Herzl-Zitat:
Salzburger Sauberkeit
Im Jahr 2001 hat die Stadt Salzburg "etwas für die Juden getan" *). Nein, das
geraubte Gut der 1938 verjagten jüdischen Bürger wurde nicht zurückgegeben.
Das ginge einigen heute immer noch vielleicht etwas zu weit.
Eine Tafel wurde angebracht! Für Theodor Herzl. Am ehemaligen Landesgericht,
wo der Begründer des Zionismus 1885 sein Rechtsreferendariat absolvierte.
"In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens
zu. Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude
wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden." hatte er in
sein Tagebuch geschrieben. Was liegt dran, dachten sich ein paar ganz
gescheite Salzburger Politikprofis und stutzten das Zitat auf ein nettes
und dem Tourismus zuträgliches Maß zurück. Der zweite Satz wurde auf der
Marmortafel unterschlagen. Als ein
"preußischer"*) Künstler, Wolfram Kastner, der gerade eine Klasse an der
Sommerakademie leitete, zusammen mit dem Künstler Martin Krenn aus Wien
und Studenten die unterschlagenen Worte in aller Öffentlichkeit
handschriftlich hinzufügten, war die Aufregung groß. Statt den
Hinweis aufzugreifen und ohne Aufsehen eine Tafel mit dem vollständigen
Zitat anzubringen, wurde die handschriftliche Ergänzung nach drei Tagen
fein säuberlich übertüncht. Die Republik
Österreich, Landesgericht Salzburg, leitete gegen Wolfram P. Kastner ein
Strafverfahren wegen "schwerer Sachbeschädigung" ein und ersuchte
ein deutsches Amtsgericht um Amtshilfe und "Abhörung". Die öffentliche
Kunstaktion sollte kriminalisiert werden. Als Strafe wurden bis zu drei
Jahre Haft oder 350 Tagessätze angedroht! Erst
als sich die internationale Presse einschaltete, begann man sich zu
besinnen, und als der Bundespräsident die Stadt zur Vervollständigung
des Zitats aufforderte, war man eigentlich fast immer schon eh' dafür
gewesen. Naja, kurz zuvor wurde im Parlament der Antrag der Grünen auf
Ergänzung des Zitats und Einstellung des Strafverfahrens mit Stimmen der
Sozialdemokraten, der Konservativen und der Haiderpartei abgelehnt.
Aber jetzt war man bereit zur Korrektur! Das heißt auf gut
Salzburgerisch: die Tafel wurde entfernt. Und sie ist bis heute nicht
mehr aufgetaucht an der Stelle, wo sie aus gutem Grund war und wo sie
auch hingehört: am ehemaligen Gerichtsgebäude (heute Sitz der Salzburger
Landeshauptmannschaft). Der Chef des Landesamtes
für Kultur hatte das "im Vertrauen" als seine persönliche Meinung schon
lange vertreten: "Wir können doch nicht jetzt, wo sich die Israeli und
die Palästinenser da unten die Schädel einschlagen, den in Salzburg
lebenden 10.000 Türken das Signal geben, die Herrschenden hier sind für
die Zionisten." (!) Man hat die Tafel an
einem völlig beziehungslosen - und damit sinnlosen - Ort angebracht. An
einem städtischen Gebäude. Die saubere Salzburger Landesregierung wollte
nämlich sicher gehen, dass an ihren sauberen Wänden keine eventuell
möglichen Schmierereien von Antisemiten auftauchen. So sehr fürchtet
sich die Landesregierung davor - jetzt wo das Zitat vollständig ist -
und sorgt sich um den sauberen Eindruck ihrer Fassaden, dass sie es der
Stadt Salzburg nicht mehr gestattete, die Tafel am historisch richtigen
Platz anzubringen.
Das ist doch mal eine beherzte saubere Tat - so richtig Salzburgerisch halt.
Vermutlich werden ebenfalls nur aus Sauberkeitsgründen die Hakenkreuze an der
Jahn-Turnhalle am Salzachufer alljährlich zur Festspielzeit mit einem Plakat
zugedeckt. Damit sie halt nicht beschädigt oder gar beschmiert werden, und
niemand sich irgend welche Gedanken macht. Es geht nichts über die
Salzburger Sauberkeit! Wolfgang Kastner
*) so drückte sich der Chef des Salzburger Landesamtes für Kultur aus
hagalil.com
07-11-02 |