zu spüren. Und im Osten Deutschlands haben nichtrechte Kriegsgegner und
die PDS oft keine Ahnung, wie sie mit dem rechtsextremistischen
Friedenswillen umgehen sollen.
In Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern
haben Friedensdemonstranten mit teils massiven Vereinnahmungs- und
Unterwanderungsversuchen von Neonazis zu tun, hat Manfred Stenner,
Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative, festgestellt. Stenner
sieht ein Ost-West-Gefälle. "In den alten Bundesländern bleibt es oft
bei Ankündigungen der NPD zur Teilnahme an Friedensaktionen, um
Medienaufmerksamkeit zu gewinnen."
Von einer Mischung aus "Ignoranz" und "Hilflosigkeit" spricht
Matthias Gärtner, Landtagsabgeordneter der PDS in Sachsen-Anhalt, wenn
er den Umgang mancher Friedensaktivisten mit der extremen Rechten
beschreibt. In Halle und Magdeburg etwa konnten militante Freie
Kameradschaften mehrfach an Antikriegsdemonstrationen teilnehmen.
Verärgert bilanziert der PDS-Innenpolitiker, dass innerhalb
der eigenen Partei oftmals argumentiert werde, "gegen den Krieg brauchen
wir jeden" und bekennende Neonazis als "die Jungs von nebenan"
verharmlost würden. "Bei vielen scheint der Aufstand der Anständigen
schlicht in Vergessenheit geraten zu sein."
Eine Erfahrung, die auch Günther Hoffmann vom Bündnis "Bunt
statt Braun" in Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) machen musste. Dort
sahen sich am 1. März rund 300 Friedensaktivisten mit 100 Rechtsextremen
der "Pommerschen Aktionsfront" konfrontiert. "Die Neonazis hatten das
völlig konspirativ organisiert", erinnert sich Hoffmann. Angesichts der
"rechten Alltagshegemonie" in Nordvorpommern verwundere es allerdings
auch nicht, dass die Rechten an diesem Tag auf der Straße präsent waren.
Hoffmans Hauptproblem: "Funktionäre und Mitglieder der großen
Volksparteien haben oft wenig Berührungsängste, wenn sich Rechtsextreme
den Friedensdemonstrationen anschließen."
Den "mancherorts sehr starken und plumpen Antiamerikanismus
der PDS-Parteibasis" sieht Elke Breitenbach, PDS-Abgeordnete in Berlin,
als einen Anknüpfungspunkt nach Rechts, wo Kritik an den USA und Kritik
an Israel in völkisch-antisemitische Propaganda umschlägt. Gemeinsam mit
anderen "Reformlinken" will Breitenbach daher beim PDS-Sonderparteitag
am 4. April dafür sorgen, "dass sich die Partei in der Frage des
Antiamerikanismus eindeutig positioniert".
Neben Versuchen, sich die Friedensbewegung nutzbar zu machen,
planen Neonazis aber auch eigene Aktivitäten zum Irakkrieg. So wollen
die militanten Freien Kameradschaften um den Hamburger Neonazi Christian
Worch an diesem Wochenende eine Kundgebung vor dem US-Stützpunkt in
Hanau durchführen.
Manfred Stenner vom Netzwerk Friedenskooperative erteilt
jeglichen Bündnissen mit Neonazis eine klare Absage. "Wir können nicht
Hand in Hand mit denen demonstrieren." Stenner rät daher dringend zu
"einem offensiven Umgang". So böte beispielsweise das Versammlungsgesetz
die Möglichkeit, unerwünschte Teilnehmergruppen von öffentlichen
Veranstaltungen fernzuhalten. "Am besten kündigt man gleich auf den
Flugblättern an, dass Neonazis unerwünscht sind." Zudem könne man die
Polizei bitten, die Rechten zu entfernen. "Das ist auf jeden Fall
besser, als Rechtsextremisten mitlaufen zu lassen."
Entscheidend sei aber auch eine politische Abgrenzung. "Auf
unseren Demonstrationen dürfen nationalistische Ansichten,
antisemitische Untertöne und ein Antiamerikanismus, der sich gegen die
Bevölkerung der USA richtet, keinen Platz haben", appelliert Stenner an
die Friedensbewegung.
taz muss sein: Was ist Ihnen die Internetausgabe
der taz wert? Sie helfen uns, wenn Sie diesen Betrag überweisen auf:
taz-Verlag Berlin, Postbank Berlin (BLZ 100 100 10), Konto-Nr. 39316-106
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags