antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

 

Aufblicken und Ausmerzen:
Bonner Ausstellung zu Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl

Thomas Roth
Junge Welt, 18.12.2002

"Deutschland ehrt die Nazi-Propagandistin" verkündeten Demonstranten vor der Eröffnung am 12. Dezember: Nachdem das deutsche Feuilleton im Sommer Leni Riefenstahls 100. Geburtstag eingehend gewürdigt hat, beschließt das Bonner "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" das Festjahr mit einer Ausstellung zu Hitlers Lieblingsregisseurin. Sie kann sich nicht nur auf die seit Jahren betriebene Rehabilitierung der Riefenstahl berufen. Man darf auch annehmen, daß das Museum die öffentliche Erregung kalkuliert hat - getreu seiner Maxime, die deutsche Geschichte publikumswirksam und umsatzorientiert an den Kunden zu bringen. Riefenstahl ist "umstritten" - eine perfekte Verkaufsvokabel, die einen angenehmen Schauder erzeugt.

Wenn die Gegner in der Ausstellung eine Nobilitierung der Riefenstahl sehen, so haben sie nicht ganz unrecht. Die Spekulation auf das Leni-Starpotential, die Präsentation im offiziellen Showroom der BRD und die Eröffnungsveranstaltung zeigen das. Dort entwickelte Hilmar Hoffmann in seiner Rede die klassische Rhetorik der NS-Entsorgung: Von der notwendigen "Neubewertung" über die Würdigung des "künstlerischen Genies" bis hin zu einem - vermutlich von Ernst Nolte empfohlenen - Vergleich der NS-Mätresse mit Sergej Eisenstein.

So weit wie Hoffmanns Riefenstahl-Propaganda geht die Ausstellung selbst gar nicht mal. Sie folgt in gewisser Weise der Linie des Hauses, Geschichte "pluralistisch" zu präsentieren und auch "kritische Sichtweisen" anzubieten - natürlich ohne die Besucher vergessen zu lassen, daß die Bundesrepublik entschieden zu bejahen ist. Am Eingang der Ausstellung wird "Umstrittenheit" inszeniert: Auf der einen Seite Brekers Skulptur "Prometheus" als Hinweis auf die Verschränkung von klassizistisch aufgeladenen Körperkult und Rassenmythologie, auf der anderen Werbeplakate mit erotischen Recken von "Calvin Klein" bis "Neuselters", die für die Adaption der Riefenstahl-Ästhetik in der Popkultur stehen. Es folgen fünf Bildschirme, auf denen die einschlägigen Werke und ihre Motivwelt vorgestellt werden: Das hoffnungsvolle Debüt "Das blaue Licht", die auf dem NSDAP-Parteitag 1934 gedrehte investigative Reportage "Triumph des Willens", das Olympia-Dokument "Fest der Völker, Fest der Schönheit" (1938) - und die "Late works" aus den 70ern über die sudanesischen Nuba und südseeische Korallen, die Riefenstahls ästhetisches Programm ins Format von Geo und Stern montieren. Davor die Bilder der Parteiverbände, modelliert zu Fronten, Blöcken, Kolonnen, die in Aufmärschen, Appellen und Paraden perpetuierte Mobilmachung, ein Synchronschwimmen mit Klappspaten, Hakenkreuzen und Uniformteilen, verschnitten mit einer folkloristischen Schau deutscher Menschen, die aufblicken zum ergeben von der Kamera umspielten Profil des "Führers". Im Olympiafilm turnt der gesunde nordische Körper, herausgelöst aus der Uniform, die Übungen antiker Athleten nach, bevor er in voller Kraftanstrengung zum Siege schnellt. Hitler applaudiert: Weltrekord.

Auf den Monitoren werden die stupiden Inszenierungen von faschistischer Masse, Ergebenheit, Wille und Auserwähltheit - vermutlich aus menschenrechtlichen Gründen - zu kurzen, dekorativen Szenen verkürzt. Zu den Filmen reicht man ca. 300 Exponate zu Stationen der Biographie. Mit Stücken aus Riefenstahls Privatarchiv werden die entschiedene Karriereplanung, Begeisterung für Führer und Filmtechnik und die Alimentierung durch die Nazis skizziert. Erwähnt werden auch "Nebentätigkeiten" wie der Kurzeinsatz als Kriegsberichterstatterin während des Polenfeldzuges oder das Projekt "Tiefland", für das die Regisseurin Sinti- und Roma- Komparsen aus KZs rekrutierte, um sie nach getaner Arbeit den Deportationszügen nach Auschwitz zu überlassen.

Bemerkenswert ist - angesichts des "revisionistischen" Mainstreams im Kulturbetrieb - der Schluß der Ausstellung. Während deutsche Kulturschaffende Riefenstahls Werk von der "Last" des NS-Regimes zu befreien versuchen, indem sie eine politisch-ästhetische Zweiweltenlehre entwickeln, zeigt sich hier die Verschränkung von "Schönheit und Gewalt". Riefenstahls Filme werden als wesentlicher Baustein einer NS- Bildpolitik beschrieben, die stets auch die "Ausmerzung" der "Schwachen" oder "Entarteten" propagierte. Als Gegenstück zu "Triumph des Willens" läuft "Der ewige Jude" von Fritz Hippler.

Riefenstahl kriegt in der Ausstellung ihre Kritik. Doch Riefenstahl bleibt Riefenstahl. Ihr Handeln wird auf Kategorien wie "Opportunismus" oder "Hitlerverehrung" bezogen. Dabei hätte es nahegelegen, sie als Vertreterin eines verbreiteten Tätertyps zu skizzieren, der mit hoher ideologischer Affinität und professionellen Ambitionen die vom NS-Regime gewährten Freiräume in seinem Sinne ausgestaltete. Die Riefenstahlsche Ästhetik steht weitgehend für sich und wird nicht auf das antimodernistische Denken der Zeit bezogen, so daß ihre Biographie der Geschichte der deutschen Gesellschaft entzogen ist. Da verwundert es nicht, daß auch die aktuelle Faszination für eine reaktionäre oder faschistoide Bildsprache nicht problematisiert wird. Wolfgang Joops Gefasel von den "humanistischen Gedanken" hinter Riefenstahls Schönheitsideal bleibt unkommentiert. Auf einem Touchscreen kann man - gut pluralistisch - Kritikerkommentare abrufen: Sieben Sekunden Theweleit, der anfängt von Benns Unbedingtheit zu sprechen, und Schluß.

Die Ausstellung dokumentiert zwar die unsäglichen Exkulpationsversuche der Riefenstahl nach '45, nicht aber den Rahmen westdeutscher

Vergangenheits- und Erinnerungspolitik. Was bleibt, ist eine Karriere, die - O-Ton Ausstellungstext - auf die "Verwerfungen der Zeit" verweist und die immer schwächer werdenden "Schatten der Vergangenheit". So wird die Ausstellung über eine Ikone deutscher Verdrängung zu einem Forum angeregten Geplauders über persönliche Schuld.

hagalil.com 22-12-02

 


DE-Titel
US-Titel

Books

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2013 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved