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Judentum und Israel
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Microsoft-Encarta:
Geschichtsverdrehung unter enzyklopädischem Deckmäntelchen

Von Andrea Übelhack

"Verstehen Sie Zusammenhänge und Entwicklungen", heißt es wie zum Hohn auf der Internetseite der Microsoft Enzyklopädie Encarta bei den Features. Im Falle des Nahostkonfliktes sollen die Zusammenhänge und Entwicklungen durch den Artikel "Die vergessene Geschichte Palästinas" von Dr. Heinz Vestner veranschaulicht werden. Wer sich informative und objektive Hintergrundinformationen erhofft hat, wird bitter enttäuscht. Microsoft veröffentlichte mit diesem Artikel einen Beitrag, der schlecht recherchiert und tendenziös geschrieben ist, die Geschichte verdreht, verfälscht und eindeutig antiisraelische Position bezieht.

Wer sie nicht kennt, Microsoft hat mit der Encarta eine Online-Enzyklopädie kreiert, die durchaus praktisch und gut sortiert informiert. Bei Erwerb der CD stehen viele weitere Dokumentarberichte zur Verfügung und der Datenbestand lässt sich per Internet aktualisieren. Eine angenehme Form der Informationsbeschaffung also. Man sollte davon ausgehen, dass die Artikel redaktionell geprüft werden, bevor sie Eingang in die Enzyklopädie finden. Im Falle der "vergessenen Geschichte Palästinas" ist das offenbar nicht geschehen. Leider, denn davon strahlt kein gutes Licht auf das Produkt im Ganzen aus.

Dr. Heinz Vestner schafft es nicht nur, einen Artikel abzuliefern, der von faktischen Fehlern übersäht ist, sondern, der in einer eindeutigen antiisraelischen und antizionistischen Tendenz geschrieben ist, die es unerträglich macht, dass Microsoft dafür eine Plattform zur Veröffentlichung gibt.

Zunächst zu den Fakten. Vielleicht sollte sich Herr Dr. Vestner selbst die Encarta zulegen, dort hätte er beispielsweise nachlesen können, dass der "Judenstaat" von Theodor Herzl nicht 1892 sondern 1896 veröffentlicht wurde, das Angebot Großbritanniens einen jüdischen Staat in Uganda zu gründen bereits 1903, also noch zu Herzls Lebzeiten, und nicht 1905 diskutiert wurde, und der Staat Israel nicht am 9. April, sondern am 14. Mai 1948 proklamiert wurde (wie es an einer anderen Stelle im Artikel auch richtig heißt).

Für Herrn Dr. Vestner mögen diese Fakten, die sich teilweise selbst widersprechen, offensichtlich nicht von großer Bedeutung sein, weswegen er bei der Recherche auch derart geschlampt hat, der aufmerksame Leser kann sich jedoch nur wundern, die Qualität des gesamten Artikels ist dadurch schon angekündigt.

Schon im ersten Absatz stehen einem die Haare zu Berge. Da heißt es, dass die Proklamation des Staates Israel "aus Sicht der arabischen Welt eine völkerrechtswidrige Provokation" war, aufgrund dessen die arabischen Staaten mit einem Truppeneinmarsch reagierten. Die Tatsache, dass die arabischen Staaten den Teilungsplan der UN ablehnten, wird mit keinem Wort erwähnt.

Das Existenzrecht Israels führt Dr. Heinz Vestner den gesamten Artikel lang in Anführungszeichen an, da es seiner Meinung nach weder historisch noch völkerrechtlich herzuleiten ist, "der Zionismus hat sich dieses "Recht" zu einem günstigen Zeitpunkt politisch einfach genommen." Nachdem es aber seit 1948 zu einem Fait accompli wurde, werde es von niemandem mehr in Zweifel gezogen. Angesichts des in den vergangenen zwei Jahren neu aufgeflammten Antizionismus in der Welt kann diese Aussage nur als bittere Ironie aufgefasst werden. Noch erstaunlicher der Nachsatz: "seit 1974 auch von den Palästinensern nicht". Vielleicht mag ich ja irren, aber mir ist bekannt, dass die PLO erst im September 1993 Israels Existenzrecht anerkannt hat, und auch das nur zögerlich in die Charta aufgenommen wurde. Was genau 1974 war, wird im Artikel auch nicht weiter erklärt.

Viele weitere Punkte, die die Geschichte verdrehen wollen, fallen auf, zum Beispiel der rücksichtslose Landkauf unterstützt durch reiche Juden (braucht es zum Kauf nicht immer auch einen Verkäufer?), die dadurch "land- und arbeitslos gewordenen Palästinenser", die Gründe für die Massenflucht der Palästinenser 1948 oder der hinkende Vergleich der Siedlungspolitik der israelischen Regierung und der "historischen Annexionspolitik der USA gegenüber den Indianern und Mexiko im 19. Jahrhundert".

Besonders fatal ist jedoch der Versuch Dr. Heinz Vestners, die Selbstmordanschläge und den Terror von palästinensischer Seite zu rechtfertigen. Erst die Terroranschläge palästinensischer Organisationen und die Flugzeugentführung durch Leila Khaled hätten die Weltöffentlichkeit auf die ungelöste Nahostkrise aufmerksam gemacht. Na wunderbar, da hat das Blutvergießen ja dann wenigstens einen guten Grund! Den palästinensischen Kindern und Jugendlichen blieb ja auch nichts anderes übrig als Steine, Molotowcocktails und Gewehre in die Hand zu nehmen, lernen wir aus Vestners Artikel, denn "Arafat hat seit dem Oslo-Abkommen die Hand so oft ausgestreckt, dass sie ihm wohl bald abfallen wird."

"Ja, es gibt auch Terroranschläge Islamistischer Gruppen" räumt Vestner ein, den Terror könne man aber nur bekämpfen, wenn man "seine Ursachen, Gründe und Ziele kennt und ihnen Rechnung trägt." Zur Lösung des Konfliktes, so schließt daher Vestner ab, müsse Israel über seinen "zionistischen Schatten" springen.

In einigen Punkten mag Dr. Heinz Vestner Recht haben, tatsächlich wird die Beendigung der Siedlungspolitik zu einem Friedensschluss nötig sein, wie es die Linke in Israel fordert. Grundsätzlich wird die Gründung eines Palästinenserstaates jedoch nicht einmal mehr von Ariel Scharon negiert. Was Vestner "vergißt" zu erwähnen, auch die palästinensische Seite muss ihren Teil zur Gründung eines Staates beitragen. Im Nahen Osten gibt es kein einfaches Recht und Unrecht, kein Schwarz und Weiß, wie es uns dieser Artikel weis machen will. Der Konflikt schwelt nicht zuletzt auch deswegen so lange, weil seine Lösung eben nicht darin besteht, einseitig einen Schuldigen zu erklären, der lediglich über seinen "Schatten" springen muss. Die Annahme, der Terror wird aufhören, sobald es den Staat Palästina gibt, ist kurzsichtig und zeugt von wenig Kenntnis der gegenwärtigen Lage.

Der ansonsten sehr gelungenen und informativen Microsoft Enzyklopädie sei empfohlen, Artikel vor der Veröffentlichung in Zukunft besser zu prüfen. Ansonsten könnte der Eindruck entstehen, man erkläre sich mit den inhaltlichen Verfehlungen eines Dr. Heinz Vestners einverstanden.

hagalil.com 30-12-02

 


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