Noch ein paar Worte:
Der Antifaschist Dr. Leopold Figl
Von Karl Pfeifer
In Österreich wurde unlängst auch im Parlament in einer
Feierstunde an den 100. Geburtstag von Bundeskanzler Dr. Leopold Figl,
der einige Jahre in einem Konzentrationslager inhaftiert war gedacht.
Doch wie steht es mit seiner Haltung nach 1945? Auch nach
dem Holocaust, bleibt der Antisemitismus ein Teil der österreichischen
Politik und daran sollte sich lange Zeit nichts ändern. Im Ministerrat
kamen Antisemiten aus der konservativen ÖVP und aus der Sozialistischen
Partei Österreichs zu Wort. Durch den Antisemitismus konnte man in
anderer Form die "Volksgemeinschaft" nach 1945 fortsetzen.
Wer sich die von Robert Knight unter dem Titel "Ich bin
dafür, die Sache in die Länge zu ziehen" herausgegebenen "Wortprotokolle
der österreichischen Bundesregierung von 1945-52 über die Entschädigung
der Juden" anschaut, der kann sich ein Bild machen über Dr. Figl aber
auch über andere österreichische Politiker.
Zum Beispiel im Protokoll der 52. Ministerratssitzung vom
14.Januar 1947 über "Antisemitismus in Österreich" berichtet
Außenminister Dr. Gruber über einen Polizeibericht, in dem "hetzerische
Ausführungen gegen die Juden" zitiert werden und bittet um eine
offizielle Regierungserklärung zur Klarstellung der tatsächlichen
Verhältnisse. Innenminister Helmer wirft den Juden vor, dass sie
Propaganda machen, "daß in Östereich zu wenig gegen den Antisemitismus
unternommen werde. Wenn Vorkommnisse wie das erwähnte im Polizeibericht
dauernd unterdrückt würden, könnte unter Umständen der Vorwurf erhoben
werden, man wolle die Nazi decken.
Es wäre an die Errichtung einer Abwehrstelle gegen
derartige lügenhafte Behauptungen zu denken, die die entsprechende
Aufklärungsarbeit und Gegenpropaganda einleiten müßte. BM Dr. Heinl und
BM Dr. Gerö verweisen auf Antisemitismus in anderen Ländern [bis heute
eine beliebte Methode, den Antisemitismus in der Politik und in den
Medien zu relativieren K.P.] Bundeskanzler Dr. Leopold Figl: "Die Juden
möchten halt rasch reiche Leute werden, [sic] in Bad Gastein hat ein
Jude dem Bürgermeister erklärt, er habe bereits 120.000 Schilling
erwirtschaftet, 4 Anzüge und 6 Paar Schuhe." Das österr. Volk sei nicht
geschäftstüchtig. Richtig sei jedoch, daß nirgends so wenig
Antisemitismus festzustellen sei wie in Österreich und in keinem Land
das Volk von einer solchen Duldsamkeit ist wie bei uns.
Aus dem Protokoll der 132. Ministerratssitzung vom
9.November 1948 (unter Verschluß gehalten): Fonds aus erblosem Vermögen.
(...) Punkt 12 der Tagesordnung, lit a): Fonds für Judenvermögen BM Dr.
Zimmermann berichtet über das Begehren amerikanischer Kreise nach
Schaffung eines Fonds für verarmte Rückwanderer. BM Kraus: ..."Ich weiß
aber nicht, wie gerade jetzt eine Rasse [die man in Österreich nach dem
Anschluß besonders gründlich ausgeraubt hat K.P.] besondere Privilegien
bekommen soll. Andere, die nicht weggingen [hier wird den Juden zur Last
gelegt, dass sie nicht hiergeblieben sind, um sich dann später ermorden
zu lassen, auch das eine beliebte Methode der politischen Klasse
Österreichs] bekommen keine Unterstützung, die Juden aber sollen eine
solche erhalten..." Einige Minister beschweren sich über Mangel an
Budgetmittel für ihr Ressort. BM Dr. Kolb argumentiert, dass "das
Unrecht, das den Juden zugefügt wurde, hat Österreich nicht zugefügt".
Innenminister Helmer: "Was den Juden weggenommen wurde,
kann man nicht auf die Plattform "Großdeutsches Reich" bringen. Ein
Großteil fällt schon auf einen Teil unserer lieben (jüdischen) Mitbürger
zurück. Das ist eine Feststellung, die den Tatsachen entspricht. Aber
auf der anderen Seite muß ich sagen, daß das, was im Antrag steht,
richtig ist. Ich sehe überall nur jüdische Ausbreitung, wie bei der
Ärzteschaft, beim Handel vor allem in Wien. [in Österreich lebten damals
9.000 Juden! K.P.]. Eine Separataktion kann man aber nicht durchführen.
Die Sache ist aber auch eine politische. Auch den Nazis ist im Jahre
1945 alles weggenommen worden und wir sehen jetzt Verhältnisse, daß
sogar der nat. soz. Akademiker auf dem Oberbau arbeiten muß."
Und später Helmer: "Ich wäre dafür, daß man die Sache [der
Entschädigung] in die Länge zieht." Bundeskanzler Dr. Figl: "Dem Antrag
wird die Zustimmung im Ministerrat nicht gegeben... Außerdem würde hier
ein Gegensatz, eine schwere Lage zu den Nationalsozialisten geschaffen
werden..." Am gleichen Abend des 9. November 1948 sprach Figl bei einer
"Trauer und Gedenkfeier" der Kultusgemeinde zum Gedenken an das als
"Kristallnacht" bekannt gewordene Pogrom, das in Wien und Österreich mit
besonderer Energie durchgeführt wurde, erinnern sollte. Figl meinte -
und auch das sollte eine bewährte Methode der Vertreter Österreichs
werden um von der eigenen Schuld abzulenken - die "grauenvolle Tat" vom
November 1938 hatte "nicht zuletzt infolge der Tatsache, daß die Welt
kurz vorher der Vergewaltigung Österreichs tatenlos zugesehen
hatte....".
hagalil.com
13-10-02 |