"Wir waren
die Macht im Staate": Waldemar Pabst - Militär, Geheimagent,
Protofaschist und Mann der Industrie in drei Ländern
Doris Kachulle
Junge Welt, 11.01.2003
Es fehlte nicht viel, und Major a.D. Waldemar Pabst hätte von der
Adenauer-Regierung das Bundesverdienstkreuz dafür bekommen, daß er Rosa
Luxemburg und Karl Liebknecht umbringen ließ; eine Tat, die er Anfang
1962 erstmals öffentlich zugab. "Jedenfalls ist Ihnen dafür jetzt eine
amtliche Anerkennung zuteil geworden", stellte der Spiegel damals in
einem Gespräch mit ihm fest, "der Sie sogar zu Hitlers Zeiten hatten
entraten müssen. Das bundesamtliche Bulletin hat die Ermordung
Liebknechts und Luxemburgs für standrechtliche Erschießungen ausgegeben
und sich Ihre Deutung dieser Tat zu eigen gemacht, daß nämlich
Deutschland damals nur so vor dem Kommunismus habe bewahrt werden
können". (Der Spiegel, 18. April 1962)
In welcher Zeitung Pabst sich als Organisator des Doppelmordes
vorgestellt hatte, war im Bulletin des Bundespresseamtes vom 8. Februar
1962 weggelassen worden und auch nicht im Spiegel zu finden. Das war
offenbar Absicht. Die Öffentlichkeit sollte nicht auf bestimmte
Zusammenhänge gestoßen werden, die denn auch nie ans Licht gekommen
sind. Pabst hatte sich in einer Abonnementszeitung geäußert, die Das
deutsche Wort hieß und von ihm mit herausgegeben wurde. Im
Verfassungsschutzbericht von 1962 wurde es als rechtsradikal bezeichnet,
gleichwohl wurde es von Bonn subventioniert. Das
Bundesverteidigungsministerium, das Gesamtdeutsche Ministerium und das
Bundespresseamt kümmerten sich darum; auch Verbindungen zum
Bundesnachrichtendienst sind belegbar. Pabst war ein wichtiger
Mitarbeiter des Propagandaapparats dieser Instanzen.
Pabst hat den Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht als
Protofaschist organisiert und stand bereits in den 20er Jahren auf
faschistischen Positionen. Dabei war er nie "Nur- Militär", sondern
immer auch ein Mann der Industrie. Er machte sich ihre Interessen zu
eigen, er versuchte, diese mit allen Mitteln durchzusetzen und arbeitete
dafür auch im Geheimdienst. Und er arbeitete nicht nur mit Konservativen
zusammen. Wenn es gegen die Kommunisten ging, und wenn er sich einen
Erfolg davon versprach, schloß er auch Bündnisse mit Sozialdemokraten
und Liberalen. Ein Faschist mit viel Sinn für Realpolitik, den die
offizielle Geschichtswissenschaft als Desperado und Abenteurer
hingestellt hat, als habe Major a.D. Waldemar Pabst außerhalb der
bürgerlichen Gesellschaft gestanden.
Von wegen "Freikorpsleute"
Die Mörder von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kamen aus einer
regulären Heeresdivision, der Garde-Kavallerie- Schützen-Division
(GKSD), deren Stabschef Waldemar Pabst war. Die GKSD war vom Rat der
Volksbeauftragten entgegen öffentlichen Verlautbarungen nicht aufgelöst
worden und bildete den Kern der neuen Reichswehr. Die Mörder als
Freikorpsleute zu bezeichnen, erweckt den irreführenden Eindruck, als
hätten sie spontan und ohne Wissen der Staatsmacht ihrem Haß auf zwei
radikale Linke freien Lauf gelassen.
Es gibt Anzeichen dafür, daß hinter dem Mord der militärische
Nachrichtendienst steckte; ein in diesem Rahmen während des Krieges
entstandenes Personengeflecht von Militärs, Großindustriellen und
rechten Sozialdemokraten. Die bekanntermaßen an der Mordaktion
beteiligte Antibolschewistische Liga (AL) war im wesentlichen nichts
anderes als eine Tarnorganisation der Nachrichten-Abteilung (III B) des
Großen Generalstabs. Hugo Stinnes, der im Januar 1919 dafür sorgte, daß
die AL große Summen aus der Privatwirtschaft bekam, ist engstens mit
General Ludendorff verbunden gewesen, der die Abteilung IIIB großgemacht
hat. Stinnes hat in der ersten Zeit auch die
Garde-Kavallerie- Schützen-Division in Berlin alimentiert, Pabst hat
jahrelang mit ihm zusammengearbeitet. Ebenso mit Gustav Stresemann, der
die von Stinnes gleichfalls finanzierte Deutsche Volkspartei (DVP)
führte. Pabst war häufig bei Stresemann zu Hause und konferierte mit ihm
über die Möglichkeiten "der Beseitigung der Novemberverbrecher aus der
Regierung" (Pabst).
Im Juli 1919 machte Pabst einen ersten Putschversuch. Er wurde nicht
entlassen (Noske log), er sollte lediglich versetzt werden, zog es dann
aber vor, den Dienst zu quittieren, um in Berlin bleiben zu können. Als
Geschäftsführer der "Nationalen Vereinigung" hat er auch den Kapp-Putsch
mit vorbereitet. Aus der Literatur ist bekannt, daß Stresemanns DVP im
Erfolgsfall bei dieser auch von oder über Stinnes gesponserten
Unternehmung mitgemacht hätte. Daß Stresemann schon bei der Vorbereitung
derart eng mit Pabst kooperierte, ergibt sich aus Briefen von Pabst und
aus anderen unveröffentlichten Dokumenten. In den Briefen macht Pabst
Andeutungen über die Verstrickung der Sozialdemokratie in den
Staatsstreichversuch. Wir wissen, daß rechte Sozialdemokraten auf der
Kabinettsliste der Verschwörer gestanden haben, aber wenig Konkretes
darüber, womit sie sich dieses Vertrauen verdient hatten. Zu vermuten
ist, daß für solche SPD-Leute im Vordergrund stand, daß die Verschwörer
alle Hebel in Bewegung setzten, um Deutschland durch eine Beteiligung an
einem Interventionskrieg gegen die Sowjetunion außenpolitisch wieder ins
Spiel zu bringen. Mit diesem Ziel hatten sie sich mit vielen prominenten
weißgardistischen Emigranten verbündet und ihnen mit Hilfe der Industrie
den Aufbau eines antisowjetischen Nachrichtenapparates ermöglicht, der
bis in die Nazizeit hinein aktiv war.
Als Pabst diese Emigrantenszene in Vorbereitung des Kapp- Putsches
organisierte, konnte er sich auf den preußischen Verfassungsschutz
stützen, das Staatskommissariat für öffentliche Ordnung, das praktisch
eine Abteilung eines Kölner Industriekonzerns war. Aufgebaut mit den
Geldern des Eisen- und Schrotthändlers Otto Wolff und seines Kompagnons
Othmar Strauß, die zu den großen Kriegsgewinnlern gehörten. Strauß hatte
bis zum Kapp-Putsch sogar selbst eine Schlüsselfunktion in dieser
Behörde!
Tiroler Heimwehr aufgebaut
Nach dem Kapp-Putsch, der eigentlich Ludendorff-Putsch heißen müßte,
hat Pabst gut ein Jahrzehnt in Österreich gewirkt. Von Innsbruck aus
machte er die österreichische Heimwehr als schwerbewaffnete
"antimarxistische" Bürgerkriegstruppe zu einer straff geführten
Massenorganisation. Die deutsche Regierung hatte Pabsts Steckbrief nur
fürs Volk herausgehängt. In Berlin war sein Aufenthaltsort von Anfang an
bekannt, und auch die christlich- soziale Tiroler Landesregierung wußte,
wem sie den Aufbau ihrer Heimwehr anvertraut hatte. Auch in Innsbruck
stand Pabst mit dem militärischen Nachrichtendienst in Verbindung. Ich
wage die Hypothese, daß die Tiroler Heimwehr als politische Bewegung
überhaupt ein Produkt der deutschen Abwehr gewesen ist. Deren
terroristischer Arm war die Organisation Consul (OC); das ist nicht die
vorherrschende Auffassung in der Geschichtswissenschaft; auch die DDR-
Historiographie hat die OC nicht als Teil der Abwehr begriffen. Aber
nach gründlicher Beschäftigung mit der Materie bin ich überzeugt, daß
Ernst v. Salomon, der selber OC-Mitglied gewesen ist, recht hat, wenn er
diese Organisation in seinem sarkastischen autobiographischen
Entnazifizierungsroman "Der Fragebogen" (1951) als Arm der Abwehr
charakterisierte.
