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Judentum und Israel
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Aggressiver Antisemitismus:
Kein Platz für Juden

In Reaktion auf den US-geführten 'Krieg gegen den Terror' breitet sich in Deutsch-Europa erneut ein aggressiver Antisemitismus aus

Thomas von der Osten-Sacken

"Eine Welt, in der es keinen Platz für die Juden gibt, hat keinen Platz für die Differenz; und eine Welt, der der Platz für die Differenz fehlt, hat auch keinen Platz für Menschlichkeit. Das ist der Grund, warum Antisemitismus nicht ein, sondern das crime against humanity ist."
Jonathan Sacks

"Anstatt gegen Antisemitismus zu mobilisieren – was hier zu Lande tatsächlich etwas Neues wäre –, wird in Sachen Feindmarkierung eher der Schulterschluß mit den Antisemiten praktiziert."
Paul Spiegel

Der britische Oberrabbiner Jonathan Sacks bemerkte kürzlich, die Welle antisemitischer Äußerungen und Ausschreitungen in Europa und Nahost lasse nur einen Schluß zu: "Antisemitismus ist die erfolgreichste Ideologie der Moderne." Die Harvard-Professorin Ruth Wise schrieb, offenbar habe in Europa einzig der Antisemitismus "von allen europäischen Groß-Ideologien unbeschadet das 20. Jahrhundert überstanden", während Kommunismus, Faschismus und Liberalismus in Bedeutungslosigkeit versunken seien. Charles Krauthammer, Kolumnist der "Washington Post", forderte seine Landsleute auf, sich von einer trügerischen Illusion zu verabschieden: Der Antisemitismus, der in der Vernichtung der europäischen Judenheit kulminierte, könne nicht länger als "Ausnahmeerscheinung der europäischen Geschichte" verstanden werden. Außergewöhnlich sei im Gegenteil die zeitweilige Schwäche antisemitischer Bewegungen nach 1945 gewesen, nun kehre wieder Normalität in Europa ein.

Mit Unbehagen verfolgte man in Israel und den USA den ersten Wahlkampf in Deutschland, in dem, wie die "Jerusalem Post" bemerkte, nicht nur "weitverbreitete antiamerikanische Ressentiments bedient", sondern auch dezidiert antisemitische Töne angeschlagen wurden. Daß beides schließlich über das Thema Irak zusammenfand, der "Kriegsverbrecher" Sharon durch den "Cowboy" Bush ergänzt wurde, ist kein Zufall - Antiamerikanismus und Antisemitismus verschmelzen immer dann zu einer Einheit, wenn es in Krisensituationen um die Anbindung außenpolitischer Interessen an die innere Verfassung der Gesellschaft geht. Bereits 1906 hatte der völkische Autor Otto Ladensdorf diesen Konnex auf den Punkt gebracht: "Heute kann man schon in gewissem Sinne den Juden als den Vertreter des Amerikanismus bei uns bezeichnen. Verjudung heißt eigentlich Amerikanisierung."

Judentum, Liberalismus und Amerika bildeten dergestalt in Deutschland die Matrix alles Hassenswerten schon vor Beginn des Ersten Weltkriegs, den Thomas Mann als "großartigsten Ausbruch des uralten deutschen Kampfes gegen den Geist des Westens" begrüßte. Später verband sich der Kampf gegen den vermeintlich von den Juden repräsentierten westlichen Universalismus mit genuiner Friedensrhetorik. Ökonomisches Interesse und Menschenrechtsimperialismus, so der Nazi-Autor Adolf Halfeld 1941, seien für die Juden identisch: "Der Jude glaubt - und ohne Zweifel auch aus innerem Bekenntnis – an die Vereinigten Staaten als die irdische Heimat seines Weltbürgertums. Ihm sind die Human Rights das Evangelium des nordamerikanischen Menschen." Deshalb treibe er zum Krieg des universalistischen jüdischen Weltbürgerideals gegen das von den Deutschen repräsentierte völkische Selbstbestimmungsrecht.

Der Zweite Weltkrieg wurde, wie der Nationalrevolutionär Giselher Wirsing (nach dem Krieg Chefredakteur der evangelischen Wochenzeitung "Christ und Welt") erklärte, zu einem globalem Kampf der Völker gegen das kosmopolitische, von Amerika, England und den Juden verkörperte "weltbürgerliche Prinzip" und für einen "nationalen Sozialismus" in ihrer jeweiligen Heimat. Die sogenannten Nationalrevolutionäre, auf die sich heute Leute wie Horst Mahler berufen, beschäftigten sich schon damals obsessiv mit dem Nahen Osten, der zionistischen Besiedlung Palästinas und dem arabischen Öl. In seinem vielbeachteten Buch Ölkrieg, das 1939, kurz vor dem deutschen Überfall auf Polen, erschien, erklärte der populärwissenschaftliche Autor Anton Zischka, die USA und das Weltjudentum hetzten nur zum Krieg, um sich das Öl und die Vorherrschaft in Arabien zu sichern; überall aber werde "Blut über Öl und Nationalbewußtsein über internationalen Kapitalismus" siegen.

Heute formuliert Mahler denselben Gedanken, wenn er von einem am 11. September 2001 ausgebrochenen Dritten Weltkrieg der Völker gegen die "judäo-amerikanische Weltherrschaft" spricht. Hätten in den ersten beiden Kriegen die USA gesiegt, stehe nun der Sieg der vom Islam angeführten Völker bevor. "Wir müssen den mondialistischen Konzepten der 'Menschenrechte' die organischen und bodenständigen Konzepte der 'Rechte der Völker' und der 'Rechte der Ethnoi' entgegenstellen", fordert zur gleichen Zeit die nationalrevolutionäre russische Zeitung "Elemente" und ruft zur Unterstützung der Antiglobalisierungsbewegung, des Islam und Saddam Husseins gegen die USA und den Zionismus auf. Saddam wiederum hat dem "Zio-Imperialismus" längst ebenso den Krieg erklärt, wie Osama bin Laden den "Kreuzfahrern und Juden".

Für Jonathan Sacks steht fest, daß erneut ein Krieg zwischen den Antisemiten und ihren Gegnern entbrannt ist, der global geführt wird. Sein zentraler Austragungsort und zugleich seine wichtigste Chiffre sind Israel und der Nahe Osten geworden. Diese Region und dieser Kampf, dessen Ausgang offen ist, beschäftigen die Gemüter weltweit wie keine andere Region und keine andere soziale oder politische Auseinandersetzung. Jede/r, scheint es, hat sich gegenüber diesem Konflikt zu positionieren, wobei Europa, so Sacks, "einen generellen Unwillen an den Tag legt, sich dem Antisemitismus zu widersetzen".

Nicht von ungefähr haben der Nahe Osten und die sich dort zuspitzenden Krisen eine Bedeutung, die weit über einen regionalen Konflikt hinausweist. Häufig schon wurde bemerkt, daß diese Region aus unterschiedlichen Gründen mit deutscher und europäischer Geschichte übercodiert sei. Vor allem Bezüge zum Nationalsozialismus werden reflexhaft hergestellt, wenn es gilt, aktuelle Vorgänge zu erklären - sei es Jürgen W. Möllemann, den die israelische Armee an die Wehrmacht erinnert, oder H.M. Enzensberger, der in Saddam die Inkarnation Hitlers entdeckte. Auch die dortigen Konfliktparteien pflegen sich gegenseitig als Nazis zu zeichnen: Menachim Begin erklärte 1982, Hitler aus seinem Bunker holen zu wollen, und meinte Arafat in Beirut, während die Palästinenser, sekundiert von der Neuen Linken in Europa, das israelische Bombardement der libanesischen Hauptstadt als neuen "Holocaust" bezeichneten und den Kampf um das Flüchtlingslager Djenin im Sommer 2002 als "Verbrechen gegen die Menschheit".

Der Automatismus, mit dem derartige Vergleiche angestellt werden, spricht dafür, daß der Nahe Osten mehr ist als nur eine Projektionsfläche. Dan Diner wies schon vor zehn Jahren darauf hin, daß mit dem zweiten Golfkrieg gleichsam die internationalen Bruchlinien von 1939 erneut spürbar geworden sind: Amerikaner und Briten einerseits, die eine konsequente militärische Aktion gegen einen "totalitären Diktator" forderten, und andererseits die Deutschen, unterstützt von der Mehrheit der Bevölkerung in Europa und der Dritten Welt, die auf Verständigung mit Saddam Hussein setzten und den USA vorwarfen, einen brutalen Krieg gegen ein unschuldiges Volk zu führen. Für die USA handelte es sich bei Saddam nicht nur um einen von vielen postkolonialen Drittweltdespoten, sondern um einen Präzedenzfall: Die Verletzung der Souveränität eines anderen Staates dürfe, so die angloamerikanische Darstellung, nicht noch einmal, wie 1938, geduldet werden. Die deutsche Friedensbewegung dagegen griff bereitwillig die irakische Propaganda von den willkürlich gezogenen kolonialen Grenzen auf und begegnete dem vermeintlichen Wunsch der Araber nach Vereinigung ihrer Länder mit Verständnis. Bagdad wurde als zweites Dresden halluziniert, das unter dem Terror "angloamerikanischer Bomberflotten" zu leiden habe. "Die 'Alliierten' empfanden die Konstellation am Golf ebenso als deja vú", schrieb Diner, "wie die pazifistische Erregung in Deutschland, die massenweise Wiederholungsphantasien auslebte." Diese Bruchlinien, die sich nach dem 11. September 2001 noch verschärft haben, veranlaßten kürzlich David Gelernter im linksliberalen "Weekly Standard", den Europäern Appeasement-Politik vorzuwerfen. Von den muslimischen Staaten gehe offenbar eine "politisch, finanziell und masochistisch lohnende Faszination" aus, in der sich eine spezifische Form des europäischen Selbsthasses rationalisiere, Ausfluß einer Weltanschauung, derzufolge man anderen Völkern seine eigenen Werte nicht aufdrücken dürfe.

Nun geht es in der US-Debatte allerdings gerade darum, sich gegen den in Bagdad, Berlin und anderswo erhobenen Vorwurf, man führe einen "Kampf der Kulturen", zu wehren. "Die häufige Verwendung des Begriffs 'amerikanische Werte'", erklärten kürzlich 67 prominente amerikanische Intellektuelle in einer Antwort auf einen offenen Brief saudischer Akademiker, "hat für einige Verwirrung gesorgt, als ob wir in den USA Moslems dazu auffordern würden, 'amerikanische Werte zu übernehmen'. Unsere Argumentation für grundsätzliche Rechte und Freiheiten gründet aber auf universalen, nicht auf nationalen oder partikularistischen Werten."

Zunehmend warnen namhafte amerikanische Autoren vor der Gefahr eines "islamischen Faschismus", der mit allen Mitteln niedergerungen werden müsse, während die Europäer und die meisten Menschen in der sogenannten Dritten Welt in Saddam Hussein und Osama bin Laden entweder Opfer westlicher Hegemonialpolitik sehen oder sie gar als Heroen im Kampf gegen "Imperialismus und Zionismus" feiern. Das geschieht meist nicht, weil der irakische Diktator ihnen besonders sympathisch ist, sondern weil im Falle des Irak, stärker noch als im Krieg gegen Al-Qaida, das Aufeinanderprallen der Konkurrenten auch als ein Kampf antagonistischer Prinzipien erscheint: Selbstbestimmungs- und Volksrecht versus bürgerlicher Universalismus und Kapitalismus. Erneut werden die "Völker" so gegen den amerikanischen Imperialismus in Stellung gebracht; folgerichtig geraten UN-Gipfel immer mehr zum antiamerikanischen und antisemitischen Potlach.

Es ist kein Zufall, daß gerade konservative jüdische Kolumnisten oder dem Likud nahestehende Intellektuelle in Israel vor den Folgen dieser Auseinandersetzung warnen. Angesichts brennender Synagogen in einem Europa, in dem Juden auf offener Straße angegriffen werden, Demonstranten in Berlin "Heil Hitler" und "Tod den Juden" brüllen, und angesichts der täglichen Aufrufe in Bagdad, Ramallah und Damaskus zum Massenmord an den Juden, der dann – in kleinerem Maßstab - von Hamas und den Al-Aksa-Brigaden in Israel und von Al-Qaida in New York geprobt und vorweggenommen wird, warnte der liberale Kolumnist Ron Rosenbaum vor einer sich anbahnenden "zweiten Endlösung", die sogar leichter auszuführen sei als die erste, seien doch fünf Millionen Juden bereits an einem Ort, in Israel, konzentriert. Man muß weder die israelische Rechte mögen oder Anhänger des Likud sein, um einzuräumen, daß die zionistische Rechte die Entwicklung Europas in den dreißiger Jahren weit treffender analysierte als die Linke. Sie warnte vor den Auswirkungen des eliminatorischen Antisemitismus in Deutschland und machte sich keinerlei Illusionen über das Wesen der panarabischen Nationalbewegung, die sie als Kollaborateure der Deutschen im Nahen Osten bekämpfte.

Es war der zionistische Revisionist Wladimir Jabotinsky, dessen jugendliche Anhänger nach italienisch-faschistischem Vorbild in schwarzen Hemden herumliefen, und nicht der Friedensbund Brith Schalom, in dem Martin Buber sich engagierte, der eindringlich vor einer Katastrophe des europäischen Judentums warnte und die Evakuierung der polnischen Juden nach Palästina forderte - lange bevor die Nazis in Warschau einmarschierten. Das sollte bedenken, wer heute in Deutschland die Warnungen und Analysen der Nachfolger Jabotinskys, der israelischen Rechten also, vom Tisch wischen will. Denn leider hatten in der jüdischen Geschichte fast immer die Schwarzseher und Pessimisten Recht, in deren Tradition der Zionismus vor über hundert Jahren entstand. Wenn also, wie zur Zeit, israelische und jüdische Schriftsteller, Journalisten und Wissenschaftler vor der Bedrohung durch einen neuen mörderischen Antisemitismus und einem europäisch-arabisch-islamischen Bündnis warnen, dann müßten gerade bei deutschen Linken alle Alarmglocken läuten.

Das Gegenteil ist der Fall; erneut wird Israel, wie erst kürzlich in der "Frankfurter Rundschau", die Schuld an der Eskalation im Nahostkonflikt zugeschrieben, und die sogenannte Antiglobalisierungsbewegung - über die "Jediot Acharonot" bemerkte, ihre "Verbindung mit den muslimischen Djihad-Bewegungen" werde täglich enger – nimmt hierzulande eine ähnliche Entwicklung wie einst die Friedensbewegung. Wurde diese im Laufe der achtziger Jahre mehr und mehr eine deutschnationale, so droht jene gegenwärtig eine antisemitische und völkisch-antiuniversalistische Erweckungsbewegung zu werden: "Das zentrale Thema der europäischen Bewegungen gegen Globalisierung ist heute der Vergleich zwischen dem Holocaust, in dem sechs Millionen Juden getötet wurden, und der Intifada, die bisher 1.300 Palästinensern das Leben gekostet hat" ("Wall Street Journal"). Ein Vergleich, der in Deutschland längst so selbstverständlich ist, daß mit ihm Außenpolitik betrieben werden kann. Es waren die Grünen, die 1982 in den Palästinensern die "Opfer der Opfer" entdeckten und die die besondere Verantwortung Deutschlands beschworen, den drohenden "Genozid der israelischen Armee an den Palästinensern" zu verhindern.

Daß es 17 Jahre später den Grünen überlassen blieb, unter der Parole "Nie wieder Auschwitz" Krieg zu führen und damit nicht nur die deutsche Vergangenheit zu entsorgen, sondern Deutsch-Europa ein neues, gegen die USA gerichtetes außenpolitisches Programm zu verpassen, ist nur folgerichtig. Die von der Neuen Linken betriebene "Universalisierung" der Shoah, die sich darin äußerte, überall Genozide aufzudecken, hat Deutschland geholfen, seine außenpolitischen Interessen durchzusetzen, ohne von der eigenen Vergangenheit behindert zu werden. Nicht der Universalismus der Menschenrechte, auf den sich die USA im Fall Jugoslawiens berufen haben, sondern einmal mehr die Rechte "unterdrückter Völker" veranlaßten die Deutschen, zum dritten Mal im 20. Jahrhundert gegen die Serben in einen Angriffskrieg zu ziehen. Und was gestern für den Kosovo galt, wird heute gegen Israel geltend gemacht.

Es ist für Außenstehende schwer zu verstehen, daß hierzulande die Ressentiments, die nach 1945 tabuisiert schienen, als Invarianten erhalten blieben, auch wenn sie teils kontraphobisch rationalisiert worden sind. So wie die Friedensbewegung das Ressentiment gegen Amerikaner und Engländer in Pazifismus umdeklarierte, um über Vietnam und Tripolis nach Dresden zu gelangen (siehe dazu Wolfgang Schneider: "Lazarett Deutschland", KONKRET 3/91), so bewahrte die Propaganda der DDR gegen den "Yankee-Imperialismus" die völkischen Stereotype. Inzwischen ist dieser linke "Diskurs" zum Mainstream geworden. Was früher im kommunistischen Zirkular stand, erzählen heute Minister. So hat vor allem die Vorstellung ihren Weg ins Establishment gefunden, daß "wir Deutsche" eine besondere Verantwortung für die Palästinenser und alle von Fremdbestimmung und US-Imperialismus gegängelten Völker hätten. Diese "Verantwortung", die aus der Geschichte erklärt wird, ist das Ergebnis einer absichtsvollen Verwechslung des Nationalsozialismus mit der Politik seiner Gegner. Wer die Ergebnisse von Kolonialismus, Imperialismus und weltweiter kapitalistischer Durchdringung mit der Shoah gleichsetzt, dem gerät die "Verantwortung aus der Geschichte" zur Gebrauchsanleitung im Kampf gegen die einstigen Gegner des Nationalsozialismus.

Aus der "besonderen deutschen Verantwortung" ist im Kosovo Schlimmes erwachsen – im Falle Israels droht das Schlimmste. Sind nämlich die Juden Mörder, Kolonialisten und der ständige Anlaß für Krieg in dieser "Europa unmittelbar benachbarten Region" – worüber von Hamas bis Attac Einigkeit herrscht -, dann läge die konsequente Lösung des Problems darin, sie verschwinden zu lassen. Schon 1938 forderte die "Nationalsozialistische Parteikorrespondenz": "Schluß mit der Kriegshetze – das einzige Volk, das den Krieg wünscht, sind die Juden"; kurze Zeit später erklärte Adolf Hitler: "Die Völker wollen nicht mehr auf den Schlachtfeldern sterben, damit diese wurzellose internationale Rasse an den Geschäften des Krieges verdient und ihre alttestamentarische Rachsucht befriedigt."

