Von Karl Pfeifer
Von Haider bis Schüssel und von Gusenbauer bis Van der Bellen hören
wir den Ruf: Es darf kein Ausgrenzen geben. Und obwohl die Wahlen eine
klare Mehrheit für die Rechten ergeben haben, hat Thomas Klestil den
Bundeskanzler gebeten doch mit allen Parteien zu verhandeln. Damit wird
in erster Linie dem Wähler vermittelt, dass er nur eine Partei aber
keine neue Politik wählen kann. Es ist ein seltsamer Zustand der
politischen Promiskuität entstanden, in dem jeder mit jedem kann.
In dieser Lage gibt es auch keine politische Hygiene mehr und der sich
als "links" gebende Caspar Einem (SPÖ) und der grüne EU-Abgeordnete
Johannes Voggenhuber stehen der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit"
(Nr.51-52/02) als Interviewpartner zum Thema EU-Erweiterung zur
Verfügung. In der gleichen Ausgabe dieser Zeitschrift, in der
gelegentlich antisemitische und rassistische Texte und Karikaturen
erscheinen, wird auch über Werte diskutiert.
Der katholische Rechtsausleger Friedrich Romig greift den "Wortschmus"
des "Fräulein Rice" (die Sicherheitsberaterin von Präsident Bush) an und
kommt zu interessanten Feststellungen über die Demokratie: "Mit
Demokratie den Terror bekämpfen, ist ganz unmöglich, sie ist selbst der
Terror! Und zwar beileibe nicht nur in der milden Form des
Gesinnungsterrors der political correctness, der ja höchstens die
Existenz kosten kann."
Der bedeutende Rechtswissenschaftler Hans Kelsen kann sich nicht mehr
wehren gegen Romigs Unterstellung, er hätte "auch die Nürnberger
Rassengesetze" als "rechtsstaatlich" qualifiziert. Doch dann kommt der
Rundumschlag gegen die Abtreibung: "Rechtsstaatlich ist heute die
straflose Tötung unschuldiger Kinder, in manchen Ländern auch der
Behinderten oder der Alten." Und der amerikanische Antisemit und
Rechtsextremist Pat Buchanan ist sein Zeuge. In den USA wurden seit 1973
"allein vierzig Millionen (!) Kinder ermordet. Ein neuer Holocaust im
Musterland der Demokratie!" Womit Romig wieder den von Deutschen und
Österreichern verübten industriellen Massenmord verharmlost und
verniedlicht.
Und es kommt ein Angriff auf die "Hochfinanz", wobei man den ZZ-Lesern
nicht explizit erklären muß, wer hinter dieser steht. "Nicht Freihandel
bringt Wohlstand, sondern vernünftige Autarkie." Und unter den
Befürwortern zitiert er auch Theodor Herzl, der sich ebenfalls nicht
mehr wehren kann. Hier dient ihm - ohne dass er dies auszusprechen wagt
- das NS-Regime als Vorbild, das bekanntlich die Idee der Autarkie
propagierte und sich als "sozialistisch" gab, das nur gegen das
"raffende Kapital" sei, nicht aber gegen das "schaffende Kapital".
Und Romig hält auch an den hier verwurzelten Volkstumsideen fest, die
es schon lange vor dem NS-Regime gab. Er fragt "was soll ein 'offenes
Volk' sein?" Wie schon die Nazi beruft sich auch Dr. Romig auf die Juden
und behauptet: "Man kann nicht dem jüdischen Volk angehören, ohne von
einer jüdischen Mutter geboren zu sein." Das stimmt natürlich nicht. Man
kann auch zum Judentum konvertieren.
Und weil es kein Risiko mit sich bringt in Österreich den Terrorismus
zu loben und zu rechtfertigen, meint Romig: "Im heiligen Krieg gegen die
westliche Dekadenz, dem "Dschihad gegen die McWorld", entscheiden sich
immer mehr kulturtragende Kräfte im Westen für den "Dschihad" und damit
gegen den Terrorismus der "Schurkenstaaten par excellence: die USA und
Israel" (Noam Chomsky). Vor Jahren war es noch die Linke, die gegen die
USA und Israel Front machte, jetzt ist es die Rechte." Und schon sieht
Romig eine Achse Paris-Berlin-Moskau im Entstehen, die "wohl bald bis
Peking verlängert" wird.