Ausstellung in Greifswald zur Geschichte von Alt
Rehse, Prora und Peenemünde während der Nazizeit
Franz Dieffenbach
Junge Welt, 12.02.2003
Erst seit 1990 wurden sie wieder für die interessierte
Öffentlichkeit wahrnehmbar: Die drei großen in Mecklenburg- Vorpommern
liegenden Erinnerungsorte aus der Zeit des Hitlerregimes. Die frühere
"Reichsärzteschule" in Alt Rehse bei Neubrandenburg, das "KdF-Seebad der
20000" in Prora auf Rügen und die "Heeresversuchsanstalt Peenemünde" auf
Usedom sind heute vor allem Orte der Erinnerung an die Zeit des
deutschen Faschismus. Alle drei Standorte waren bis 1990 praktisch aus
dem kollektiven Gedächtnis verschwunden.
Sie beherbergten militärische Anlagen der NVA und waren somit nicht
öffentlich zugänglich. An Konzepten zum Umgang mit dem historischen Erbe
fehlt es heute nicht, häufig aber am nötigen Geld, gerade im besonders
strukturschwachen Nordosten. Gleichwohl bemühen sich Fördervereine seit
Jahren, in den Nazibauten, die teilweise dem Bund gehören,
Dokumentationsstellen oder Museen einzurichten.
Am 7. Februar eröffnete die Vorsitzende des Fördervereins Prora-Zentrum
e.V., Rügens Landrätin Kerstin Kassner (PDS) eine mit finanzieller
Unterstützung der "Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung"
möglich gewordene Ausstellung zur Geschichte der drei "Erinnerungsorte
Mare Balticum". Kassners Verein konzipierte die Dokumentation gemeinsam
mit dem Förderverein Erinnerungs-, Bildungs und Begegnungsstätte Alt
Rehse e.V., dem Museum Peenemünde und dem Verein Politische Memoriale.
Die schwierige Hinterlassenschaft in Prora und anderswo müsse sich, so
Kassner, in die "Komplexität der Gedenkstätten" in
Mecklenburg-Vorpommern einordnen und die bereits geleistete Forschungs-
und Bildungsarbeit in den KZ-Gedenkstätten berücksichtigen.
Im Mittelpunkt der von dem Architekturhistoriker Rainer Stommer vom
Prora-Zentrum zusammengestellten Ausstellung stehen historische
Informationen über die einzelnen Orte. Gezeigt werden Dokumente,
historische Fotos, Pläne und einzelne authentische Exponate zur Bau- und
Nutzungsgeschichte. Außerdem werden die aktuellen Probleme der
Gedenkstättenarbeit und der einzelnen Liegenschaften thematisiert.
Darüber hinaus vermitteln Fotografien von Peter Teichmann und Franz
Zadnicek eine Vorstellung von den derzeitigen Gegebenheiten vor Ort. Sie
zeigen historische Gebäudeteile, ehemalige Unterkünfte von NVA-Soldaten,
Überreste von Panzern, Ruinenteile, Naturimpressionen und
Architekturstudien.
Das gerade in Greifswald eröffnete Alfried-Krupp- Wissenschaftskolleg,
in dessen Räumen die Ausstellung gezeigt wird, will, so sein Direktor
Bernd Hennigsen, zukünftig die Zusammenarbeit der Universitäten des
Landes auf dem Gebiet der Forschung über die Nazizeit und der
»Erinnerungskultur« unterstützen. Geplant sei unter anderem ein
internationales Symposium zum Gegenstand der Exposition.
* Ausstellung "Nicht nur Prora ... Erinnerungsorte Mare Balticum: Alt
Rehse - Prora - Peenemünde" in Greifswald,
Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg, Martin-Luther-Str. 14. Montag bis
Freitag, 11 bis 16 Uhr, Eintritt frei. Bis 28. März