Pabst war in Österreich Anlaufstelle für viele der Täter und Mittäter
der Erzberger- und Rathenau-Morde und anderer Terrorakte der
Organisation, wobei die christlich-soziale Landesregierung von Tirol ihm
sogar half, für seine Klientel falsche Papiere oder Arbeitsstellen zu
beschaffen. Pabst war auch am Ludendorff-Hitler-Putsch vom 9. November
1923 beteiligt. Als Kapp-Putschist fiel er im August 1925 unter eine
nicht zuletzt von Gustav Stresemann durchgesetzte Amnestie, anschließend
arbeitete er auch für das Auswärtige Amt: Als "Deutschtumsagent", als
Berichterstatter und Berater des "Anschluß"-Freundes Stresemann, als
Verbindungsmann zwischen dem deutschen Außenminister und der Tiroler
Landesregierung und als Verbindungsmann zwischen dem Außenminister und
der österreichischen Bundesregierung.
Da Stresemann Probleme hatte, die "Repräsentationszulage" für Pabst im
Budget des Auswärtigen Amts unterzubringen, wurde Pabst Ende 1926 in den
Etat des Deutschen Schutzbundes für das Grenz- und Auslandsdeutschtum
(DSB) übernommen, der beträchtliche Summen aus Geheimfonds des
Auswärtigen Amtes und des Innenministeriums erhielt. Aus der
Pabst-Stresemann-Korrespondenz ist ersichtlich, daß bei dem mit dem
Schutzbund getroffenen Arrangement auch Othmar Strauß seine Hand im
Spiel gehabt hat, "unser gemeinsamer Freund" (Pabst). Der
Otto-Wolff-Konzern war an der vom deutschen Stahltrust kontrollierten
Alpine Montan-Gesellschaft in der Steiermark beteiligt, dem größten
österreichischen Hüttenwerk; wie überhaupt das deutsche Industrie- und
Bankkapital zunehmend und systematisch die Wirtschaft Österreichs
durchdrang.
Doch Pabst taktierte so geschickt, daß ihn die Öffentlichkeit durchweg
nicht als Repräsentanten einer großdeutschen Politik ansah, sondern eher
den Eindruck gewann, er versuche, die Heimwehr zu einem Instrument des
Mussolini-Faschismus zu machen und eine Achse Rom-Wien-Budapest zu
schmieden. "Ein Agent der italienischen Politik", so hat ihn auch Carl
von Ossietzky in der Weltbühne beschrieben, und so wird er heute noch
gesehen. Tatsächlich aber hat er als ein Agent der deutschen
Reichsregierung die Bedingungen mitgeschaffen, die zu den Ereignissen um
den 15. Juli 1927 führten (Stichwort: Wiener
Bastillensturm) und damit zur Wende in der österreichischen Politik.
Von Anfang an hatte Pabst die Heimwehr auf den "Entscheidungskampf" mit
der austromarxistischen Sozialdemokratie und ihrer Parteiarmee, dem
Republikanischen Schutzbund orientiert.
Anläßlich des zehnten Jahrestages der Ermordung Rosa Luxemburgs und
Karl Liebknechts referierte Pabst in Berlin am 16. Januar 1929 in dem
vom Deutschen Schutzbund betriebenen Volksdeutschen Klub über "Die
österreichischen Selbstschutzverbände und die innere Lage Österreichs".
In den folgenden Tagen konferierte er einmal mehr mit Stresemann, er
wurde auch von Alfred Hugenberg empfangen und führte Geheimverhandlungen
mit dem Stahlhelm. Im Mai 1929 wäre es fast herausgekommen, daß Pabst in
Österreich deutsche Regierungspolitik machte. Das Berliner Tageblatt
berichtete, daß ihm offenbar über den Deutschen Schutzbund Reichsgelder
aus Geheimfonds für Grenzland- und Deutschtumsarbeit zugeflossen seien.
Innenminister Carl Severing ließ verlautbaren, daß er seine Zahlungen an
den Schutzbund eingestellt habe, bis die Sache durch eine gründliche
Untersuchung geklärt sei. Die Öffentlichkeit wurde belogen und beruhigt,
und als das Interesse abgeflaut war, nahm Severing die Zahlungen wieder
auf.
