Von Karl Pfeifer
Der Wiener Philosoph Rudolf Burger gab der Zürcher Zeitung "Das
Magazin" ein Interview, das "Die Presse" am 8.3.03 nachdruckte. Burger
weiß was die Leute hören wollen. Einfache Erklärungen für komplizierte
Sachverhalte. Wenn ein Professor, die nicht erst seit heute bestehenden
Vorurteile über Juden, die in den Vereinigten Staaten von Amerika die
wirkliche Macht ausüben, bestätigt, dann kann er mit breiter Zustimmung
rechnen.
Burger meint: "Und in jüngster Zeit ist in den USA die Israel-Lobby
sehr mächtig geworden, die politisch von den moralischen Zinsen des
Holocaustkapitals lebt."
In diesem Satz gelingt es ihm einige der oft gebrauchten antijüdischen
Stereotypen einzubringen. Die Juden in den Vereinten Staaten werden als
Feind markiert. Sie sind mächtig und wenn sie früher gegen Zinsen Geld
verliehen haben, so profitieren sie heute vom Holocaust. Die Juden sind
so schamlos und gierig, dass sie sogar den Holocaust noch ausbeuten, um
sich Vorteile zu sichern.
Der Philosoph mixt dann ein wenig historischen Materialismus mit
Unterstellungen: "Besonders in der republikanischen Partei, wo sich
neben den fundamentalistischen evangelischen Christen auch immer mehr
reaktionäre Juden engagieren. Und dass diese Kreise die Positionen der
rechten Likud in Israel vertreten, liegt auf der Hand. Wir haben es also
mit einer einmaligen Interessenskoalition im amerikanischen
Regierungsapparat zu tun: der Öllobby, der jüdischen Lobby, die heute
vor allem im Pentagon eine große Rolle spielt, und den
fundamentalistischen Evangelikalen am rechten Flügel der Republikaner,
die im Grunde antisemitisch, aber zionistisch sind. Erst ihre Konvergenz
erklärt die ansonsten irrwitzig erscheinende Irakpolitik der USA."
Die Idee, dass die USA Israel aus verschiedenen Gründen unterstützen,
würde den allgemeinen Vorurteilen widersprechen, daher tischt der
"Denker" dieses Amalgam auf.
Doch so unsinnig das dem philosophischen Herrn Karl auch scheinen mag,
die USA unterstützen Israel u.a. auch deshalb, weil es die einzige
Demokratie im Nahen Osten und ein strategischer Alliierter ist. Man
unterschätze auch nicht den Abscheu, den Selbstmordterror in einem Land
auslöst, dass diesen ebenfalls schmerzlich erlitten hat. Sicher spielt
es auch eine Rolle, dass es eine einflußreiche Israel-Lobby gibt. Die
krause Verschwörungstheorie, die wir auf Hunderten Seiten seit Jahren in
den verschiedenen rechts- und linksextremen websites finden können,
verkauft Burger als "eine nüchterne Analyse einer
Interessenkonstellation". Und er mimt den Helden, "auch wenn man sich
dabei dem Vorwurf des Antisemitismus aussetzt", als ob impliziter
Antisemitismus nicht bei breiten Schichten der Bevölkerung Zustimmung
auslösen würde.
Burger weiter: "Dieser Vorwurf ist selbst, wie der geistesverwandte des
"Antiamerikanismus", ein Element der ideologischen Kriegsführung, der
ein Argument moralisch diskreditieren soll. In der Sache ist er
bedeutungslos." D.h. Antisemitismus ist eine Einbildung der Juden und
Antiamerikanismus eine der Amerikaner.
Es folgen Burgers Phantasien, was er tun würde, wenn er israelischer
Generalstabsoffizier wäre. Auch hier bringt er nichts Neues. Ein Blick
ins Internet und wieder finden wir hunderte Seiten, insbesondere
arabische und rechtsextremistische, die einem Land, in dem die arabische
Bevölkerung sich binnen 50 Jahre um 700% vermehrte - unterstellen, eine
"ethnische Säuberung" betreiben zu wollen.