Für Nazis ist klar, daß "USrael", wie es kürzlich im "National Journal" hieß, "die Hoffnung hegte, der 11. September reichte aus, den 3. Weltkrieg zu beginnen", aber enttäuscht wurde, "weil Europa sich weigerte, an einem großen Krieg teilzunehmen und seine völkerrechtswidrigen Handlungen auf Afghanistan beschränkte". Und der bürgerlichen Presse gilt jede Aktion der israelischen Regierung gegen den Terror heute als "alttestamentarischer Racheakt" - das "Neue Deutschland" spricht gar von einem "alttestamentarischen Gemetzel". Darin, daß in den USA mächtige jüdische Organisationen hinter den Kulissen die Politik bestimmen, waren sich Nazis und linke Palästinasolidarität schon immer einig. Inzwischen reden Politiker wie Möllemann von einer "zionistischen Lobby" oder gar, wie Ex-Verteidigungsminister Scharping, davon, daß es die "übermächtige jüdische Lobby" sei, die Bush zum Sturz Saddam Husseins dränge. Auch für den linken britischen Journalisten und Antizionisten Robert Fisk ist die "anglo-amerikanische (Kriegs-)Politik im Mittleren Osten eine israelische".

Ein Gedanke, der dort begeisterte Aufnahme gefunden hat. Iraks Vize Tarik Aziz erklärte, "zionistische Zirkel" in London und Washington wollten, daß "die friedliebenden Völker der Briten und Amerikaner" erneut im Interesse Israels Krieg führen. Syriens Präsident Bashir al-Assad begrüßte das Bombenattentat in der Jerusalemer Universität als "Schlag gegen eine Hochburg der israelischen Armee" und griff damit eine Äußerung des spirituellen Führers der Hamas, Scheikh Yassin, auf, demzufolge die Juden nur mittels Gewalt und Krieg zu regieren vermögen und deshalb jeder Israeli als Kombattant zu behandeln sei, selbst Kleinkinder. Schließlich stecken, wie auch Mohammad Atta wußte, "hinter dem Einsatz der Amerikaner am Golf die Juden, hinter den Kriegen auf dem Balkan, in Tschetschenien, überall".

Frieden, so das antisemitische Gesamtcredo, ist mit den Juden nicht zu haben. Meinte nicht auch Daniel Bernard, französischer Botschafter in England, genau dies, als er fragte, warum man Israel, dieses "kleine beschissene Land", nicht fallen lasse, bevor es die Welt in einen Krieg ziehe? Und wollte nicht auch die Kommentatorin der "Tageszeitung" darauf hinaus, als sie Hebron mit Coventry verglich? Denn wenn die Israelis die Nazis von heute sind, helfen nur Maßnahmen, wie sie der britische Poet Tom Paulin in der ägyptischen Zeitung "Al Ahram" vorschlug. Jüdische Siedler, erklärte er, "gehörten totgeschossen". Sein Schriftstellerkollege A.N. Wilson ergänzte den Vorschlag im "Evening Standard", indem er die israelische Armee als "zionistische SS" bezeichnete und daraus den Schluß zog, daß Israel sein Existenzrecht verloren habe. In dieselbe Kerbe haut das "Duisburger Friedensforum", das die "Nazi-Methoden" der israelischen Armee und ihren "Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser" lautstark verurteilt. So nimmt nicht nur in Deutschland, sondern europaweit ein neuer "Antisemitismus nach Auschwitz" Gestalt an, der an seinen Vorgänger besten Gewissens anknüpft, weil er dabei lauthals vor ihm warnt. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Holocaust scheint es gelungen, das "Nie wieder", das Linke zur Maxime ihres Handelns machen wollten, gegen die Opfer von einst zu wenden.