Im illegalen Waffenhandel
Im Herbst 1931 kehrte Pabst nach Deutschland zurück und bekam eine
Direktorenstelle beim staatlich kontrollierten Rheinmetall-Konzern, und
zwar im Berliner Büro des Konzerns "zur besonderen Verwendung der
Generaldirektion". Da es konkret um illegalen Waffenhandel und die
geheime Forcierung verbotener Rüstungsprojekte ging, sollte seine
Anstellung nicht bekannt werden. Nach außen hin führte er die Existenz
eines Verlegers. Er war Teilhaber des renommierten (nationalistischen)
Verlages "Tradition" geworden und kümmerte sich tatsächlich auch um
dieses Geschäft. Er behauptete, keine Beziehungen mehr zur Heimwehr zu
haben. Doch auch in Berlin verging kein Tag, an dem sich Pabst nicht mit
Angelegenheiten der Heimwehr befaßte. Fürst Ernst Rüdiger von
Starhemberg, der um diese Zeit an der Spitze der Heimwehr stand, machte
ihn zum "alleinigen bevollmächtigten Vertreter der österreichischen
Heimatschutzbewegung im deutschen Reich".
Pabst sähe sich selbst als Faschist und plädiere dafür, in Deutschland
ein "leicht modifiziertes Mussolini-System" zu errichten, hatte die
Presse nach seiner Rückkehr berichtet. Pabst leitete die von ihm
mitgegründete Gesellschaft zum Studium des Faschismus (GSF), die "in der
faschistischen Staats- und Wirtschaftsidee grundsätzlich eine
Lösungsmöglichkeit aus der gegenwärtigen deutschen Krise erblickte". Im
Rahmen der GFS arbeitete er mit prominenten Nazis wie Hermann Göring
zusammen, mit dem er spätestens nach dem Ludendorff-Hitler Putsch in ein
enges Verhältnis gekommen war, als er den schwerverwundeten Göring in
Innsbruck unter seine Fittiche genommen hatte. Außerdem hatte Pabst auch
in Sachen Heimwehr ständig mit Göring zu tun. Beide bemühten sich, eine
Einheitsfront Heimwehr/NSDAP zustande zu bringen; Pabst konferierte
darüber auch mit Adolf Hitler.
Wie er dann dennoch unter den Nazis im Juni 1934 auf die
Proskriptionsliste geriet (Röhm-Affäre), ist ungeklärt. Er kam in Haft,
wurde aber nach sechs Wochen wieder freigelassen. Göring, von Papen und
andere Freunde hatten sofort interveniert; anschließend bescheinigte ihm
die Gestapo seine Unschuld: "Die wegen des Verdachts der Teilnahme an
der Röhmrevolte geführten Ermittlungen gegen Major a.D. Waldemar Pabst
haben keinerlei belastendes Material erbracht."
Die Schweizer Connection
Im Juni 1938 wurde Pabst von Hitler zum Wehrwirtschaftsführer ernannt.
Nach Kriegsbeginn diente er im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt. Er war
als erster Generalstabsoffizier unter seinem Freund General Georg Thomas
Verbindungsoffizier zum Oberkommando des Heeres. Richtig ist, daß Pabst
ab Frühjahr oder Frühsommer 1940 keinen regulären Dienst mehr tat und
auch nicht mehr die Abteilung "Zentrale Verkauf Waffen" bei
Rheinmetall-Borsig unter sich hatte. Im September 1940 ließ er sich in
Berlin als Hauptgesellschafter der "Auslandshandel GmbH" registrieren,
einer Im- und Exportfirma , die zu einer hauptsächlich im neutralen
Ausland operierenden Tarnfirmenorganisation gehörte und im Auftrag des
Naziregimes laufend kriegs- und ernährungswichtige Waren und Rohstoffe
aufkaufte. Außerdem diente sie auch nachrichtendienstlichen Zwecken.
Pabst wurde eine wichtige Scharnierfigur zwischen der deutschen und der
Schweizer Kriegswirtschaft. Eine seiner wichtigsten Bezugspersonen in
der Schweiz war der Führer des "Schweizerischen Vaterländischen
Verbands"(SVV), Dr. Eugen Bircher, der als Arzt, Militär und Politiker
im öffentlichen Leben der Schweiz eine große Rolle spielte. Dieser
organisierte als Beitrag der neutralen Eidgenossenschaft "zum Kampf des
Führers gegen den Bolschewismus" (Bircher) die berüchtigte Schweizer
Ärztemission. Der SVV, dem Pabst Tips für präventive Aufstandsbekämpfung
gegeben hatte, besaß einen eigenen, scheinbar privaten Dienst, der
faktisch mit der Schweizer Staatsschutzbehörde, der dazu gehörenden
Bundespolizei (politische Polizei) und dem militärischen
Nachrichtendienst verkoppelt war. Von daher war Pabst mit diesen
offiziellen Einrichtungen in Verbindung gekommen, besonders gut war sein
Verhältnis zum Chef der Bundespolizei. Von August 1943 an hielt er sich
dauernd in der Schweiz auf. Er ist in der Schweiz weiterhin als
Wehrwirtschaftsführer, Major z.V., Chef der Auslandshandel GmbH und
Agent des NS-Regimes tätig gewesen. Gleichzeitig hat er sich in die
Bemühungen um einen antisowjetischen Separatfrieden eingeklinkt und
versucht, in Bern an den Hauptresidenten des amerikanischen
Kriegsgeheimdienstes OSS, Allan Dulles, heranzukommen.
