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Kein Pogrom, sondern nur eine Razzia:
Bürgerkriegsähnliche Zustände im Romaviertel von Buhusi

Von William Totok

Auf der Suche nach fünf Delinquenten stürmte die Polizei am 5. Dezember 2002 das Romaviertel in der rumänischen Kleinstadt Buhusi. An der Aktion hatten insgesamt fünfzehn Polizisten, achtzehn Mitglieder eines Sondereinsatzkommandos und vierzig Gendarmen teilgenommen. Jedes Haus wurde durchkämmt. Wer sich zur Wehr setzte, wurde verprügelt. Inklusive Kinder. Die Polizei machte Gebrauch von Feuerwaffen.

Die durch die Polizeiaktion ausgelösten Ausschreitungen, an denen laut rumänischen Presseberichten 300 Roma beteiligt waren, forderten zwei Todesopfer und sechs Schwerverletzte sowohl auf Seiten der Roma als auch unter den Einsatzkräften. Zwei der erschossenen Roma standen auf der Fahndungsliste der Polizei. Ihnen wurden mehrere Raubüberfälle und Diebstahl zur Last gelegt.

Der Vorfall ist kein Einzelereignis. In den letzten 12 Jahren gab es immer wieder Berichte über ähnliche, auch von der Zivilbevölkerung ausgelöste Vorkommnisse. Die angestaute Unzufriedenheit und der wirtschaftliche Frust entlud sich in pogromähnlichen Überfällen auf die Roma, die generell als kriminell, arrogant, integrationsfeindlich und parasitär angesehen werden. Laut einer im September veröffentlichten Umfrage erklärten 37 Prozent der Mehrheitsbevölkerung, Roma verdienten es nicht, rumänische Staatsbürger zu sein. Und 36 Prozent der Befragten waren der Meinung, Roma hätten in Rumänien nicht einmal als Touristen etwas zu suchen.

Die Zeitungen, das Fernsehen und das Radio berichten fast täglich über die sogenannte Zigeunerkriminalität. Diese rassistisch eingefärbte Berichterstattung befördert nicht nur Vorurteile, sondern heizt zusätzlich die ressentimentgeladene Atmosphäre auf und reduziert sämtliche Hemmschwellen, wenn es darum geht, Roma auszugrenzen, offen zu diskriminieren oder gar tätlich anzugreifen. Der Vorschlag eines Bürgermeisters, die Roma in ein Ghetto zu isolieren oder die Empfehlung eines Bezirksvorstehers, die Zigeuner nicht mehr in Krankeinhäuser aufzunehmen und zu behandeln, sorgten im Westen noch vor einem Jahr für Schlagzeilen. Die vor allem wegen der anstehenden NATO-Osterweiterung um ihr Image besorgte Regierung bemühte sich, die Probleme auf ihre Art zu bereinigen. Der Bürgermeister musste auf sein fast landesweit, positiv begrüßtes Projekt verzichten, der Bezirksvorsteher aber seinen Hut nehmen.

Die lynchjustizartigen gewalttätigen Abrechnungen mit kriminellen Roma verwandelten sich etliche Male in regelrechte Pogrome, die von den Behörden stillschweigend geduldet wurden. In einer von der Romaorganisation "Aven Amentza" veröffentlichten Presserklärung zu den jüngsten blutigen Vorfällen in Buhusi ist von "einer primitiven kollektiven Abrechnung" die Rede und von grobem Amtsmissbrauch der Behörden. Den rumänischen Massenmedien wird vorgeworfen, den Rassismus zu fördern und den tiefsitzenden Hass gegen die Roma anzustacheln. Die Erklärung enthält zudem den beklemmenden historischen Hinweis, der zügellose Rassismus der rumänischen Polizei sei das fatale Ergebnis der unbewältigten Vergangenheit: Der nie kritisch aufgearbeiteten Tradition des 1942 vom militärfaschistischen Regime durchgeführten, hauseigenen Völkermords an Juden und Roma und der in der Ceausescuzeit gängigen Romadiskriminierung.

Ausgehend von der Feststellung, in Rumänien gäbe es so etwas wie einen "institutionalisierten Rassismus", wird gegen die jetzige Regierung der Vorwurf erhoben, bei der Lösung des sogenannten Romaproblems versagt zu haben. Die Bukarester Regierung wird zudem nachdrücklich aufgefordert, noch vor dem am 12. Dezember beginnenden Kopenhagener EU-Gipfel, die "groben Rechtsverstöße" der rumänischen Polizei während ihres rücksichtslosen Einsatzes in Buhusi öffentlich zu verurteilen.

Es ist anzunehmen, dass die Regierung – wie auch in anderen ähnlichen Fällen – sich in Schweigen hüllt oder den Vorfall verharmlost.

Im November initiierte der Informatiker Valeriu Nicolae vom "Roma Protest Network" eine von mehr als 400 Personen aus Rumänien und dem Ausland unterzeichnete Protestaktion. Die Unterzeichner des Schreibens, das u.a. auch an die zuständige Bukarester Ministerin für europäische Integration gerichtet war, kritisierten darin die Verfasserin eines Leitartikels, der in der Temeswarer Regionalbeilage der Tageszeitung "Ziua" erschienen war. In dem Editorial wird behauptet, die rumänischen Zigeuner besudelten bei ihren Auslandsreisen den guten Ruf der Rumänen in der Welt. Um rechtschaffene Rumänen nicht weiterhin mit bettelnden und stehlenden Zigeunern zu verwechseln, forderte die Zeitung die Behörden auf, den Roma die Pässe weg zu nehmen und ihnen keine Auslandsreisen mehr zu gestatten, "restriktivere Gesetze für Banditen" zu verabschieden und das "Böse aus unserer Nachbarschaft" nicht mehr untätig hin zu nehmen.

Weder die Leitung der Zeitung noch das Integrationsministerium haben bislang auf den Protestbrief reagiert.

hagalil.com 11-12-02


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