Wenn nun die einen behaupten, in den USA trieben Minderheiten (Juden, Ölindustrie, Hochfinanz) zum Krieg, und die anderen Bush mit Hitler vergleichen - was nicht nur die ehemalige deutsche Justizministerin tat, sondern was auch in der arabischen Welt und in der Friedensbewegung üblich ist -, dann kommt darin ein Antiamerikanismus zum Ausdruck, dessen Vorstellung von Frieden in Wahrheit auf Zerstörung fußt. Die Forderung nach einem Ende der auf Krieg und Ausbeutung beruhenden US-dominierten Weltordnung zielt nämlich zuvörderst auf ein Ende der USA selbst, deren blutige außenpolitische Geschichte "von der Ausrottung der Indianer, über die Dauerintervention in Lateinamerika, die Kriegsverbrechen in Dresden und Hiroshima, über Vietnam bis zum Massaker am Mutla Ridge südlich der irakischen Stadt Basra" reiche, wie der damals grüne Deutschnationale Alfred Mechtersheimer 1991 erklärte. Man habe es mit einem strukturell "friedensunfähigen Land" zu tun, dessen Hegemonie auf Hekatomben von Toten errichtet worden sei. Die USA, heißt es dieser Tage in einem Flugblatt der Friedensbewegung zum weltweiten Anti-Irakkriegstag, hätten einen "permanenten Krieg gegen alle Kräfte" erklärt, die nicht bereit sind, sich ihrem "imperialen Weltherrschaftsanspruch unterzuordnen".

Dagegen habe auch der Irak ein Recht auf Selbstverteidigung. Das Selbstbestimmungsrecht der Menschen im Nahen Osten gebiete zudem, Widerstand "gegen die imperialistische Kriegspolitik der USA" zu leisten, da es Amerika nur darum gehe, der dortigen Bevölkerung "den Reichtum ihrer Region" zu entwenden. "Deshalb muß die Friedensbewegung auch eine Bewegung der internationalen Solidarität mit diesem Widerstand sein", heißt es in dem Flugblatt weiter, das fast zeitgleich mit einem Aufruf der Hizbollah erschien, in dem Ayatollah Mohammed Hussein Fadlallah alle unterdrückten Völker zum bewaffneten Widerstand gegen die neuen Nazis, die USA, aufrief.

Kein Wort über Selbstmordattentate, Chemiewaffen und Vernichtungsdrohungen gegen Israel findet sich in diesem durchaus repräsentativen Text deutscher Kriegsgegner - wie die Hizbollah scheinen sie "suicide bombings", den Einsatz von Massenvernichtungswaffen und Scud-Rakten für legitime Formen dieses "Widerstands" zu halten. So verwundert es nicht, daß auf einer Antikriegsdemonstration in London Teilnehmer ungehindert Bilder ihrer Helden Saddam Hussein und Osama Bin Laden mitführen konnten und auf deutschen Demonstrationen neben irakischen auch Fahnen der Hizbollah und der Hamas gezeigt werden. Vielen, die dieser Tage für Frieden demonstrieren, mag es tatsächlich um ehrenhafte Ziele gehen, objektiv aber fehlt den Demonstrationen, an denen sie teilnehmen, und den Aufrufen, denen sie folgen, die Distanz zu all jenen, denen es, wie Horst Mahler, dezidiert um das Ende der als "jüdisch-angloamerikanische Weltherrschaft" diskreditierten weltpolitischen Hegemonie der USA geht.

In Deutschland wird der Kampf gegen den Terror zum Kampf gegen die USA. Die wahren Terroristen vermutet man hierzulande in den "USA hinter dem Schreibtisch", wie auf einer Friedensdemonstration zu hören war; die US-Army wird, ob in "Junger Welt" oder "Nationalzeitung", als "staatsterroristische" Organisation bezeichnet, und Arno Klönne identifiziert in seinem neuesten Buch Washington als Zentrale dieses "Staatsterrorismus". Der 11. September und die "suicide bombings" halluziniert man sich so zu Widerstandsaktionen im wahren "Kampf gegen den Terrorismus", der vor dem drohenden Irakkrieg noch intensiviert werden müsse, da, so ein beliebter Demo-Slogan, "Krieg immer Terror ist".

Kaum also erklären, um wie viel zu spät und aus welchen Gründen auch immer, maßgebliche Eliten in den USA, daß mit den Regierungen im Irak, in Saudi-Arabien und Syrien kein Staat, sondern allenfalls noch mehr Terrorismus zu machen sei, schließen sich die Deutschen - von Links bis Rechts - zu einer aggressiv-friedensseligen Volksgemeinschaft zusammen. Während liberale Kommentatoren in den USA und Israel seit Jahren darauf verweisen, daß der Nahe Osten so lange nicht in Frieden und Wohlstand leben wird, wie die Saddams an der Macht sind und dem jüdischen Staat mit Vernichtung drohen, saudische Gelder an islamische Terrororganisationen fließen und die syrische Regierung offen mit der Hizbollah und verdeckt mit Al-Qaida kooperiert, verkünden in Deutsch-Europa Politiker und Medien, Ursache der Misere sei der Hunger in der Welt, die israelische Okkupationspolitik und der US-amerikanische Öldurst. Es scheint, als habe sich damit eine Auseinandersetzung zugespitzt, an deren Ende entweder die Vernichtung Israels steht oder ein Naher Osten, der nicht länger ruiniert wird von den Husseins, Sauds und Arafats und der damit die Voraussetzungen für eine friedliche Koexistenz zwischen Israel und seinen Nachbarn böte.

Es sind ausgerechnet "Falken" in den USA wie US-Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz, die von "Demokratie", "Befreiung", gar "Revolution" und von der Möglichkeit sprechen, "einem der talentiertesten arabischen Völker bei seiner Befreiung zu helfen, mit den entsprechend positiven Auswirkungen für den gesamten Nahen Osten"; sie sind sich sicher, daß "ein Erfolg im Irak weltweit auch all diejenigen nachhaltig demoralisieren würde, die Haß predigen und Unterdrückung und Unterwerfung wollen". In anderem Zusammenhang ist von einem grundlegenden Paradigmenwechsel in der US-Außenpolitik die Rede. "Wir müssen etwas Neues beginnen, aus Eigeninteresse", fordert etwa der "Weekly Standard", "die Politik der letzten fünfzig Jahre im Nahen Osten – eine Mischung aus Ölinteressen, Opposition gegen den Kommunismus und Profiten aus Waffenverkäufen – kann nicht länger als Rechtfertigung dafür herhalten, grausame Diktatoren zu unterstützen, die kaum ihre Bevölkerung ernähren, obwohl sie in Öl schwimmen."

Mit ähnlichen Argumenten sprechen sich auch bekannte Linke wie Jeffrey Goldberg, Anne Appelbaum und Christopher Hitchens in den USA für einen Krieg gegen Saddam Hussein aus. Und der Kolumnist Jonah Goldberg zeigt sich mit ausdrücklichem Verweis auf die erfolgreiche, von den USA eingeleitete Demokratisierung Japans "zuversichtlich, daß es Millionen von Arabern gibt, die sich nichts sehnlicher wünschen als ein normales Leben und die bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ihre ideologischen Scheuklappen abwerfen werden".

Ausgerechnet jene "Falken" in den USA, die seinerzeit für den "american jihad" in Afghanistan und die Aufrüstung des Irak gegen den Iran mitverantwortlich waren, scheinen heute gegen ihre alten Alliierten im Nahen Osten und deren Unterstützer zu Felde ziehen zu wollen. Deutschland dagegen steht nicht einmal im Verdacht, seinen dortigen Verbündeten untreu zu werden. "Herr Schröder mag keine Ahnung von den unterdrückten geschichtlichen Kräften haben, die er sowohl im In- wie im Ausland entfesselt hat — aber entfesselt hat er sie", warnt deshalb der konservative Kolumnist Victor D. Hanson. Im Nahen Osten wurden der Wahlsieg der SPD und die Ausrufung eines "deutschen Weges" begeistert begrüßt; die "FAZ" berichtet aus Bagdad, daß deutschen Gästen noch Wochen danach zum Ausgang der Wahl und "der Kritik des Bundeskanzlers an Amerika" mit den Worten gratuliert wird: "Saddam ist gut, und Schröder auch."

Ich danke Anne Birkenhauer und Thomas Uwer für ihre Hilfe.

Erschienen in konkret 12/02

hagalil.com 22-11-02


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