Von Heribert Schiedel, Wien
Jungle World, 20.11.2002
Seine Besuche werden mittlerweile schon fast zur Routine. Bereits
zum dritten Mal innerhalb eines Jahres besuchte Jörg Haider Anfang
November den irakischen Präsidenten Saddam Hussein oder eines seiner
Doubles. Kurz vor den österreichischen Parlamentswahlen, bei denen die
Freiheitliche Partei (FPÖ) mit herben Verlusten rechnen muss, scheint
Haider einem prominenten Vorbild zu folgen, das zeigte, wie man doch
noch in letzter Minute gewinnen kann.
Kurz nach seiner Rückkehr gab der Kärntner Ministerpräsident dem
österreichischen Nachrichtenmagazin Profil Auskunft über die Motive
seiner Reise, die an die Aussagen des deutschen Bundeskanzlers Gerhard
Schröder über die USA und den "deutschen Weg" erinnern. Die
Kriegsdrohung gegen den Irak sei "ein Versuch der USA, von inneren
Problemen abzulenken und die Kriegsindustrie anzukurbeln", erklärte
Haider. "Die USA betreiben einen brutalen Imperialismus und
Kolonialismus. Es geht schlicht und einfach um eine der größten
Ölreserven der Welt." Eine Meinung, die zumindest viele seiner
Parteifreunde teilen.
Als er wegen seiner Reise heftig kritisierte wurde, präsentierte er
sich auch noch als Friedensstifter. Er habe Saddam nur bewegen wollen,
der UNO nachzugeben erklärte er lapidar. Außerdem sei Israel genauso
wenig eine Demokratie wie der Irak. Bereits nach seiner zweiten Reise im
Mai hatte er im Fernsehsender al-Jazeera behauptet, dass die israelische
Armee in Jenin Kriegsverbrechen begangen habe. Den Palästinensern
hingegen gestand er damals das "Recht auf Widerstand mit allen Mitteln"
zu.
Organisiert und bezahlt wurden alle Reisen in den Irak von der
Österreichisch-Irakischen Gesellschaft. Ihr Vizepräsident ist der so
genannte Volksanwalt Ewald Stadler (FPÖ), der Saddam öffentlich
verteidigte, als dieser die Anschläge vom 11. September 2001 als Folge
der "zionistischen Politik" der USA bezeichnete. Der
Verteidigungsminister Herbert Scheibner (FPÖ) führt hingegen die am Ende
des vergangenen Jahres von ihm mitbegründete Österreichisch-Syrische
Gesellschaft an.
Auch mit Syrien pflegt Haider gute Kontakte. Während seiner letzten
Reise traf er sich auf dem Weg nach Bagdad mit dem syrischen
Außenminister Mustafa Tlass, der auch als Autor antisemitischer
Hetzschriften bekannt ist. So behauptet er, dass Juden vor dem
Pessach-Fest Christen ermordeten, um mit ihrem Blut das traditionelle
ungesäuerte Brot zu bereiten.
Besonders gute Beziehungen unterhält Haider auch nach Libyen. Er sitzt
im Vorstand der Österreichisch-Libyschen Gesellschaft und ist durch
seine enge Freundschaft mit einem Sohn des Staatspräsidenten Muammar al
Gaddafi seit dem Ende der neunziger Jahre mit dem libyschen
Herrscherhaus verbunden. Der "Revolutionsführer" begrüßte Haider damals
als Verbündeten im Kampf gegen die "zionistische Herrschaft". Und von
ihr fühlen sich Haider und seine Anhänger schließlich schon seit langem
verfolgt. Inzwischen hält selbst sein ehemaliger Generalsekretär, der im
Spätsommer zusammen mit der damaligen FPÖ-Führungsriege zurücktreten
musste, Haider für einen Antisemiten.
Tatsächlich sind dessen Besuche in Bagdad auch als Provokation der
ehemaligen Parteispitze zu verstehen. Wiederholt kritisierten die
Entmachteten die Solidaritätsfahrten ihres "einfachen Parteimitglieds"
öffentlich. Zuletzt fand der Finanzminister Karl-Heinz Grasser deutliche
Worte über die Besuche im Irak, worauf Haider konterte, Grasser wolle
"einen Job in den USA" haben und brauche dazu "offenbar das Wohlwollen
der Ostküste".
Das ist der schlimmste Vorwurf, den man einem Mitglied der FPÖ machen
kann. Vor allem in den Reaktionen auf die Anschläge vom 11. September
wurde der Hass auf die USA, denen man ihr erfolgreiches Engagement bei
der Zerschlagung des Naziregimes nicht verzeihen kann, deutlich. "Andere
Völker mussten mit ähnlichem Terror - allerdings von amerikanischer
Seite - schon viel früher Bekanntschaft machen", war in dem der FPÖ nahe
stehenden Blatt Aula zu lesen. Man müsse sich auch fragen, ob die
Terroranschläge in den USA nicht "als Vergeltung für Ermordung und
Vertreibung der Palästinenser, für Bomben auf Bagdad und Belgrad,
Hiroshima und Nagasaki, für Terrorangriffe auf Dresden, Hamburg und
Wien" begriffen werden könnten.
Auch das von der blau-schwarzen Koalition in diesem Jahr mit 75 000
Euro unterstützte Wochenblatt Zur Zeit, das österreichische Pendant der
Jungen Freiheit, argumentiert ähnlich. Im vergangenen Jahr
veröffentlichte es unter dem Titel "Irak ist ein offenes Land" ein
Interview mit dem jetzigen irakischen Außenminister Naji Sabri. Den
Grund für die UN- Sanktionen sieht er allein darin, dass sich der Irak
"niemals einer angloamerikanischen Kolonialpolitik unterworfen und (...)
niemals den zionistischen Rechtsanspruch akzeptiert" habe.
Dieser Meinung ist auch John Gudenus, ein Mitherausgeber von Zur Zeit,
der die FPÖ im Bundesrat vertritt und am Ende des letzten Jahres Israel
als einen "rassistischen, auf nationale und religiöse Ungleichheit
aufbauenden Unrechtsstaat" bezeichnete. Einige Monate später hieß es in
der Zeitung über die Zukunft Palästinas: "In einer Periode friedlicher
und gleichberechtigter Nachbarschaft wäre kein Raum für ein Volk, das
sich aufgrund seiner selbst proklamierten Auserwähltheit besondere
Vorrechte anmaßt."
Haider, der von dem Blatt als "Heros für die Arabische Welt" bezeichnet
wird, schrieb dort Ende Mai von "staatsterroristischen Akten, wie sie
etwa Israel gegenüber den Palästinensern begeht". Da nicht nur seine
Anhänger das genauso sehen, ist der innenpolitische Schaden solcher
Äußerungen gering. Gleiches gilt für Haiders Reisen in den Irak,
deretwegen ihn viele seiner Landsleute bewundern. Die vor Jahren
plakatierte Parole vom Jörg, der "sich was traut", hat sich für diese
Leute erneut bestätigt.