Pabst diente sich dem späteren CIA-Chef mit Nachrichtenmaterial an, um
sich selber eine Perspektive für die Zeit nach Hitler zu eröffnen; er
muß aber auch Auftraggeber in Berlin gehabt haben, und vieles spricht in
dieser Beziehung für den SD der SS. Er gehörte zu einem Kreis von
deutschen und Schweizer Wirtschafts- und Geheimdienstleuten, die an den
Strukturen eines antikommunistischen Nachkriegsdeutschland arbeiteten.
Mit Hilfe eidgenössischer Staatsschützer und anderer Leute im Berner
Bundeshaus ist es Pabst sogar gelungen, sich eine erfolgreiche Legende
als Gegner und Verfolgter des Naziregimes zu stricken.
Auch Nollau kannte die Wahrheit
In der Bundesrepublik war Pabst u.a. mit dem Bonner Nachrichtenoffizier
Achim Oster verbunden, dem Sohn des nach dem 20. Juli 1944
hingerichteten Abwehr-Mannes Hans Oster. Oster versuchte im Sommer 1950
erfolglos, dem inzwischen 70jährigen Pabst in Bonn eine feste Position
zu verschaffen. Pabsts "Auffassung von der Notwendigkeit einer
offensiven Bekämpfung des Bolschewismus" habe "sich seit den Tagen, in
denen er die Verantwortung für die Liquidierung Liebknechts und
Luxemburgs übernahm, nicht geändert", stand in Osters Empfehlung. Auch
der sozialdemokratische Verfassungsschützer Günter Nollau kannte die
Wahrheit, schrieb aber in seinem 1959 erschienenen Buch "Die
Internationale": Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht "wurden nach ihrer
Festnahme in das Hauptquartier gebracht, von wo aus ihr Schicksal seinen
Lauf nahm". Nollau hatte Pabst vor der Publikation seines Buches
interviewt und darin dessen Geschichte von der "verräterischen Rolle
Wilhelm Piecks" aufgegriffen. Der zusammen mit Rosa Luxemburg und Karl
Liebknecht verhaftete Pieck habe zur Rettung seines Lebens "rote
Aufstandspläne" und die Ausweichquartiere anderer spartakistischer
Führer preisgegeben. Der Verlag, in dem Nollaus Buch erschien, stand der
"Psychologischen Verteidigung" (sprich: Kriegführung ) nahe, genau wie
das von Pabst mitherausgegebene Blatt Das deutsche Wort.
Sein coming out 1962 als Initiator der "standrechtlichen Erschießungen
zweier im Dienste Moskaus tätigen kommunistischen Volksverhetzer" war
von jenen Leuten wohlüberlegt, die Pabst als das "standhafte Kernstück
der CDU um den Kanzler" bezeichneten und die nach dem Mauerbau 1961 die
Realitäten des internationalen Kräfteverhältnisses nicht anerkennen
wollten. "Moskau griff schon einmal nach Berlin", war sein Beitrag
überschrieben. Pabst legte darin dar, wie das Militär 1919 mit einer
vergleichbaren Situation fertig geworden war. Die Legitimierung des
Mordes an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hieß nichts anderes als
dies: Es wäre genauso legitim, die Führung der DDR zu liquidieren.
Die Historikerin Doris Kachulle, Bremen, arbeitet an einer
politischen Biographie des Waldemar Pabst. Ihr Artikel ist die gekürzte
Fassung eines Vortrags, den in Gänze die GeschichtsKorrespondenz Nr. 1,
Januar 2003, veröffentlicht, die vom Marxistischen Arbeitskreis zur
Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bei der PDS herausgegeben
wird. Zu beziehen über Hans-Joachim Krusch, Else-Jahn-Straße 2, 13088
Berlin; Tel. 030/9263334