Jahresstatistik 2002:
Täglich mehr als zwei Taten
Brandenburgs Innenminister
präsentiert korrigierte Zahlen über rechte Straftaten. Der Trend: nach
wie vor steigend. Verein Opferperspektive fordert, Initiativen gegen
rechts nicht alleine zu lassen
Von Heike Kleffner
Es war kein schöner Tag für Jörg
Schönbohm: Gestern präsentierte Brandenburgs CDU-Innenminister die
Jahresstatistik 2002 für politisch motivierte Straftaten in Brandenburg.
Einen Anstieg von über 8 Prozent verzeichneten die Behörden bei der
Anzahl der Delikte mit rechtem Hintergrund - insgesamt waren es 983. Die
meisten seien dem Propagandabereich zuzuordnen, so Schönbohm. Lediglich
im Bereich der Gewalttaten meint der Innenminister einen Rückgang zu
erkennen. Die Sicherheitsbehörden meldeten im Vergleich zum Vorjahr
einen Rückgang rechter Angriffe um 6 auf 81. "Der gewaltbereite
Rechtsextremismus ist weiterhin die gesellschaftliche Herausforderung
Nummer eins", so Schönbohm.
Dabei scheint gerade im Bereich rassistisch
und rechtsextrem motivierter Gewalttaten eine endgültige Bewertung noch
gar nicht möglich. Beispielsweise taucht der Mord an Marinus Sch. in
Potzlow bislang nicht in Schönbohms Statistik auf. Die drei mutmaßlichen
Täter - allesamt als Mitglieder der rechten Szene gerichtsbekannt -
hatten bei ihren Vernehmungen angegeben, dass Marinus Sch. sterben
musste, weil ihnen die HipHopper-Hose des 16-Jährigen nicht gepasst
habe. Auch der mutmaßlich rassistisch motivierte Mord an dem
Russlanddeutschen Kajrat B. in Wittstock wird bislang nicht in der
Statistik registriert. In beiden Fällen würden die politischen
Hintergründe noch geprüft, erklärte Schönbohm.
Dass das Brandenburger Innenministerium
überhaupt 81 rechtsextreme Gewalttaten in seiner offiziellen Statistik
erfasst, liegt unter anderem an dem Verein "Opferperspektive". Der
Verein hatte zu Jahresbeginn eine eigene Statistik veröffentlicht und
106 rechtsextrem motivierte Gewalttaten für das Jahr 2002 aufgelistet. 8
Vorfälle auf dieser Liste, die nach Polizeiangaben nicht angezeigt
worden waren, sind nun auch in die offizielle Statistik aufgenommen
worden. 9 weitere Fälle würden derzeit noch überprüft, heißt es im
Ministerium.
"Es gibt keinen Grund zur Entwarnung", sagte
Kay Wendel von der Opferperspektive. Eine Zunahme rechter Gewalt
registriere der Verein derzeit in Potsdam, wo Asylsuchende mehrfach
Opfer rechter Gewalt wurden. Besorgniserregend seien auch die
zunehmenden Angriffe auf alternative Jugendliche in Cottbus, Vetschau
und Guben. "Angesichts der offiziellen Statistiken ist es fahrlässig,
wenn jetzt das Civitas-Bundesprogramm gegen rechts zurückgefahren werden
soll", so Wendel.
taz muss sein: Was ist
Ihnen die Internetausgabe der taz wert? Sie helfen uns, wenn Sie diesen
Betrag überweisen auf: taz-Verlag Berlin, Postbank Berlin (BLZ 100 100
10), Konto-Nr. 39316-106
Für Österreich: TAZ Verlags- und Vertriebs GmbH, Konto-Nr.: 92.134.506,
Österr. Postsparkasse (P.S.K.)
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
hagalil.com
02-02-03 |