Alle diese Vernichtungsphantasien dienen nur dazu, um vom Holocaust und
vom Raubzug der damit verbunden war, abzulenken. Die Nachkommen der
Räuber und Mörder profitieren - wie das der Historikerbericht zeigt -
bis heute von den unmoralischen Zinsen, des Kapitals, das sie aus dem
Holocaust geschlagen haben. All dies spielt aber in der österreichischen
Öffentlichkeit kaum eine Rolle. Die Feinde, in erster Linie die
"Israel-Lobby", "die reaktionären Juden", dann aber auch "die
Ölkonzerne" sowie "die fundamentalistischen Evangelikalen am rechten
Flügel der Republikaner" müssen herhalten, um zu erklären, wer schuld
trägt an einem kommenden Krieg. Diese simple Erklärung hat auch den
Vorteil, bei national und bei sozial eingestellten Menschen auf
Zustimmung zu stoßen. Alles schon dagewesen.
"Das Kriegsziel der Weltplutokratie"
Unter dem Titel "Germany must perish" erschien Anfang 1941 in New York
ein Buch, in der die Aufteilung Deutschlands unter seinen Nachbarn und
die Sterilisierung der Deutschen propagiert wurde. Verfasser, Verleger
und Vertreiber war der unbekannte Theodore N. Kaufman. Die Nazi machten
aus dem Verfasser einer engen Mitarbeiter des US-Präsidenten Roosevelts
und "Präsidenten der amerikanischen Friedensgesellschaft".
Der Zentral Verlag der NSDAP, Frz. Eher Nachf. GmbH gab 1941 in
Massenauflage die vom Nazipropagandisten Wolfgang Diewerge verfaßte
Broschüre "Das Kriegsziel der Weltplutokratie" heraus, der aus dem
unbekannten Kaufman einen "Sprecher der Weltplutokratie" machte.
Diewerge verlegte das Erscheinen der Kaufman-Buches, das Anfang 1941
herausgekommen war, in die unmittelbare Nähe des Treffens Churchills mit
Roosevelt vor der Küste Neufundlands im August 1941, auf dem die
Atlantik-Charta formuliert wurde. Diewerge bezeichnete Kaufman als einen
"der geistigen Urheber der Zusammenkunft zwischen Rosevelt und
Churchill". Gleichzeitig steigerte der Propagandaapparat seine Polemik
gegen Roosevelt, der als Handlanger jüdischer und freimaurerischer
Kreise bezeichnet wurde.
Der allgemeine Tenor der Propaganda bestand demnach darin, die
Radikalisierung der Judenverfolgung im deutschen Machtbereich als eine
Abwehrmaßnahme gegen den angeblich jüdisch-amerikanischen Angriff
darzustellen. Die Broschüre des Diewerge diente dazu die eigenen
Ausrottungspläne zur rechtfertigen:
"Die Ausmerzung der Juden aus dem deutschen Volkskörper hat dem
deutschen Volk den Frieden gegeben. Ebenso ist es mit Europa. Dort ist
Frankreich das warnendste Beispiel. Es ist heute unbestritten, daß die
Franzosen gegen ihren Willen und gegen ihre Interessen von einer
jüdischen Clique in diesen Krieg gehetzt wurden."
Die Nazi benützten die Broschüre, um die Schuld am Völkermord den
Opfern zuzuweisen. Ein wichtiger Bestandteil der rechtsextremistischen
Propaganda ist der Kaufman-Plan, der 1977 erstmals in deutscher
Übersetzung erschien. (siehe Wolfgang Benz: Judenvernichtung aus
Notwehr? Die Legenden um Theodore N. Kaufman. In: Viertelsjahrshefte für
Zeitgeschichte 29 (1981), Seite 615-630)
PS: "Die Presse" veröffentlicht (11.3.03) "Ach, Burger!" von Bernd
Schilcher, der sich mit dem im Interview ausgedrückten "Irrwitz" des
Philosophen Burger auseinandersetzt und seine Betrachtung so schließt:
"So ist das also. Wahrscheinlich hätte das auch der andere Burger, Sie
wissen schon, der von der ehemaligen NDP auch so gesehen, nur - so klug
sagen hätte er das nicht können. Schließlich ist er ja auch kein
Philosoph gewesen."