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Judentum und Israel
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Gedenken in Stade:
"Nicht die halbe Wahrheit"

Der Überlebenden des Holocaust will die Stadt Stade gedenken. Nur an die Täter möchte man nicht erinnern: Streit um einen Vortrag zur Jüdischen Kulturwoche

Von Andreas Speit

Wenn in Niedersachsen im Mai 2003 die jüdische Kulturwoche stattfindet, dann wollte sich die Stadt Stade eigentlich mit einer Veranstaltung zu der Israelischen Gartenbauschule Ahlem bei Hannover beteiligen. Denn die 1893 gegründete Einrichtung, erklärt die Kulturdezernentin Andrea Hanke, habe eine "besondere Bedeutung für die Kibbuz-Bewegung". Ein Historiker sollte einen Vortrag halten. Dann jedoch merkte Peter Meves, Vorsitzender der lokalen Deutsch-israelischen Gesellschaft (DiG) an: "Wenn schon über die Geschichte der Schule gesprochen werden soll, dann muss auch auf den noch lebenden SS-Mannes Gustav Wolters eingegangen werden." Es kam zum Eklat.

"Natürlich muss die Vergangenheit dargestellt werden", beteuert Hanke, "aber bei den Tagen soll es vor allem um die zeitgenössische Kultur Israels gehen." Meves indes meint, es könne "doch nicht nur die halbe Wahrheit erzählt werden".

Hintergrund: Von 1941 bis 1944 nutzte die Gestapo die Gartenbauschule als Sammellager für die Deportation jüdischer und jüdisch-christlicher Menschen, auch aus Stade, in die Vernichtungslager. Vor Ort im Einsatz: der damals 36-jährige Wolters. Als die amerikanischen Einheiten näher rückten, "säuberte" die Gestapo das Lager von "gefährlichen Elementen". Am 6. April 1945 führten sie 154 russische Männer und eine Frau auf einen nahe gelegenen Friedhof. Je 25 mussten sich an eine Grube stellen, bevor der Befehl "Feuer frei" kam.

Nach zweieinhalb Stunden teilte Wolters der Gestapo-Leitung das Ende der Erschießungen mit und berichtete, das die Frau erst nach mehreren Schüssen gestorben sei. Das irritierte den Schützen. Ein Gefangener nutzte die Situation und floh. Im April 1947 verurteilte ein Gericht Wolters zu 13 Jahren Haft. Wegen "guter Führung" wurde er nach dreieinhalb Jahren begnadigt.

Seit 1950 lebte Wolters in seiner Heimatstadt, wo er bis Juni 2002 ein Feinkostgeschäft führte. Neben Pralinen und Marzipan bot der Familienbetrieb Champagner und Obstbrände an. Bei der Geschäftsaufgabe schaute der Bürgermeister vorbei und sogar der Bundeskanzler schickte ein "persönliches Schreiben": Wolters hatte den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten einst in der Fußgängerzone vor seinem Geschäft kennen gelernt.

Die DiG betont, dass es ihr nicht darum gehe, Wolters in die Öffentlichkeit zu zerren. Meves hat deshalb als Kompromiss vorgeschlagen, ein anderes Thema als die Gartenbauschule für die Veranstaltung zu nehmen. Aber die Stadtregierung (CDU, FDP und "Wählergemeinschaft Stade") und die Lokalzeitung sind empört und werfen Meves vor, "Zündstoff" geliefert zu haben. Der Vortrag über die Gartenbauschule wurde abgesagt.

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hagalil.com 19-01-03

 


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