Neonazis in Halbe:
"Heldengedenken" geplant
Neonazis wollen Wehrmachtssoldaten und SS ehren. Antifaschisten
protestieren dagegen
Mike Kettler Junge
Welt, 06.11.2002
Nachdem am 17. August diesen Jahres zum zweiten Mal in Folge Neofaschisten aus
der gesamten Bundesrepublik im bayrischen Wunsiedel aufmarschierten, um den
Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zu ehren, soll nun auch am 17. November im
brandenburgischen Halbe versucht werden, rechtes Heldengedenken zu reanimieren.
Ziel des geplanten Aufzuges ist der Waldfriedhof Halbe. Hier
liegen über 22000 Menschen begraben, darunter 20000 Angehörige von Wehrmacht,
Hitlerjugend, SS, Waffen-SS und Volkssturm. Auf dem Friedhof sind aber auch die
Gräber von Flüchtlingen, von Einwohnern aus Halbe und Umgebung sowie
sowjetischer Zwangsarbeiter zu finden, die unter anderem in Mahlow,
Kleinmachnow, Luckenwalde, Waltersdorf und im Reichsbahnlager Halbe
Sklavenarbeit leisten mußten. Im »Kessel von Halbe« wurde das letzte Aufgebot
Hitlers durch die Rote Armee vernichtend geschlagen. Diesem erbitterten Kampf
fielen in den letzten Kriegswochen auch Tausende Flüchtlinge zum Opfer.
Nach Angaben der Treptower Antifa Gruppe (TAG) gegenüber junge Welt marschierten
bereits 1990 und 1991 bis zu 1000 Rechtsextreme mit einer »martialischen
Prozedur von Fackelmärschen, Trommelwirbeln und Kranzniederlegungen« zu den
Gräbern ihrer »Helden« in Halbe. Bisher verhinderten die Behörden jedoch, daß
der Mummenschanz zur Tradition wurde. Ob es auch in diesem Jahr zu einem
vollständigen Verbot kommt, ist noch nicht klar. Unter dem Motto »Ruhm und Ehre
dem deutschen Frontsoldaten!« wollen sich die Neonazis am Sonntag, dem 17.
November, dem »Volkstrauertag«, versammeln. Die Friedhofsverwaltung sprach ein
Verbot gegen die Friedhofsbegehung aus, das aber von der zuständigen
Polizeidirektion wieder aufgehoben wurde. Nach Aussage eines Sprechers des
Polizeiabschnitts Königs Wusterhausen gegenüber jW ist in den nächsten Tagen mit
einer Entscheidung zu rechnen, ob das »Heldengedenken« stattfinden kann. Bei
einem Verbot ist mit der üblichen juristischen Prozedur vor den Gerichten zu
rechnen.
Neonazis aus dem freien Kameradschaftsspektrum treten als Organisatoren und
Anmelder des »Heldengedenkens« auf. Besonders tritt der hartgesottene
Berufsneonazi Christian Worch in Erscheinung, der sich sicher ist, daß sich das
»Heldengedenken« in Halbe »wieder etablieren« wird. Kundgebungen in Halbe seien
auch schon für die kommenden Jahre angemeldet.
Ein unabhängiges Bündnis antifaschistischer Gruppen sowie die Antifaschistische
Aktion Berlin (AAB) wollen diesen Plan jedoch zunichte machen. Auf einer
Kundgebung unter dem Motto »Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!« wollen sie
der ermordeten sowjetischen Zwangsarbeiter und der 57 deutschen
Wehrmachtsdeserteure gedenken, die ebenfalls auf dem Waldfriedhof begraben
liegen. Der Vorsitzende der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V.,
der Wehrmachstsdeserteur Ludwig Baumann, wird auf der Kundgebung sprechen (jW
berichtete über sein politisches Engagement u.a. am 22. Juli diesen Jahres und
am 13.12.2001 aus Anlaß seines 80. Geburtstages). Die Antifaschisten planen
darüber hinaus mehrere Blockadekundgebungen sowie eine Demonstration unter dem
Motto »Strammstehen heißt untergehen – Kein Naziaufmarsch in Halbe!«.
hagalil.com
13-11-02 |