Von
Karl Pfeifer
In der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" erschien unter dem Titel
"Austro-Masochismus/ Die kuriose Nestbeschmutzung der "Presse"-Tante A.
Rohrer" eine heftige Attacke gegen Anneliese Rohrer, Leiterin des
Auslands-Ressorts der "Presse", die es gewagt hat vor den Wahlen im
"Presse"-Spectrum ein paar kritische Worte über die Atmosphäre in
Österreich zu schreiben und zu erklären, froh zu sein, dass ihre Tochter
sich im Ausland aufhält.
Es ist kein Zufall, dass die von Andreas Mölzer (FPÖ), Bundesrat John
Gudenus (FPÖ) und Botschafter a.D. Johann Josef Dengler (ÖVP)
herausgegebene Wochenzeitung dieses abgenutzte und spießige Bild der
"Nestbeschmutzung" bemüht.
Erich Mühsam, der deutsche Anarchist und prominente Teilnehmer an der
Revolution in Bayern (1918-1919) schrieb bereits 1916:
"Abrechnung
Erster Rückblick auf die "große Zeit"
...Den Vorwurf, ich sei der Vogel, der sein eignes Nest beschmutzt, werde
ich gemütsruhig tragen. Denn erstens finde ich es für einen gesitteten
Vogel unschicklich, sich für solche Tätigkeit das Nachbarnest
auszusuchen und die Beobachtungen während zweier Kriegsjahre haben mich
in dieser Auffassung nur bestärkt, zweitens aber könnte mich die
Beschuldigung nicht treffen, weil sie an der Verwechslung von Ursache
und Wirkung krankt. Wer sich der peinlichen Aufgabe unterzieht, eine
Kloake aufzuräumen, um ihrer Reinigung vorzuarbeiten, wird nicht
vermeiden können, daß sich unter seiner Beschäftigung üble Düfte erheben
und ausbreiten. Es geht nicht an, für die Erregung des Gestanks ihn
verantwortlich zu machen..."
Mühsam wurde nur wenige Stunden nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar
1933 verhaftet. Im folgenden Jahr, das er als Häftling in den
Konzentrationslagern Sonnenburg, Brandenburg und Oranienburg verbrachte,
war er jeder nur denkbaren Folter und Demütigung ausgesetzt. Die
Lagerwachen schlugen, verspotteten ihn und rissen ihm ganze Büschel aus
seinem Bart heraus, damit er wie die Karikatur eines orthodoxen Juden
aussehe. Schließlich fand man am 10. Juli 1934 seinen ausgemergelten
Leichnam erhängt in einer Latrine des KZ Oranienburg.
Ein Autor von "Zur Zeit" wurde wegen Holocaustleugnung rechtskräftig
verurteilt, ein anderer durfte Juden beschuldigen einen Ritualmord
begangen zu haben. In dieser Wochenzeitung kann man viele antisemitische
Texte und Karikaturen finden.
Die nazoide Wochenzeitung "Zur Zeit" erhält für 2002 von der
Bundesregierung EURO 75.550.20 Presseförderung.