antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

 

Aus für "Patrioten-Treff":
Rechter Devotionalienladen muss schließen

Von Jens Thomas
Junge Welt, 02.01.2002

Ehringhausen – ein ganz normales hessisches Provinzstädtchen. Eine Pizzeria nahe der Hauptstraße, ein kleiner Schuhladen in knalligem Blau am anderen Ende. Doch plötzlich glaubt man seinen Augen nicht zu trauen: An einem Eckhaus ragt ein Schild mit der Aufschrift "Zutts Patrioten-Treff" meterhoch in den Farben der Reichskriegsflagge empor.

Hier betreibt die Familie Zutt seit knapp fünf Jahren einen rechten Devotionalienladen. Mittlerweile gibt es auch eine Zweigstelle im mecklenburgischen Waren/Müritz. Inhaberin ist die 47jährige Doris Zutt, Mitglied des Bundesvorstands der NPD. "Aus ganz Deutschland reisen Neonazis an", informiert Werner Burggraf, Vorsitzender der Ehringshausener SPD-Fraktion. Der "Patrioten-Treff" ist eine "national befreite Zone", ganz im Sinne des 1991 vom Nationaldemokratischen Hochschulbund (NHB) verfaßten Strategiepapiers. Aus diesen Zonen heraus sollen die Nationalen "Macht ausüben und sanktionsfähig" sein. Alles "Undeutsche" hat keinen Zutritt. Im Schaufenster des Zutt-Ladens ist zu lesen: "Deutsch sein, die Freiheit nehm’ ich mir".

Doch "harmlose" Patrioten, wie der Name suggeriert, sind hier keineswegs zugange. Nein, Verfolgungswahn und nationale Selbstüberschätzung, nach dem Politikwissenschaftler Kurt Lenk die Grundpfeiler rechtsextremen Denkens, werden ungeniert zur Schau gestellt. Fensterscheiben und die Türen des Treffs sind mit Gitterdraht überzogen. Im Schaufenster hängen T-Shirts der rassistischen Gruppe Skrewdriver, in den Regalen liegen CDs von Bands mit den vielsagenden Namen "Oithanasie" oder "Sturmwehr". Auf einem Plakat ist Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess zu sehen – mit dem Zitat: "Ich bereue nichts". Doch in diesen Tagen muß der Laden dichtmachen, die Inhaber haben bereits mit der Räumung der Verkaufsräume begonnen. "Die Verkehrsbehörde Dillenburg hat das Grundstück zum Anfang des Jahres aufgekauft", erzählt Burggraf. "Das Haus wird abgerissen, es kommt ein Kreisverkehr hin".

Warum rechtes Gedankengut in Ehringhausen derart akzeptiert zu sein scheint, erklärt sich nicht von selbst. Die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise gering, soziale Probleme spielen hier kaum eine Rolle. "Die Zutts sind Alteingesessene, die kennt man halt, sie sind auf jedem Fest", beschreibt ein älterer Mann, der seinen Namen nicht nennen will, die Stellung der NPD-Familie in der Gemeinde. 1997, ein Jahr bevor der Laden eröffnet wurde, bekam die NPD 22,9 Prozent der Stimmen bei den Kommunalwahlen. Sie wurde drittstärkste Partei nach SPD, Freien Wählern und vor der CDU, erhielt die bislang höchste Quote von Neonazis und bekam zwei Sitze im Gemeindevorstand.

Doch seit 1999 regt sich Widerstand. "Wir haben Flugblätter verteilt, um auf die Lage aufmerksam zu machen", sagt Burggraf. Sogar der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, war vor Ort. Kirchen, Gewerkschaften und die Wetzlarer Neue Zeitung starteten eine Kampagne gegen rechts, nachdem man zuvor versucht hatte, die NPD durch Einbindung in die Gemeindearbeit zu "neutralisieren". Doch schnell wurde deutlich: Die Zutts, die auch durch Fernseh- und Presseberichte einige Bekanntheit erlangten, lassen sich nicht demokratisieren.

Mittlerweile, betont Burggraf, wolle "keiner im Gemeindevorstand mehr mit denen zu tun haben". Gleichzeitig berichtet Jürgen Mock, Vorsitzender der Gemeindevertretung, er habe anonyme Morddrohungen erhalten, und da sei er nicht der einzige gewesen. Das Pfarrhaus wurde mit Hakenkreuzen und SS-Runen beschmiert. Zwar könne man nicht beweisen, daß die Zutts damit direkt etwas zu tun haben, es sei aber eindeutig, daß die Drohungen aus der rechten Szene stammen. Zu gewalttätigen Übergriffen sei es indes bislang nicht gekommen.

hagalil.com 02-01-03


DE-Titel
US-Titel

Books

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2013 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved