Fantasy und Sciencefiction:
Nazis im Zwergenreich
Heroische Lichtgestalten und finstere
Mächte: Der Hamburger Naziführer Christian Worch schreibt seit Jahren
Fantasy- und Science-Fiction-Erzählungen. Gerade setzt er eine utopische
Trilogie fort
Von Andreas Speit
Die Protagonistin wandert zwischen den Welten und
Zeiten. Aus der Betäubung erwacht, muss die einst "böse Gestalt" ihre
Erinnerung und ihren Weg finden. Nach fast zwanzig Jahren hat Christian
Worch wieder angefangen, seine utopische Trilogie mit dem Arbeitstitel
"Shayin" weiter zu schreiben. Nicht die erste literarische Fantasy- und
Sciencefictionproduktion des Hamburger Neonaziführers, der sich sonst um
die Ideologisierung der Neonaziszene und die Legalisierung von
neonazistischen Aktivitäten bemüht.
Seit Mitte der 60er Jahre faszinieren den 46-jährigen
Führer der Freien Nationalisten Sciencefiction- und Fantasy-Romane. Über
die Perry Rhodan-Serie sei bei ihm das Interesse geweckt worden.
Ab Mitte der 70er Jahre bis Anfang der 80er war er im Fandom aktiv, wo
er sich länger bei der "Aktionsgruppe Science Fiction" (AGSF) engagierte
und kürzer bei den "Fellowship of the Lords of the Lands of Wonder"
(Follow) agierte.
Im AGSF waren auch weitere Neonazis aktiv, wie der
damalige Herausgeber des Nazifanzine Werwolf Ingo Dristram. Über
Dristram ließ Worch das von ihm herausgegebene SciFi-Fanzine Der
Intrigant verbreiten. Gegenüber Andromeda, dem literarischen
Magazin des Science Fiction Clubs Deutschland e.V., erklärte Worch, die
"Zeit im Fandom" habe sich für seine "späteren politischen Aktivitäten
als hilfreich erwiesen": "wegen dort erworbenen Know-hows über
non-professionelle oder semi-professionelle Publizistik".
Selbst von magischen Zwergen, edlen Helden und finsteren
Mächten zu schreiben, begann Worch 1980 während eines
Gefängnisaufenthalts mit der Erzählung "Weltenwanderer". Weitere
Geschichten wie "Das Ich-Problem", in der er sein Alter Ego als "Sir
Christian" vorstellt, folgten.
Zwar räumt er ein, dass sein Vorbild Michael Kühnen, mit
dem er 1978 mit Eselsmaske und Schildern "Ich Esel glaube noch, dass in
deutschen KZs Juden vergast wurden", durch die Hamburger Innenstadt
lief, zu ihm gesagt habe: "Schreib doch völkische Fantasy, mit Fahnen
und Symbolen." Doch der Tipp des verstorbenen Naziführers sei nicht
verantwortlich dafür, dass er nun von heroischen Lichtgestalten und
bestialischen Orks fabuliert: "Das ist Hobby."
Nur ganz so unpolitisch sind die von ihm unter
Pseudonymen wie Martin Neumann, Friedrich Könningen oder Falk von den
Buchen veröffentlichten Geschichten unter anderem in "Time Gladiator",
"Bärenspeck" und "Ragnarök III" nicht. In einer Fortsetzungsgeschichte
entwirft er einen weißen Weltraumhelden, früher Söldner in Südafrika,
der die Erde vor einer feindlichen Invasion rettet. In einer weiteren
Erzählung beschreibt er die Entwicklung eines Aktivisten zum
Terroristen.
Schon vor ihm fabulierten andere Rechte von
atavistischen Visionen über autoritäre Gesellschaftsstrukturen bis hin
zu biologistisch-spirituellen Geschlechterkonzepten von einer
faschistoiden Utopie. Bereits völkische Literaten, wie Max Haushoffer in
Planetenfeuer (1899), entwarfen in ihren Romanen kryptofaschistische
Visionen. Im Time Gladiator bekennt Worch, dass für ihn der
"klingende Militarismus" und die "nordischen Typen" das Faschistoide
ausmachen.
Seit den 70er Jahren wird nicht nur in der SciFi- und
Fantasyszene über faschistoide Momente, beispielsweise bei Robert E.
Howards Conan, der Barbar, J. R. R. Tolkiens Herr der Ringe
und der Perry Rhodan-Serie, debattiert. "Einige typische Motive der
Fantasy, wie in der Science Fiction", erklärt Klaus N. Frick von der
Perry Rhodan-Redaktion, können "entweder direkt aus dem faschistischen
Lager entlehnt" sein, oder "zumindest direkte Bezüge herstellen".
Das Setting, "der starke Mann", das "ausgewählte Volk",
die "Vererbung der Tradition" und das "höhere Ziel" korrespondiere mit
antiemanzipatorischen Positionen. Nur ließe sich bisher bei keinem
renommierten Autor "eine faschistische Absicht" nachweisen. Über "diese
Tendenzen des Genres" muss allerdings "diskutiert werden". Aber, so
Frick, "klaren Faschismus dürfte man in der deutschen Fantasy-Literatur
vergeblich suchen".
Auch in Hamburg fielen den Mitarbeitern des Fantasyshops
Das Drachenei keine organisierten Neonazis in der Szene auf: "Mit denen
wollen wir nichts zu tun haben." Ebenso unerwünscht sind sie im
Zwergenreich: "Wenn Nazis bei Rollenspielen auffallen sollten", so die
Ladenbetreiber, "wird die Szene versuchen, sie auszugrenzen."
taz muss sein: Was ist
Ihnen die Internetausgabe der taz wert? Sie helfen uns, wenn Sie diesen
Betrag überweisen auf: taz-Verlag Berlin, Postbank Berlin (BLZ 100 100
10), Konto-Nr. 39316-106
Für Österreich: TAZ Verlags- und Vertriebs GmbH, Konto-Nr.: 92.134.506,
Österr. Postsparkasse (P.S.K.)
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
hagalil.com
02-12-02 |