Befragung im Auftrag des American Jewish Committee:
Neue Studie - altes Ergebnis
Im Auftrag des American Jewish Committee (AJC) befragte das Berliner
Institut Infratest 1250 Personen über ihre Einstellungen zu Juden. Im
Zeitraum vom 8. Oktober bis zum 25. Oktober wurden insgesamt 1250
Personen ab 14 Jahren befragt. Die Ergebnisse bestätigen im wesentlichen
ältere Studien zum Thema Antisemitismus: Negative Stereotype von Juden
und Jüdinnen sind in diesem Land sehr weit verbreitet.
Auch wenn 60 Prozent der
Interviewten den Antisemitismus als Problem in Deutschland ansehen und
72 Prozent das Wissen um den Holocaust als "sehr wichtig" oder
"außerordentlich wichtig" für "die Deutschen" erachten, so konnten nur
43 Prozent der Befragten die Zahl der von den Nationalsozialisten
ermordeten Juden nennen. Und je jünger die befragten sind, desto
geringer ist ihr Wissen um den Holocaust. Infatest konnte ebenfalls eine
Korrelation zwischen antisemitischen Einstellungen und Bildungsgrad
feststellen: Mit zunehmender Bildung und Qualifikation nehmen die
antijüdischen Stereotype ab.
Extrem weit verbreitet
sind antisemitische Verschwörungsphantasien. So meinen 40 Prozent, dass
die Juden einen zu großen Einfluss auf das Weltgeschehen ausüben und 26
Prozent gehen davon aus, der jüdische Einfluss auf die amerikanische
Politik sei ein wesentlicher Grund für geplante Militäraktionen gegen
den Irak.
Klassisch antijüdische
Vorstellungen, wie die, dass die Juden schuld am Tod Jesus seien, sind
heute weniger verbreitet. Dieser Frage stimmten 14 Prozent "vollkommen"
oder "eher" zu. Wesentlich populärer sind jedoch Einstellungen, die
Juden und Jüdinnen eine übergroße Affinität zu Geld zuschreiben. Der
Aussage "Geld spielt für Juden eine wichtigere Rolle als für andere
Leute" stimmten 20 Prozenten der Befragten "vollkommen" zu und weitere
25 Prozent stimmen "eher" zu.
Auch das alte Motiv der
"jüdischen Rachsucht" ist noch äußerst virulent. Insgesamt 35 Prozent
meinen, dass Rache und Vergeltung im Handeln von Juden eine größere
Rolle als bei anderen Leuten spielen würde.
Es lässt sich festhalten,
dass antisemitische Einstellungsmuster kein Problem eines rechten Randes
der deutschen Gesellschaft darstellen. Sie sind vielmehr ein
wesentlicher Bestandteil der viel zitierten bürgerlichen Mitte.
Politische Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus sollten
dieser, schon lange bekannten, Tatsache endlich Rechnung tragen. Auch
wenn sich Antisemitismus in der bürgerlichen Gesellschaft immer nur
relativ, nie absolut, zurückdrängen lässt, so sollten die Möglichkeiten
von politischer Bildungsarbeit ausgeschöpft werden. Dazu gehört jedoch
eine langfristige, auch finanzielle Absicherung von Projekten, die in
diesem Bereich tätig sind.
is/hagalil.com
19-12-02 |